Ereignis. Ein Wort, welches zu unserem alltäglichen Sprachgebrauch gehört, aber welches über unterschiedliche Konnotationen und viele Bedeutungsebenen verfügt. Obwohl sich ein Ereignis im Allgemeinen als ein „besonderer, nicht alltäglicher Vorgang, Vorfall, Geschehnis“ definieren lässt, verfügt es in den einzelnen wissenschaftlichen (Teil-)Disziplinen, wie in der Geschichte oder in der Literatur- und Sprachwissenschaft, über eine größere Tragweite. Die (vor allem klassische) Historiografie greift auf den Begriff beispielsweise als ein einmaliges und zufälliges Geschehen zurück, das (oder dessen Abfolge) chronologisch nacherzählt wird und das in einem von der kulturellen Struktur bereitgestellten Rahmen gedeutet werden kann. Der Begriff Ereignis kann zugleich, in Anlehnung an Marshall Sahlins als Opposition zum Begriff Struktur verstanden werden: Der erste impliziert einen raschen Wandel (oft sogar Chaos), während der zweite Dauerhaftigkeit, Ordnung und Stabilität. Etwas Ähnliches hat im Bereich der Literaturwissenschaft auch Jurij Lotman festgestellt: Er hat den Terminus ‚Ereignis‘ auf der Textebene definiert und ihn als Verstöße gegen Regeln, Verletzungen von Verboten, räumliche Bewegungen, die Verweigerung von Handlungen, Tugend-Brüche und generell als Grenz- und Gesetzübertretung verwendet. Obwohl der Rahmen des vorliegenden Beitrags keine detaillierte Auseinandersetzung mit den Deutungsebenen des Begriffs ermöglicht, wagt die Autorin eine ans Thema der Studie angepasste Definition oder Annäherung: Der Begriff ‚Ereignis‘ wird hiermit im literaturhistorischen Kontext als die rasante Veränderung eines mehr oder weniger stabilen Zustandes verstanden, die einen Wandel in der sozialen Struktur initiiert.