Der amerikanische Gastroenterologie-Kongress (DDW) sollte dieses Jahr in Chicago stattfinden.
Auch dieses Event fiel der COVID-19-Pandemie zum Opfer. Erfreulicherweise haben die
Veranstalter alle akzeptierten Beiträge in Form von ePaper und ePoster zur Verfügung
gestellt - insgesamt 5.244 an der Zahl - sodass die wertvolle wissenschaftliche Information
nicht verloren geht. Kongresse kann man verschieben, wissenschaftliche Informationen
jedoch nicht. In einer Serie von Artikeln werden in GASTRO NEWS von Referenten des
DDW-Updates die wichtigsten Beiträge präsentiert.
Ösophagus
Gastroösophageale Refluxkrankheit
Etwa 30 % der Patienten mit der Diagnose gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD)
haben Protonenpumpeninhibitor(PPI)-refraktäres Sodbrennen. Hierunter versteht man
eine anhaltende Symptomatik nach mindestens achtwöchiger Therapie mit einem PPI in
Standarddosis. Davon abzugrenzen ist die PPI-refraktäre GERD, definiert als anhaltende
Symptomatik bei Patienten mit gesicherter GERD und PPI-Therapie in Doppeldosis (1-0-1)
für mindestens zwölf Wochen. Die Rate an Fehl- und Unterversorgung ist bei Patienten
mit PPI-refraktären, typischen Refluxbeschwerden sehr hoch, wie auch eine Studie in
Hausarztpraxen in Deutschland eindrucksvoll gezeigt hat (LOPA I).
Das Management der GERD wird immer komplexer, da die Probleme der Diagnostik und Therapie
zunehmend erkannt und auch kommuniziert werden. Einen aktualisierten Management-Algorithmus
zeigt ▶Abb. 1. Eine zentrale Rolle, insbesondere für Patienten, bei denen PPI nicht
wirken oder nicht vertragen werden, spielen heute Refluxzentren mit unterschiedlichen
Fachdisziplinen mit spezialisierter Diagnostik und Therapie. Diese Zentren müssen
mit Hausärzten, Fachärzten verschiedener Spezialisierungen und den Patienten zusammenarbeiten.
Hierzu bedarf es digitaler Strukturen, die in Deutschland kurz vor der Implementierung
stehen: eine Kollaborationssoftware mit Einbindung einer Patienten-App und dem Potenzial,
über künstliche Intelligenz (KI) die Diagnostik und Therapie sicherer und besser zu
machen.
Das Potenzial der KI wurde auf der DDW in vielen Bereichen beleuchtet, so auch bei
Patienten mit vermuteter oder gesicherter GERD. Extraösophageale Symptome wie Husten,
Globusgefühl und Stimmprobleme werden von vielen Patienten beklagt. Gastroösophagealer
Reflux ist eine, aber sicher nicht die alleinige Ursache für diese Symptome der Symptomkomplexe.
Durch eine Latent-Class-Analyse konnten anhand von Symptomen und Befunden drei pathophysiologische
Untergruppen herausgearbeitet werden (▶Abb. 2), die dann die Basis für rationale Therapiestrategien
darstellen können.
Zur Behandlung der GERD kommen unterschiedliche Therapieprinzipien allein oder in
Kombination zum Einsatz (▶Abb. 3). Von besonderem Interesse wäre bei der Auswahl die
zuverlässige Prädiktion des Erfolgs einer Therapiemaßnahme, vor allem dann, wenn sie
gravierende Komplikationen nach sich ziehen kann. In zwei Arbeiten wurden durch statistische
Analysen Nomogramme entwickelt, in denen man durch allgemein verfügbare demografische
und klinische oder apparative Daten mit hoher Sicherheit vorhersagen konnte, ob eine
PPI-Therapie bei Patienten mit Refluxösophagitis hilft und - noch bedeutsamer - wie
hoch die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Linx-Operation (laparoskopisch implantierter
Magnetring) ist.
Bisher sind nicht alle Therapieprobleme der GERD gelöst, insbesondere ist auch das
Risiko gerade bei interventionellen Therapieformen nicht zu vernachlässigen. Im Bereich
der endoskopischen Therapie wurden endoskopische Resektions- und Ablationsverfahren
der Cardiaschleimhaut thematisiert. Die Wirkung beruht bei nahezu zirkulärer Anwendung
wohl auf einer Stärkung der Antirefluxbarriere durch Narbenbildung. Die kurz- und
mittelfristigen Erfolgsraten liegen etwa bei 65 %, also ähnlich wie bei aktuell noch
im Einsatz befindlicher endoskopischer Verfahren. Eine neue Option ist eine Rekonstruktion
der Antirefluxbarriere durch ein Device, das laparoskopisch in den Fundus implantiert
wird und dadurch den unteren Ösophagussphinkter in korrekter Position hält (RefluxStop).
In einer Schweizer Kohortenstudie mit 50 Patienten fanden sich hinsichtlich Symptomatik
und Säurekontrolle in den ersten zwei Jahren exzellente Ergebnisse. In einer Studie
mit nur vorläufigen Ergebnissen schien das nächtliche Tragen eines speziellen Bandes
für den Hals die Therapie extraösophagealer Symptome im Vergleich zu einer alleinigen
PPI-Therapie zu verbessern.
Eine besondere Herausforderung sind Patienten mit Rezidiven nach ein- oder mehrmaliger
Fundoplikatio. Die dann häufig notwendigen Redo-Operationen haben oftmals keine guten
Ergebnisse. Vor diesem Hintergrund sollte man sich im Einzelfall ins Gedächtnis rufen,
dass ein Magen-Bypass mit Roux-Y-Rekonstruktion eine Methode ist, die besonders bei
adipösen Patienten und solchen mit Dysphagie erfolgversprechend ist. Dies konnte durch
eine aktuelle Metaanalyse bestätigt werden.
Barrett-Ösophagus
Seit vielen Jahren gibt es eine intensive wissenschaftliche Diskussion um die Frage,
ob die Cardiaschleimhaut der erste Schritt in der formalen Pathogenese des Barrett-Ösophagus
ist, oder ob sie zur natürlichen Ausstattung des Menschen gehört. In Einzelfallbeobachtungen
(Obduktion von Säuglingen) fand sich keine Cardiaschleimhaut. Auf der DDW wurde jetzt
eine Untersuchung vorgestellt, in der man sieben Organspender ohne Gastritis und ohne
Ösophagitis untersucht hat. In allen Fällen fand man einen schmalen Saum einer Cardiaschleimhaut.
Das Barrettkarzinom nimmt besonders in westlichen Industrienationen stetig zu. Kalkulationen
aus England und den Niederlanden sprechen dafür, dass bei unverändertem Trend im Jahr
2030 einer von 100 Männern an einem Barrettkarzinom erkranken wird. Da die Entwicklung
des Karzinoms nicht zu verhindern ist, kommt der Früherkennung eine große Bedeutung
zu. Diese wäre auch mit minimalem Risiko und akzeptablen Kosten durchführbar (z. B.
zusätzlich Ösophago-Gastro-Duodenoskopie [ÖGD] im Rahmen der Vorsorgekoloskopie).
Verfügbare Leitlinien sehen ein generelles Screening nicht vor, sondern empfehlen
eine Endoskopie basierend auf mehrerer Risikofaktoren (z. B. GERD und männliches Geschlecht,
Alter über 50 Jahre, positive Familienanamnese, viszerale Adipositas, Rauchen). Aktuelle
Daten sprechen dafür, dass mit diesem Vorgehen die meisten Patienten nicht erfasst
werden, sodass hier Reformen sinnvoll erscheinen. Es bleibt abzuwarten, ob die deutsche
Leitlinie, die momentan überarbeitet wird, hier zu einer anderen Empfehlung kommen
wird.
Schließlich ist auch das ösophageale Mikrobiom in den Fokus der Forschung gelangt.
Aktuell kann man festhalten, dass unterschiedliche Krankheitsentitäten im Rahmen des
GERD-Syndroms auch mit Unterschieden des ösophagealen Mikrobioms einhergehen. So konnte
jetzt gezeigt werden, dass sich das Mikrobiom bei Patienten mit nicht dysplastischem
von demjenigen bei dysplastischem Barrett-Ösophagus unterscheidet.
Eosinophile Ösophagitis
Die eosinophile Ösophagitis (EoE), eine allergisch bedingte Erkrankung der Speiseröhre
mit zunehmender Inzidenz und Prävalenz, ähnelt pathophysiologisch der atopischen Dermatitis.
Die Diagnose wird durch das Zusammentreffen von Symptomen einer ösophagealen Dysfunktion
mit Nachweis einer Eosinophilen-Infiltration in Stufenbiopsien aus dem Ösophagus gestellt,
wobei andere Ursachen einer eosinophilen Inflammation ausgeschlossen werden müssen.
Die Krankheit verläuft chronisch mit zunehmender Entwicklung fibrostenotischer Veränderungen
über die Zeit. Aus diesem Grund kommen der Früherkennung und der konsequenten Dauertherapie
eine große Bedeutung zu. In einer internationalen Studie wurde jetzt ein neues Symptom
dieser Erkrankung identifiziert, ein innerhalb von fünf Minuten nach der Nahrungsaufnahme
auftretendes, offenbar sehr unangenehmes, bis zu zwei Stunden anhaltendes Gefühl hinter
dem Brustbein (Food-induced Immediate Response of the Esohagus, FIRE). 90 % der EoE-Experten
kannten dieses Symptom, über das 40 % der Patienten klagten.
Grundsätzlich stehen bei der EoE die Therapieprinzipien Eliminationsdiät, PPI und
topische Steroide zur Verfügung (▶Abb. 4). Die Eliminationsdiät ist kompliziert, da
mögliche Allergene jeweils probatorisch eliminiert werden müssen mit klinischer und
endoskopisch-histologischer Verlaufskontrolle. Bei konsequenter Umsetzung, die oft
viele Monate in Anspruch nimmt, können bei bis zu 70 % der Patienten das oder die
auslösenden Allergene identifiziert werden. Insgesamt ist eine solche Therapieform
aber nur bei wenigen Patienten tatsächlich dauerhaft umzusetzen.
Die Datenlage für den Effekt einer PPI-Therapie ist qualitativ schlecht. Schätzungsweise
jeder dritter Patient spricht auf eine solche Therapie an (PPI-responsive EoE). Die
Frage des langfristigen Managements mit PPI ist nicht geklärt. Patienten mit endoskopischem
Normalbefund und geringer Eosinophilen-Infiltration (< 50 Eosinophile pro HPF) scheinen
eher von PPI zu profitieren. In einer aktuellen Studie traf dies auch für Patienten
zu, bei denen die eosinophile Infiltration auf den distalen Ösophagus begrenzt war.
Topische Steroide wirken gut und zuverlässig. Innerhalb von zwei Wochen ist die eosinophile
Entzündung abgeklungen, der symptomatische Response kann aber durchaus länger in Anspruch
nehmen und bei bereits vorliegenden fibrostenotischen Veränderungen auch unvollständig
sein oder ausbleiben. Die Therapie mit 2 × 1 mg Budesonid-Schmelztablette ist in Deutschland
seit 2018 zur Akuttherapie zugelassen. Aktuell erfolgte die Zulassung für 2 × 0,5
mg oder 2 × 1 mg für die Langzeittherapie. Auf der DDW wurden jetzt Daten zu einer
Budesonid-Suspension präsentiert, die bei höherer Dosierung (2 × 2 mg) und längerer
Behandlungsdauer schlechtere Remissionsdaten fanden als bei der uns bekannten Schmelztablette.
Lymphozytäre Ösophagitis
Die lymphozytäre Ösophagitis ist eine seltene, aber wichtige Differenzialdiagnose
zur EoE. Das endoskopische Bild ist ähnlich, die betroffenen Patienten sind im Schnitt
älter und häufiger weiblichen Geschlechts. Es fand sich jetzt in einer mehr als 20
Jahre umfassenden, retrospektiven Kohortenstudie eine signifikante Assoziation zu
Autoimmunkrankheiten, zur Achalasie und zur Einnahme von Aspirin und Statinen. Prospektive
und kontrollierte Therapiestudien sind nicht verfügbar. In einer retrospektiven Analyse
erwiesen sich PPI ± Budesonid häufig als wirksam. Ranitidin und Sucralfat waren dagegen
weitgehend wirkungslos.
Achalasie
Die Ätiologie der Achalasie ist bis heute nicht abschließend geklärt. Eosinophile
Leukozyten und Mastzellen enthalten Substanzen, die die Funktion der glatten Muskulatur
beeinflussen und neurotoxisch wirken können. In einer vergleichenden Studie wurden
große Biopsate, die im Rahmen einer Heller-Myotomie gewonnen wurden, mit vergelichbaren
Proben von Organspendern verglichen. Hinsichtlich der Zahl von Eosinophilen und Mastzellen
gab es keinen Unterschied zwischen Patienten mit Achalasie und den Organspendern,
allerdings waren immunhistochemisch die Mastzellen bei den Achalasiepatienten im Gegensatz
zu den Organspendern nahezu komplett degranuliert, mit Verteilung des Inhaltes im
Perimysium und Plexus myentericus. Eine allergische Genese ist daher durchaus denkbar.
Magen
Helicobacter pylori
Eine Helicobacter-pylori(HP)-Gastritis wird nach internationalem Konsens als Infektionskrankheit
betrachtet, unabhängig davon, ob Symptome oder Komplikationen vorliegen. Dementsprechend
stellt sich heute auch nicht mehr die Frage, wer mit nachgewiesener HP-Infektion behandelt
werden sollte, sondern bei wem eine Diagnostik allgemein empfohlen wird.
Ein wesentlicher Grund für die Empfehlung einer HP-Eradikation bei allen Infizierten
ist die Annahme, dass eine Eradikation das Magenkarzinomrisiko reduziert. Hierzu gibt
es eine Fülle von Daten aus Hochprävalenzländern, zumeist aus dem asiatischen Raum,
die nicht zwanglos auf Länder der westlichen Welt übertragen werden konnten. Nach
einer bereits publizierten schwedischen Populationsstudie konnten jetzt auch nordamerikanische
Versicherungsdaten zeigen, dass eine Eradikation der Infektion das Magenkarzinomrisiko
senkt. Es bleibt aber ein erhöhtes Restrisiko. Von großem Interesse ist daher die
Frage, bei welchen Patienten Überwachungsendoskopien durchgeführt werden sollten.
Hier kommt wieder die KI ins Spiel. Unter Einsatz des maschinellen Lernens wurde aus
36 Patientenroutinedaten ein Modell entwickelt, dass mit nahezu 80 % Sensitivität
und Spezifität die weitere Entwicklung vorhersagt. Insbesondere ein sehr hoher negativer
prädiktiver Wert wird es erlauben, Patienten zu identifizieren, für die eine Überwachung
entbehrlich ist.
Nationale und internationale Leitlinien empfehlen heute primär eine Vierfachtherapie
der HP-Infektion. Der bisherige Standard, eine Tripel-Therapie bestehend aus PPI,
Clarithromycin, Amoxicillin oder Metronidazol, sollte allenfalls nur noch dann erwogen
werden, wenn keine Risikofaktoren für eine Clarithromycin-Resistenz vorliegen oder
die Sensibilität des Keims nachgewiesen wurde. Es empfiehlt sich in diesen Ausnahmefällen,
die Tripel-Therapie über 14 Tage durchzuführen. Die momentan wirksamste Therapie ist
die Bismut-Quadrupel-Therapie (Kombination aus Bismut, Metronidazol, Tetrazyklin und
einem PPI (2 × 20 mg Omeprazol in der Zulassungsstudie). Seit vielen Jahren gibt es
widersprüchliche Daten zur Frage, ob die zusätzliche Gabe eines Probiotikums zur Eradikationstherapie
die Eradikationsrate erhöht und die Nebenwirkungsrate senkt. In einer großen, randomisierten,
vierarmigen Studie wurde ein Probiotikum parallel zu einer 14-tägigen Bismut-Quadrupel-Therapie,
als Vorbehandlung, als Nachbehandlung oder gar nicht gegeben. Die Eradikationsraten
waren in den vier Therapiegruppen vergleichbar, ebenso die Nebenwirkungsraten. Das
schließt die Sinnhaftigkeit einer solchen Therapie noch nicht definitiv aus, da stammspezifische
Effekte durchaus möglich sind und auch die Therapiephase modifiziert werden kann.
Es bestätigt aber eindrucksvoll, dass eine unkritische Probiotikatherapie ohne Daten
aus adäquaten klinischen Studien nicht durchgeführt werden sollte.
Eine weitere Frage ist bisher nicht geklärt: Ist eine HP-Eradikation eine lebenslange
Strategie oder muss immer wieder getestet und wiederholt behandelt werden? 693 Patienten
aus Italien, die zwischen 1992 und 1994 erfolgreich behandelt wurden, wurden vor der
Therapie und nach einem Jahr mittels ÖGD plus Histologie, 13C-Harnstoff-Atemtest und
Serologie untersucht. Im Follow-up über 25 Jahre erhielten sie alle zwei Jahre eine
Serologie, alle fünf Jahre einen Atemtest und mindestens zweimal eine Endoskopie.
Die Reinfektionsrate betrug nach 25 Jahren insgesamt knapp 11 %, die jährliche Rate
lag somit bei < 0,5 %. Damit ist es für die weit überwiegende Zahl der Patienten eine
lebenslange Strategie. Entgegen früherer Untersuchungsergebnisse traten Reinfektionen
über den gesamten Zeitraum auf (▶Abb. 5). Das heißt für die Praxis, dass Reinfektionen
in einzelnen Fällen auch noch nach vielen Jahren möglich sind.
Eosinophile Gastritis und Gastroenteritis
Die eosinophile Gastritis und Gastroenteritis sind seltene Erkrankungen vermeintlich
allergischen Ursprungs. Sie sind definiert über den histologischen Nachweis von ≥
30 eosinophilen Granulozyten pro HPF, wobei die Diagnose im klinischen Alltag durchaus
schwierig sein kann und mitunter ein schweres Krankheitsbild vorliegt. Bei bekannter
Diagnose wird oft mit Steroiden therapiert. In einer internationalen Studie wurden
Patienten jetzt mit einer Elementardiät behandelt. Hierunter normalisierte sich die
Histologie, auch verbesserten sich die Symptome und die endoskopischen Läsionen. Somit
ist die Verordnung einer Elementardiät durchaus eine empfehlenswerte Strategie, insbesondere
für das Selbstmanagement der Patienten bei unbekanntem Auslöser. Darüber hinaus macht
diese Arbeit eine Nahrungsmittelallergie als Ursache wahrscheinlich.
Gastrointestinale Blutungen
Direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) werden mit zunehmender Häufigkeit nach thromboembolischen
Ereignissen oder zu deren Prophylaxe eingesetzt. In globalen Analysen zeigte sich
dabei eine reduzierte Häufigkeit von Hirnblutungen, aber eine erhöhte Inzidenz von
gastrointestinalen (GI) Majorblutungen im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten. In
einer umfangreichen Netzwerk-Metaanalyse kristallisierte sich jetzt heraus, dass diese
Substanzen mit Ausnahme von Apixaban ein im Vergleich zu Warfarin erhöhtes GI-Blutungsrisiko
aufweisen. Dabigatran und Rivaroxaban haben ein höheres Blutungsrisiko als Apixaban.
Das Blutungsrisiko dieser beiden Substanzen ist in der jeweils niedrigeren Dosis mit
dem von Warfarin vergleichbar. Auf der Basis dieser Daten sollten Patienten mit stattgehabter
GI-Blutung oder erhöhtem Blutungsrisiko bevorzugt mit Apixaban antikoaguliert werden.
Wann immer möglich, empfiehlt sich auch die niedrigere Dosis eines DOAK.
PPI werden hochdosiert bei Ulkusblutungen eingesetzt. Der Stellenwert anderer Substanzen
ist weitgehend unklar. Somatostatin oder Somatostatin-Analoga reduzieren die GI-Durchblutung
sowie die Sekretion von Pepsin und Gastrin. In einer Metaanalyse verfügbarer Studien
waren diese Substanzen den H2-Rezeptorantagonisten überlegen und den PPI ebenbürtig.
In Kombination mit PPI konnte die Hämostaserate um etwa 20 % gesteigert werden. Ein
Effekt auf die Mortalität ließ sich, ebenso wie bei PPI, nicht nachweisen. Der Fibrinolyse-Hemmer
Tranexamsäure war in einer Metaanalyse hinsichtlich der Mortalität wirksamer als Placebo.
Zudem zeigte sich ein nicht signifikanter Trend hinsichtlich der Rezidivblutungen
und der Operationsnotwendigkeit. Der Bedarf an Bluttransfusionen wurde nicht beeinflusst.
Die Rate thromboembolischer Prozesse war nicht erhöht.
Nebenwirkungen von PPI
Zahllose Studien berichten immer wieder über vermeintliche Nebenwirkungen von PPI,
die zu einer großen Verunsicherung von Patienten und Ärzten führen. Das Studiendesign
lässt im Regelfall aber keinen Rückschluss auf eine Kausalität der Assoziation zu.
In kontrollierten Studien ließen sich bisher keine relevanten Nebenwirkungen nachweisen,
auch bei Beobachtungsphasen von mehr als zehn Jahren. Unter den Arbeiten der DDW fand
sich jetzt eine aktuelle Metaanalyse zur Frage, ob PPI das Risiko einer demenziellen
Entwicklung erhöhen. Die Antwort ist und bleibt NEIN! Eine nachvollziehbare Nebenwirkung,
die sich aus der GI-Milieuänderung erklären kann, ist die Entwicklung einer bakteriellen
Fehlbesiedlung des Dünndarms (small intestinal bacterial overgrowth, SIBO). In einer
prospektiven Studie mit 30 gesunden Probanden konnte in drei Fällen (10 %) nach einer
Woche PPI-Therapie (40 mg Pantoprazol) eine symptomatische bakterielle Fehlbesiedlung
induziert und nachgewiesen werden (H2-Atemtest mit Glukose).
Gastroparese
Die idiopathische und die diabetische Gastroparese sind viel häufiger als vermutet.
Neue medikamentöse und interventionelle Therapieoptionen wie Ghrelin-Agonisten, perorale
endoskopische Myotomie (POEM) im Bereich des Pylorus und Magenschrittmachersysteme
bedingen, dass häufiger nach einer Gastroparese gefahndet wird. Standardverfahren
ist die Magenentleerungsmessung (Szintigrafie, 13C-Oktansäure-Atemtest).
Gesucht wird bei dieser schwierig zu behandelnden Erkrankung immer noch nach wirksamen
medikamentösen Therapieoptionen. Klassische Prokinetika sind in Deutschland für diese
Indikation nicht oder nur zeitlich begrenzt verfügbar (MCP, Domperidon), zudem gibt
es Bedenken wegen der Sicherheit (zentralnervöse Nebenwirkungen, QT-Verlängerung)
und der abklingenden Wirkung bei längerfristiger Therapie (Tachyphylaxie). Erythromycin
wirkt überwiegend bei parenteraler Anwendung, auch hier klingt die Wirkung im Verlauf
ab. Für Azithromycin gibt es nur limitierte Daten zur kurzfristigen Wirksamkeit. Prucaloprid
erwies sich in einer placebokontrollierten Studie als wirksam. Die Substanz ist allerdings
nur für die Behandlung der Obstipation zugelassen, sodass ein Einsatz einem Off-Label-Use
entspricht. Ghrelin-Agonisten (z. B. Relamorelin) sind wirksam, aktuell aber noch
nicht verfügbar.
In einer placebokontrollierten Phase-II-Studie wurde jetzt Tradipitant, ein neuer
oraler Neurokinin-1-Rezeptoragonist, untersucht. Ein symptomatischer Response wurde
damit bei 46,6 % der Patienten erzielt (23,3 % unter Placebo, p < 0,01). Eine Substanz
mit dem gleichen Wirkmechanismus ist zur Behandlung des zytostatikainduzierten Erbrechens
im Handel (Aprepitant).
In einer Beobachtungsstudie bis zu neun Jahren war Domperidon langfristig wirksam
und sicher. PPI verschlechtern dagegen die Symptomatik einer Gastroparese. Der Magenschrittmacher
ist in Verbindung mit einer Pyloroplastik langfristig bei etwa zwei Drittel der Patienten
wirksam.
Funktionelle Dyspepsie
Die funktionelle Dyspepsie (Reizmagen) ist ein häufiges Krankheitsbild mit nicht abschließend
geklärter Pathogenese. PPI werden, besonders bei dominierendem epigastrischem Schmerzsyndrom,
als Erstlinientherapie empfohlen, obwohl die Säure per se keine sichere Rolle in der
Pathogenese dieser Erkrankung spielt. In den letzten Jahren mehrten sich die Beobachtungen,
dass Störungen der Permeabilität und auch eine Vermehrung von Entzündungszellen in
der duodenalen Mukosa pathogenetische Relevanz besitzen könnten. In einer sehr eleganten,
kontrollierten Studie wurde jetzt gezeigt, dass PPI unabhängig von ihrem Effekt auf
den pH-Wert die erhöhte duodenale Permeabilität und die Eosinophileninfiltration reduzieren.
Dies war assoziiert mit einer Symptombesserung. Der Mechanismus dieses Effekts ist
noch unklar.
Literatur beim Verfasser
Quelle: Digestive Disease Week (DDW), Mai 2020, USA
DDW-update Digital
Die Referenten des traditionellen DDW-Updates, organisiert und durchgeführt von K&L,
sichten die Beiträge der Digestive Disease Week und fassen die wichtigsten praxisrelevanten
Neuerungen kompakt zusammen. Die ausgewählten Beiträge wurden dann erstmals in einer
digitalen Veranstaltung (DDW Update Digital20) am 17. Juni 2020 präsentiert.
Weitere Informationen unter www.ddw-update.de
Prof. Dr. med. Joachim Labenz
Diakonie Klinikum, Jung-Stilling-Krankenhaus
Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Marburg
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