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      Das Versagen der Immunantwort

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      Janeway Immunologie

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          Abstract

          Im normalen Verlauf einer Infektion löst der Krankheitserreger zuerst eine Antwort des angeborenen Immunsystems aus. Die fremden Antigene des Krankheitserregers, deren Signale durch die angeborene Immunantwort verstärkt werden, lösen dann eine adaptive Immunantwort aus, die letztendlich die Infektion beseitigt und einen Zustand schützender Immunität herbeiführt. Das geschieht allerdings nicht immer. In diesem Kapitel werden wir feststellen, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, wie die Immunantwort gegen Pathogene fehlschlagen kann: aufgrund von Immundefekten bei einem anormalen Wirtsorganismus, wie es bei einer Immunschwäche vorkommt, oder durch Verhinderung oder Unterwandern der normalen Immunreaktion durch die Krankheitserreger bei einem gesunden Wirt. Zum Schluss wollen wir uns mit der besonderen Situation beschäftigen, dass die Immunabwehr eines genetisch normalen Wirtsorganismus durch einen Krankheitserreger so beeinträchtigt wird, dass es zu einer allgemeinen Anfälligkeit für Infektionen kommt, wie es beim erworbenen Immunschwächesyndrom (acquired immune deficiency syndrome, AIDS) der Fall ist, das von dem humanen Immunschwächevirus (human immunodeficiency virus, HIV) hervorgerufen wird. Im ersten Teil des Kapitels beschäftigen wir uns mit den primären oder vererbbaren Immunschwächekrankheiten , bei denen die Immunabwehr aufgrund eines erblichen Gendefekts versagt, was zu einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen mit bestimmten Gruppen von Pathogenen führt. Man kennt Immunschwächekrankheiten, die durch Defekte in der Entwicklung der T- und B-Lymphocyten, in der Phagocytenfunktion oder bei Bestandteilen des Komplementsystems hervorgerufen werden. Im zweiten Teil des Kapitels wollen wir uns kurz mit Mechanismen befassen, durch die Krankheitserreger spezifischen Komponenten der Immunantwort ausweichen oder diese unterwandern, um so der Vernichtung zu entgehen – der sogenannten Immunevasion . Im letzten Teil des Kapitels beschäftigen wir uns damit, wie die dauerhafte Infektion mit HIV zum Krankheitsbild von AIDS führt, also zu sekundären oder erworbenen Immunschwächekrankheiten . Die Untersuchung der Bedingungen und Mechanismen, durch die das Immunsystem versagen kann, hat bereits wichtige Informationen zu unserem Verständnis der Immunabwehr beigetragen und sollte auch auf längere Sicht bei der Entwicklung neuer Methoden hilfreich sein, Infektionskrankheiten einschließlich AIDS einzudämmen und ihnen vorzubeugen. Immunschwächekrankheiten Zu einer Immunschwächekrankheit kommt es, wenn eine oder mehrere Komponenten des Immunsystems defekt sind. Man unterscheidet primäre (vererbbare oder angeborene) und sekundäre (erworbene) Immunschwächen. Primäre Immunschwächen werden durch vererbte Mutationen in einem der zahlreichen Gene verursacht, die bei den Immunantworten mitwirken oder sie kontrollieren. Bis heute wurden gut 150 primäre Immunschwächen beschrieben, die die Entwicklung oder die Funktion der Immunzellen oder beide Bereiche beeinträchtigen. Die klinischen Symptome dieser Erkrankungen sind daher ausgesprochen unterschiedlich. Ein gemeinsames Merkmal ist jedoch, dass es bei Kleinkindern zu wiederholten und häufig sehr schwer verlaufenden Infektionen kommt. Sekundäre Immunschwächen werden hingegen als Folge anderer Krankheiten erworben, sie entstehen sekundär als Folge von äußeren Faktoren wie Hunger oder sind eine Nebenwirkung eines medizinischen Eingriffs. Einige Formen der Immunschwächen betreffen vor allem die immunregulatorischen Mechanismen. Defekte dieser Art können zu Allergien, anormaler Proliferation von Lymphocyten, Autoimmunität und bestimmten Krebsformen führen. Diese werden in anderen Kapiteln besprochen. Hier wollen wir uns vor allem auf die Immunschwächen konzentrieren, die eine Anfälligkeit für Infektionen hervorrufen. Die primären Immunschwächekrankheiten lassen sich anhand der beteiligten Komponenten des Immunsystems unterscheiden. Da jedoch viele Bestandteile der Immunabwehr ineinandergreifen, kann ein Defekt in einer Komponente auch die Funktion an anderen Stellen beeinträchtigen. Deshalb können Primärdefekte der angeborenen Immunität zu Defekten der adaptiven Immunität führen, und umgekehrt. Dennoch ist es sinnvoll, Immundefekte im Zusammenhang mit den betroffenen Hauptkomponenten des Immunsystems zu betrachten, da diese bestimmte Muster von Infektionen und klinischen Symptomen hervorrufen. Wenn man untersucht, welche Infektionskrankheiten mit einer bestimmten Immunschwäche einhergehen, lässt sich erkennen, welche Komponenten des Immunsystems für die Reaktion auf bestimmte Erreger von Bedeutung sind. Die erblichen Immunschwächen machen auch deutlich, wie die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Immunzelltypen zur Immunantwort und zur Entwicklung der B- und T-Zellen beitragen. Schließlich können uns diese erblichen Krankheiten zu dem defekten Gen führen und so vielleicht neue Informationen über die molekularen Grundlagen der Immunreaktionen erbringen sowie die notwendigen Kenntnisse für die Diagnose, eine gute genetische Beratung und möglicherweise eine Gentherapie liefern. Eine Krankengeschichte mit wiederholten Infektionen legt eine Immunschwäche als Diagnose nahe Patienten mit einer Immunschwäche erkennt man im Allgemeinen aufgrund ihrer klinischen Geschichte, die wiederholte Infektionen mit den gleichen oder ähnlichen Pathogenen aufweist. Die Art der Infektionen zeigt an, welcher Teil des Immunsystems geschädigt ist. Die wiederholte Infektion mit pyogenen (eiterbildenden) Bakterien lässt den Schluss zu, dass die Funktion der Antikörper, des Komplementsystems oder der Phagocyten gestört ist, da diese Teile des Immunsystems bei der Abwehr solcher Infektionen von Bedeutung sind. Andererseits deuten eine dauerhafte Pilzinfektion der Haut, etwa mit Candida, oder wiederkehrende Virusinfektionen darauf hin, dass ein Immundefekt unter Beteiligung der T-Lymphocyten vorliegt. Primäre Immunschwächekrankheiten beruhen auf rezessiven Gendefekten Bevor Antibiotika zur Verfügung standen, starben die meisten Patienten mit einem ererbten Defekt der Immunabwehr bereits im Säuglingsalter oder während der frühen Kindheit, da sie für Infektionen durch bestimmte Krankheitserreger besonders anfällig waren. Diese Erbkrankheiten waren nicht leicht zu identifizieren, da auch viele nicht davon betroffene Kinder an den Folgen von Infektionskrankheiten starben. Die meisten Gendefekte, die sekundäre (vererbbare) Immunschwächenkrankheiten verursachen, werden rezessiv vererbt und viele lassen sich auf Mutationen in den Genen des X-Chromosoms zurückführen. Rezessiv vererbte Defekte führen nur dann zur Erkrankung, wenn beide Chromosomen das fehlerhafte Gen tragen. Da Männer nur ein X-Chromosom besitzen, bilden alle Männer, die eine X-gekoppelte Erkrankung erben, die Krankheit auch aus. Frauen hingegen bleiben aufgrund ihres zweiten, unveränderten X-Chromosoms normalerweise gesund. Bei Mäusen ließen sich mithilfe von Knockout-Verfahren (Anhang I, Abschn. A.35) verschiedene Arten der Immunschwäche erzeugen, die unser Wissen darüber, wie einzelne Proteine zur normalen Funktion des Immunsystems beitragen, rasch erweitert haben. Trotzdem bieten humane Immunschwächekrankheiten immer noch die beste Möglichkeit, Einblicke in die normalen Reaktionswege der Immunabwehr von Infektionskrankheiten zu gewinnen. So erhöhen zum Beispiel Defekte in der Funktion der Antikörper, des Komplementsystems oder der Phagocyten das Risiko, von bestimmten eiterbildenden Bakterien infiziert zu werden. Das bedeutet, dass Reaktionen des Wirtes bei der Abwehr solcher Bakterien normalerweise in folgender Reihenfolge ablaufen: Nach der Bindung der Antikörper erfolgt die Fixierung von Komplementkomponenten, welche die Aufnahme und das Abtöten der opsonisierten Bakterien durch die Phagocyten ermöglicht. Fehlt ein Glied in dieser Kette, die zum Abtöten der Bakterien führt, kommt es immer zu einem ähnlichen Immunschwächezustand. Durch die Immunschwächen erfahren wir auch etwas über die Redundanz der Mechanismen, mit denen der Wirt Infektionskrankheiten bekämpft. Der erste Mensch (zufällig ein Immunologe), bei dem man einen erblichen Defekt im Komplementsystem (einen C2-Mangel ) entdeckte, war gesund. Das bedeutet, dass dem Immunsystem vielfältige Maßnahmen zum Schutz gegen Infektionen zur Verfügung stehen, sodass ein Defekt in einem Bestandteil der Immunität durch andere Komponenten ausgeglichen werden kann. Es gibt zwar zahlreiche Befunde, dass ein Komplementdefekt die Anfälligkeit für pyogene Infektionen erhöht, aber nicht jeder Mensch mit einer Komplementschwäche leidet an wiederkehrenden Infektionen. In Abb. 13.1 sind Beispiele für Immunschwächekrankheiten aufgeführt. Keine davon ist besonders verbreitet (ein bestimmter IgA-Mangel kommt noch am häufigsten vor) und einige sind sogar außerordentlich selten. Diese Krankheiten werden in den folgenden Abschnitten beschrieben und wir haben sie danach zusammengefasst, ob der zugrundeliegende Defekt im adaptiven oder im angeborenen Immunsystem liegt. Defekte in der T-Zell-Entwicklung können zu schweren kombinierten Immundefekten führen Die Entwicklungswege der zirkulierenden naiven T- und B-Zellen sind in Abb. 13.2 zusammengefasst. Patienten mit einem Defekt in der T-Zell-Entwicklung sind anfällig für ein breites Spektrum von Krankheitserregern. Das verdeutlicht, dass die Differenzierung und Reifung der T-Zellen bei der adaptiven Immunität für praktisch alle Antigene eine zentrale Rolle spielt. Da solche Patienten weder T-Zell-abhängige Antikörperreaktionen noch zelluläre Immunantworten zeigen und deshalb auch kein immunologisches Gedächtnis entwickeln können, leiden sie am schweren kombinierten Immundefekt (SCID ) . Der X-gekoppelte schwere kombinierte Immundefekt (X-SCID ) ist die häufigste Form des SCID. Ursachen sind Mutationen im IL2RG-Gen auf dem menschlichen X-Chromosom, das die γ-Kette (γ c) des Interleukin-2-Rezeptors (IL-2R) codiert. γ c ist Bestandteil aller Rezeptoren für die Cytokine der IL-2-Familie (IL-2, IL-4, IL-7, IL-9, IL-15 und IL-21). Patienten mit X-SCID zeigen daher Defekte bei der Signalgebung aller Cytokine der IL-2-Familie, sodass sich aufgrund des Mangels an IL-7- und IL-15-Signalen die T- und NK-Zellen nicht normal entwickeln können (Abb. 13.2). Die Anzahl der B-Zellen ist hingegen normal, aber aufgrund der fehlenden Unterstützung durch die T-Zellen trifft das nicht auf die Funktion der B-Zellen zu. Die meisten X-SCID-Patienten sind männlich. Bei Frauen, die die Mutation tragen, entwickeln sich die Vorläufer der T- und NK-Zellen normal, die bei der Inaktivierung des X-Chromosoms das IL2RG-Wildtypallel behalten haben, und bringen ein normal ausgereiftes Immunrepertoire hervor. X-SCID bezeichnet man auch als bubble boy disease – nach einem Jungen, der mit dieser Krankheit über zehn Jahre lang in einer Schutzhülle (bubble) lebte, bevor er aufgrund von Komplikationen bei einer Knochenmarktransplantation starb. Ein klinisch und immunologisch nicht unterscheidbarer Typ des SCID ist auf eine inaktivierende Mutation der Tyrosinkinase Jak3 (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_8#Sec2) zurückzuführen, die physikalisch an γ c bindet und Signale über γ c-Ketten-Cytokinrezeptoren überträgt. Diese autosomal rezessive Mutation beeinträchtigt ebenfalls die Entwicklung der T- und NK-Zellen, aber die Entwicklung der B-Zellen bleibt davon unbeeinflusst. Durch andere Immunschwächen bei Mäusen war es möglich, die Funktionen der einzelnen Cytokine und ihrer Rezeptoren bei der Entwicklung von T- und NK-Zellen genauer zu untersuchen. So hat man beispielsweise bei Mäusen durch gezielte Mutationen im β c-Gen (IL2RB) die zentrale Funktion von IL-15 als Wachstumsfaktor für die Entwicklung der NK-Zellen ermittelt, außerdem dessen Bedeutung für die Reifung und Wanderung der T-Zellen. Mäuse mit gezielten Mutationen in IL-15 selbst oder in der α-Kette des zugehörigen Rezeptors besitzen ebenfalls keine NK-Zellen und zeigen zwar eine relativ normale Entwicklung der T-Zellen, aber einen spezifischeren T-Zell-Defekt, bei dem nur der Erhalt der CD8-T-Zellen beeinträchtigt ist. Menschen mit einem Defekt der α-Kette des IL-7-Rezeptors besitzen keine T-Zellen, aber normale Mengen an NK-Zellen. Das verdeutlicht, dass die Signale von IL-7 für die Entwicklung der T-Zellen essenziell sind, nicht jedoch für die Entwicklung der NK-Zellen (Abb. 13.2). Interessant ist dabei, dass Mäuse mit einem künstlich herbeigeführten Defekt im Gen für IL-7R wie Menschen einen T-Zell-Defekt aufweisen, aber auch keine B-Zellen besitzen, was bei Menschen jedoch nicht der Fall ist. Hier zeigt sich die bei den einzelnen Spezies unterschiedliche Funktion bestimmter Cytokine. Außerdem ist dies ein Hinweis darauf, dass man bei der Interpretation von Versuchsergebnissen bei Mäusen und deren Bedeutung für den Menschen vorsichtig sein muss. Bei Menschen und Mäusen, deren T-Zellen nach der Stimulation des Rezeptors kein IL-2 produzieren, erfolgt die Entwicklung der T-Zellen größtenteils normal, wobei die Entwicklung der FoxP3+-Treg-Zellen gestört ist. Dadurch kann es zu immunregulatorischen Anomalien und zu Autoimmunität kommen (Kap. 10.1007/978-3-662-56004-4_15). Die eher begrenzten Auswirkungen der einzelnen Defekte der Cytokinsignale stehen in einem gewissen Kontrast zu den weitreichenden Folgen der Entwicklung der T- und NK-Zellen bei X-SCID-Patienten. Wie bei allen schweren T-Zell-Schwächen erzeugen auch Patienten mit X-SCID auf die meisten Antigene keine wirksamen Antikörperantworten, wobei ihre B-Zellen anscheinend normal sind. Bei den meisten (aber nicht bei allen) naiven IgM-positiven B-Zellen von weiblichen X-SCID-Trägern ist das defekte und nicht das normale X-Chromosom inaktiviert (Abschn. 13.1.3). Das zeigt, dass die Entwicklung der B-Zellen zwar von der γ c-Kette beeinflusst wird, aber nicht vollständig von ihr abhängt. Bei reifen B-Gedächtniszellen, die einen Isotypwechsel durchlaufen haben, ist das defekte X-Chromosom fast ohne Ausnahme inaktiviert. Das könnte darauf hinweisen, dass die γ c-Kette auch Teil des Rezeptors für IL-21 ist. Dieser ist notwendig für die weitere Reifung von B-Zellen nach einem Isotypwechsel (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_10#Sec5). SCID kann auch durch Defekte im Purin-Salvage-Weg hervorgerufen werden Zu den Varianten des autosomal-rezessiven SCID , die durch Defekte in Enzymen des Salvage-Weges der Purinsynthese hervorgerufen werden, gehören der Adenosin-Desaminase-Mangel (ADA-Mangel , Abb. 13.2) und der Purinnucleotidphosphorylase-Mangel (PNP-Mangel ). Die Adenosin-Desaminase katalysiert die Umwandlung von Adenosin und Desoxyadenosin zu Inosin beziehungsweise Desoxyinosin. Dieser Defekt führt zur Anhäufung von Desoxyadenosin und seiner Vorstufe S-Adenosylhomocystein, die beide für T- und B-Zellen in der Entwicklungsphase toxisch sind. Die Purinnucleotidphosphorylase katalysiert die Umwandlung von Inosin und Guanosin zu Hypoxanthin beziehungsweise Guanin. Ein PNP-Mangel ist eine seltenere Form des SCID-Syndroms . Er verursacht auch die Anhäufung von toxischen Vorstufen, wirkt sich aber auf die Entwicklung der T-Zellen gravierender aus als auf B-Zellen. Bei beiden Krankheiten entwickelt sich nach der Geburt eine progressive Lymphopenie , bei der die Anzahl der Lymphocyten stark zurückgeht, sodass diese Symptomatik bereits in den ersten Lebensjahren stark ausgeprägt ist. Da beide Enzyme sogenannte „Haushaltsproteine“ sind, die von vielen Zelltypen exprimiert werden, ist die Immunschwäche, die jeweils mit einem dieser Defekte einhergeht, Teil eines umfangreicheren klinischen Syndroms. Störungen bei der Umlagerung der Antigenrezeptorgene führen zum SCID Eine weitere Gruppe von autosomal vererbten Defekten, die das SCID -Syndrom hervorrufen, wird durch ein Versagen der DNA-Umlagerung in sich entwickelnden Lymphocyten verursacht. So führen Mutationen im RAG-1- oder RAG-2-Gen zu funktionslosen Proteinen, sodass die Lymphocytenentwicklung der B- und T-Zellen im Übergang von der Pro- zur Prä-Zelle anhält, da die V(D)J-Rekombination nicht korrekt durchgeführt wird (Abb. 13.2). So kommt es bei betroffenen Patienten zu einem vollständigen Fehlen der T- und der B-Zellen. Da sich die Auswirkungen der RAG-Mutationen auf die Lymphocyten beschränken, die in eine Umlagerung der Antigenrezeptorgene eintreten, ist die Entwicklung der NK-Zellen nicht beeinträchtigt. Auch gibt es Kinder mit hypomorphen Mutationen (die zu einer Verringerung, aber nicht zum Fehlen einer Funktion führen) im RAG-1- oder im RAG-2-Gen, die dennoch eine geringe Menge an funktionsfähigem RAG-Protein erzeugen können und so geringfügige V(D)J-Rekombinationen zeigen. Zu dieser zuletzt genannten Gruppe gehören Patienten mit einer sehr speziellen und schweren Erkrankung, die man als Omenn-Syndrom bezeichnet. Neben einer erhöhten Anfälligkeit für mehrfache opportunistische Infektionen zeigen diese Patienten auch klinische Merkmale, die einer Graft-versus-Host-Krankheit sehr ähnlich sind (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_15#Sec40) und von vorübergehenden Hautausschlägen, Eosinophilie, Diarrhö und einer Vergrößerung der Lymphknoten begleitet ist. Man findet bei diesen Kindern normale oder erhöhte Zahlen von aktivierten T-Zellen. Eine Erklärung für diesen Phänotyp besteht darin, dass eine geringe RAG-Aktivität eine begrenzte Rekombination der T-Zell-Rezeptor-Gene ermöglicht. Es kommen jedoch keine B-Zellen vor, was darauf hindeutet, dass B-Zellen eine zielführendere RAG-Aktivität benötigen. Aufgrund der begrenzten Anzahl an T-Zell-Rezeptoren, deren Gene erfolgreich umgelagert wurden, ist das Repertoire der T-Zellen bei Patienten mit Omenn-Syndrom stark eingeschränkt und es kommt zu einer klonalen Expansion der vorhandenen begrenzten Spezifitäten. Die klinischen Merkmale deuten stark darauf hin, dass diese peripheren T-Zellen autoreaktiv sind und den Phänotyp der Gewebeabstoßung (Graft-versus-Host-Krankheit) hervorrufen. Neben dem Omenn-Syndrom, das sich schon in einer frühen Lebensphase manifestiert, hängen auch andere Formen von Immunschwächen mit einer verringerten, jedoch nicht vollständig fehlenden RAG-Aktivität zusammen. Sie gehen häufig mit einer Granulomatose einher und treten erst in der späten Kindheit oder während der Adoleszenz in Erscheinung. Eine weitere Gruppe von Patienten mit einem autosomal rezessiven SCID ist gegenüber ionisierender Strahlung besonders empfindlich. Die Betroffenen bringen nur sehr wenige reife B- und T-Zellen hervor, da die DNA-Umlagerung in den sich entwickelnden Lymphocyten fehlerhaft ist. Es kommt nur selten zu VJ- oder VDJ-Verknüpfungen und die meisten davon sind anormal. Diese Art von SCID ist auf Defekte in den ubiquitären DNA-Reparaturproteinen zurückzuführen, die an der Reparatur von Doppelstrangbrüchen beteiligt sind. Diese treten nicht nur bei der Umlagerung der Antigenrezeptorgenen auf (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_5#Sec6), sondern auch bei ionisierender Strahlung. Aufgrund der erhöhten Strahlungsempfindlichkeit der Patienten bezeichnet man die Erkrankung als RS-SCID (radiation-sensitive SCID) , um sie vom SCID-Syndrom aufgrund von lymphocytenspezifischen Defekten zu unterscheiden. Defekte in den Genen von Artemis, DNA-PKcs (DNA protein-kinase catalytic subunit) und der DNA-Ligase IV führen zum RS-SCID (Abb. 13.2). Da Defekte bei der Reparatur von DNA-Brüchen während der Zellteilung das Risiko für Translokationen erhöhen, die zu malignen Transformationen führen können, stehen Patienten mit den verschiedenen RS-SCID-Formen unter einem erhöhten Krebsrisiko. Defekte bei der Signalgebung durch Antigenrezeptoren können zu einer schweren Immunschwäche führen Man kennt einige Gendefekte, die die Signalgebung durch T-Zell-Rezeptoren (TCRs) stören und damit die Aktivierung der T-Zellen in einer frühen Phase der Thymusentwicklung blockieren. So zeigen Patienten mit Mutationen in den CD3δ-, CD3ε- oder CD3ζ-Ketten des CD3-Komplexes einen Defekt der Prä-T-Zell-Rezeptor-Signalgebung und die Thymusentwicklung kann nicht in das doppelt positive Stadium eintreten (Abb. 13.2). Dadurch kommt es zum SCID . Ein anderer Defekt der Signalgebung von Lymphocyten, der zu einer schweren Immunschwäche führt, wird durch Mutationen in der Tyrosinphosphatase CD45 hervorgerufen. Bei Menschen und Mäusen mit einem CD45-Defekt ist die Anzahl der peripheren T-Zellen stark verringert und die Reifung der B-Zellen verläuft anormal. Bei Patienten, die eine defekte Form der cytosolischen Tyrosinkinase ZAP-70 exprimieren, die normalerweise Signale des T-Zell-Rezeptors überträgt (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_7#Sec10), tritt ebenfalls eine schwere Immunschwäche auf. Die CD4-T-Zellen gehen in normaler Anzahl aus dem Thymus hervor, während CD8-T-Zellen fehlen. Jedoch können die heranreifenden CD4-T-Zellen nicht auf Signale reagieren, durch die die Zellen normalerweise über den T-Zell-Rezeptor aktiviert werden. Das Wiskott-Aldrich-Syndrom (WAS) wird von einem Defekt im WAS-Gen auf dem X-Chromosom hervorgerufen, das das WAS-Protein (WASp) codiert. Durch das Syndrom konnte man neue Einsichten in die molekularen Grundlagen der Signalübertragung bei T-Zellen und der Bildung von immunologischen Synapsen zwischen verschiedenen Zellen des Immunsystems gewinnen. Die Krankheit betrifft auch die Blutplättchen und wurde zuerst als Störung der Blutgerinnung beschrieben. Sie verursacht aber auch eine Immunschwäche, die mit einer verringerten Anzahl der T-Zellen, einer Störung der Cytotoxizität von NK-Zellen sowie einem Versagen der Antikörperantwort einhergeht (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_7#Sec22). WASp wird von allen hämatopoetischen Zelllinien exprimiert und ist der entscheidende Regulator in der Entwicklung der Lymphocyten und Blutplättchen. Das Protein überträgt rezeptorvermittelte Signale und bewirkt so eine Umstrukturierung des Cytoskeletts (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_9#Sec28). Man kennt mehrere den T-Zell-Rezeptoren nachgeschaltete Signalwege, die WASp aktivieren (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_7#Sec22). Die Aktivierung von WASp aktiviert wiederum den Arp2/3-Komplex , der für das Auslösen der Actinpolymerisierung notwendig ist. Diese spielt bei der Ausbildung der immunologischen Synapse und der polarisierten Freisetzung von Effektormolekülen durch die T-Effektorzellen eine entscheidende Rolle. Bei Patienten mit dem WAS-Syndrom und bei Mäusen, deren Was-Gen gezielt inaktiviert wurde, können T-Zellen auf eine Quervernetzung des T-Zell-Rezeptors nicht normal reagieren. Seit Kurzem vermutet man auch, dass WASp für die suppressive Funktion der natürlichen Treg-Zellen notwendig ist. Dadurch lässt sich vielleicht teilweise erklären, warum Patienten mit dem WAS-Syndrom für Autoimmunkrankheiten anfällig sind. Genetisch bedingte Defekte der Thymusfunktion, welche die Entwicklung der T-Zellen blockieren, führen zu schweren Immunschwächen Bei Mäusen kennt man seit vielen Jahren eine Störung der Thymusentwicklung, die mit einem SCID und fehlender Körperbehaarung einhergeht. Die Mutation wird entsprechend als nude -Mutation bezeichnet, der mutierte Stamm als nude-Stamm (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_8#Sec13). Man hat bei einer geringen Anzahl von Kindern denselben Phänotyp entdeckt. Sowohl bei Menschen als auch bei Mäusen wird dieses Syndrom von Mutationen im FOXN1-Gen verursacht, das einen Transkriptionsfaktor codiert, der selektiv in der Haut und im Thymus exprimiert wird. FOXN1 ist notwendig für die Differenzierung des Thymusepithels und die Bildung eines funktionsfähigen Thymus. Bei Patienten mit einer Mutation im FOXN1-Gen verhindert die fehlende Thymusfunktion die normale Entwicklung der T-Zellen. Die Entwicklung der B-Zellen ist bei Menschen mit dieser Mutation normal, wobei aufgrund der mangelnden T-Zellen die B-Zell-Reaktionen fehlen und die Reaktionen auf nahezu alle Krankheitserreger grundlegend gestört sind. Das DiGeorge-Syndrom ist eine weitere Erkrankung, bei der sich das Epithelgewebe des Thymus nicht normal entwickelt, was zum SCID führt. Die genetische Anomalie, die dieser komplexen Entwicklungsstörung zugrunde liegt, ist eine Deletion in einer Kopie von Chromosom 22. Das fehlende Stück umfasst 1,5–5 Megabasen, wobei es in der kürzesten Form, die das Syndrom noch hervorruft, etwa 24 Gene enthält. Das entscheidende Gen in diesem Abschnitt ist TBX1, das den Transkriptionsfaktor T-Box codiert. Das DiGeorge-Syndrom wird bereits durch das Fehlen einer einzigen Kopie dieses Gens verursacht. Die betroffenen Patienten tragen also eine TBX1-Haploinsuffizienz . Ohne die passende, stimulierende Umgebung des Thymus können die T-Zellen nicht heranreifen und sowohl die zelluläre Immunantwort als auch die T-Zell-abhängige Antikörperproduktion sind beeinträchtigt. Patienten mit diesem Syndrom haben normale Mengen an Immunglobulinen im Serum, aber der Thymus und die Nebenschilddrüsen entwickeln sich unvollständig oder gar nicht, was mit unterschiedlichen Ausprägungen einer T-Zell-Immunschwäche einhergeht. Eine gestörte Expression der MHC-Moleküle kann aufgrund der Auswirkungen auf die positive Selektion der T-Zellen im Thymus zu einer schweren Immunschwäche führen (Abb. 13.2). Bei Patienten mit dem Nackte-Lymphocyten-Syndrom (bare lymphocyte syndrome) werden auf den Zellen keinerlei MHC-Klasse-II-Moleküle exprimiert; man bezeichnet die Krankheit heute als MHC-Klasse-II-Defekt . Da im Thymus keine MHC-Klasse-II-Moleküle vorhanden sind, können die CD4-T-Zellen nicht positiv selektiert werden, sodass nur wenige heranreifen. Auch den antigenpräsentierenden Zellen fehlen MHC-Klasse-II-Moleküle, sodass die wenigen sich entwickelnden CD4-T-Zellen nicht durch Antigene stimuliert werden können. Die Expression der MHC-Klasse-I-Moleküle ist normal und die CD8-T-Zellen entwickeln sich normal. Die Betroffenen leiden jedoch unter einem schweren kombinierten Immundefekt, was die zentrale Bedeutung der CD4-T-Zellen bei der adaptiven Immunität gegen die meisten Erreger unterstreicht. Der MHC-Klasse-II-Mangel beruht nicht auf Mutationen in den MHC-Genen, sondern in einem von mehreren verschiedenen Genen, die genregulatorische Proteine codieren, welche notwendig sind, um die Transkription der MHC-Klasse-II-Gene zu aktivieren. Vier sich gegenseitig ergänzende Gendefekte (Gruppe A, B, C und D) sind inzwischen bei Patienten, die keine MHC-Klasse-II-Proteine exprimieren können, definiert worden. Das deutet darauf hin, dass mindestens vier verschiedene Gene für die normale Expression dieser Proteine notwendig sind. Man kennt inzwischen für jede Komplementationsgruppe entsprechende Gene: CIITA (MHC class II transactivator) ist in Gruppe A mutiert, die Gene RFXANK , RFX5 und RFXAP sind in den Gruppen B, C beziehungsweise D mutiert (Abb. 13.2). Die drei zuletzt genannten codieren Proteine, die zu dem multimeren Komplex RFX gehören, der die Transkription kontrolliert. RFX bindet an die X-Box, eine DNA-Sequenz in der Promotorregion aller MHC-Klasse-II-Gene. Bei einer geringen Zahl von Patienten hat man eine begrenztere Form der Immunschwäche gefunden, die mit chronischen Bakterieninfektionen der Atemwege und Geschwürbildungen auf der Haut in Verbindung mit Gefäßentzündungen einhergeht. Betroffene zeigen zwar einen normalen Gehalt an MHC-Klasse-I-mRNA und eine normale Produktion von MHC-Klasse-I-Proteinen, aber nur sehr wenige dieser Moleküle gelangen an die Zelloberfläche. Daher bezeichnet man die Erkrankung als MHC-Klasse-I-Defekt . Anders als Patienten mit einem MHC-Klasse-II-Defekt zeigen die Betroffenen ein normales Niveau der mRNA, die MHC-Klasse-I-Moleküle codiert, und eine normale Produktion der MHC-Klasse-I-Proteine, allerdings erreichen nur wenige dieser Proteine die Zelloberfläche. Die Erkrankung kann zum einen auf Mutationen im TAP1- oder im TAP2-Gen zurückzuführen sein. Diese codieren die Untereinheiten des Peptidtransporters, der die im Cytosol erzeugten Peptide in das endoplasmatische Reticulum bringt, wo sie an die naszierenden MHC-Klasse-I-Moleküle gebunden werden. Zum anderen können Mutationen im TAPBP-Gen verantwortlich sein, das Tapasin codiert, eine andere Komponente des Peptidtransporterkomplexes (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_6#Sec5). Die verringerte Anzahl von MHC-Klasse-I-Molekülen an der Oberfläche der Thymusepithelzellen führt zwar zu einem Mangel an CD8-T-Zellen (Abb. 13.2), aber Menschen mit einem MHC-Klasse-I-Defekt sind für Virusinfektionen erstaunlicherweise nicht außergewöhnlich anfällig, obwohl den cytotoxischen CD8-T-Zellen bei der Eindämmung von viralen Infektionen eine Schlüsselrolle zukommt. Für bestimmte Peptide gibt es jedoch Hinweise auf TAP-unabhängige Wege der Antigenpräsentation durch MHC-Klasse-I-Moleküle. Der klinische Phänotyp von Patienten mit TAP1- oder TAP2-Defekt zeigt, dass diese Wege offenbar für einen Ausgleich sorgen können, sodass sich funktionsfähige CD8-T-Zellen in genügender Zahl entwickeln, um Viren in Schach zu halten. Einige Defekte der Thymuszellen verursachen einen Phänotyp, der neben der Immunschwäche weitere Symptome umfasst. Das AIRE-Gen codiert einen Transkriptionsfaktor, der es den Thymusepithelzellen ermöglicht, viele Selbst-Proteine zu produzieren, sodass eine wirksame negative Selektion stattfinden kann. Mutationen im AIRE-Gen führen zu einem komplexen Syndrom, das man mit APECED (Autoimmun-Polyendokrinopathie-Candidiasis-ektodermale-Dystrophie-Syndrom) bezeichnet und das mit Autoimmunität, Entwicklungsstörungen und einer Immunschwäche einhergeht (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_8#Sec27 und Kap. 10.1007/978-3-662-56004-4_15). Wenn die Entwicklung der B-Zellen gestört ist, kommt es zu einem Antikörpermangel, sodass extrazelluläre Bakterien und einige Viren nicht beseitigt werden können Neben vererbbaren Defekten in Proteinen, die für die Entwicklung sowohl der T- als auch der B-Zellen essenziell sind, beispielsweise RAG-1 und RAG-2, kennt man inzwischen auch Defekte, die allein für die Entwicklung der B-Zellen spezifisch sind (Abb. 13.2). Patienten mit solchen Defekten können extrazelluläre Bakterien und auch einige Viren nicht erfolgreich bekämpfen, da für deren Beseitigung spezifische Antikörper notwendig sind. Pyogene Bakterien , beispielsweise Staphylokokken und Streptokokken, sind von einer Polysaccharidhülle umgeben, sodass sie nicht von den Rezeptoren auf Makrophagen und neutrophilen Zellen erkannt werden, welche die Phagocytose stimulieren. Die Bakterien entgehen der Vernichtung durch die angeborene Immunantwort und sind als extrazelluläre Bakterien erfolgreich, können aber von einer adaptiven Immunantwort beseitigt werden. Die Opsonisierung durch Antikörper und das Komplementsystem ermöglicht es den Phagocyten, diese Bakterien aufzunehmen und zu zerstören (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_10#Sec25). Eine zu geringe Antikörperproduktion bewirkt also vor allem, dass das Immunsystem Infektionen mit pyogenen Bakterien nicht mehr in Schach halten kann. Da Antikörper bei der Neutralisierung infektiöser Viren, die über den Darm in den Körper gelangen, eine wichtige Rolle spielen, sind Menschen mit einer verringerten Antikörperproduktion auch besonders anfällig für bestimmte Virusinfektionen – vor allem für solche, die von Enteroviren verursacht werden. Die erste Beschreibung einer Immunschwächekrankheit lieferte Ogden C. Bruton im Jahre 1952 am Beispiel eines Jungen, der keine Antikörper produzieren konnte. Dieser Defekt wird mit dem X-Chromosom vererbt und ist durch einen Mangel an Immunglobulinen im Serum gekennzeichnet (Agammaglobulinämie ); man bezeichnet ihn daher als X-gekoppelte Agammaglobulinämie (X-linked agammaglobulinemia, XLA) oder Bruton-Syndrom (Abb. 13.2). Seit damals sind verschiedene Varianten von autosomal-rezessiven Varianten von Agammaglobulinämien beschrieben worden. Bei Kleinkindern lassen sich solche Krankheiten im Allgemeinen durch das Auftreten von wiederholten Infektionen mit pyogenen Bakterien, etwa Streptococcus pneumoniae, und mit Enteroviren erkennen. In diesem Zusammenhang ist noch festzuhalten, dass normale Kleinkinder in den ersten drei bis zwölf Lebensmonaten einen vorübergehenden Mangel der Immunglobulinproduktion aufweisen. Ein Neugeborenes verfügt über Antikörperspiegel, die denen der Mutter ähnlich sind, weil das mütterliche IgG über die Plazenta in den Fetus transportiert wurde (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_10#Sec19). Da diese IgG-Antikörper im Stoffwechsel abgebaut werden, nehmen die Antikörperspiegel allmählich ab, bis das Kleinkind im Alter von sechs Monaten selbst damit beginnt, ausreichende Mengen an eigenem IgG zu produzieren (Abb. 13.3). Deshalb sind die IgG-Titer im Alter zwischen drei Monaten und einem Jahr relativ niedrig. Dadurch kann die Anfälligkeit für Infektionen eine Zeit lang erhöht sein, vor allem bei Frühgeborenen. die bereits einen niedrigeren Titer an mütterlichem IgG aufweisen und die Immunkompetenz auch erst längere Zeit nach der Geburt erreichen. Da Neugeborene vorübergehend mit einem Schutz durch die mütterlichen Antikörper ausgestattet sind, wird der XLA im Allgemeinen erst mehrere Monate nach der Geburt festgestellt, wenn die Titer der mütterlichen Antikörper abgenommen haben. Das fehlerhafte Gen bei XLA codiert eine Tyrosinkinase, die sogenannte Bruton-Tyrosinkinase (Btk), die zur Familie der Tec-Kinasen gehört; diese Kinasen übertragen Signale der Prä-B-Zell-Rezeptoren (Prä-BCRs, Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_7#Sec23). Wie bereits in Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_8#Sec4 besprochen, besteht der Prä-B-Zell-Rezeptor aus schweren μ-Ketten, die von einem erfolgreich umgelagertem Gen codiert werden und einen Komplex mit der leichten Ersatzkette (bestehend aus λ5 und VpreB) und den signalübertragenden Untereinheiten Igα und Igβ bilden. Die Stimulation des Prä-B-Zell-Rezeptors rekrutiert cytoplasmatische Proteine, darunter auch die Btk, die für die Proliferation und Differenzierung der B-Zellen erforderliche Signale übermitteln. Bei einem Fehlen der Btk-Funktion wird die Reifung der B-Zellen zu einem großen Teil im Prä-B-Zell-Stadium blockiert (Abb. 13.2 und Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_8#Sec4). Das führt zu einem grundlegenden B-Zell-Mangel und zu einer Agammaglobulinämie. Einige B-Zellen reifen jedoch heran, möglicherweise da andere Tec-Kinasen, hier für einen gewissen Ausgleich sorgen. Während der Embryonalentwicklung wird beim weiblichen Fetus in den Zellen zufallsgemäß eines der beiden X-Chromosomen inaktiviert. Da die Btk für die Entwicklung der B-Lymphocyten notwendig ist, können nur solche Zellen zu reifen B-Zellen werden, in denen das normale BTK-Allel aktiv ist. Demnach ist in beinahe allen B-Zellen von heterozygoten Trägerinnen eines mutierten BTK-Gens das normale X-Chromosom aktiviert. Aus diesem Grund konnte man heterozygote Trägerinnen des XLA-Defekts bereits identifizieren, bevor die Funktion des BTK-Genprodukts bekannt war. In den T-Zellen und Makrophagen solcher Frauen sind dagegen die X-Chromosomen mit dem normalen BTK-Allel und mit dem mutierten Allel mit der gleichen Wahrscheinlichkeit aktiv. Die nur in B-Zellen vorkommende nichtzufällige Inaktivierung des X-Chromosoms beweist außerdem schlüssig, dass die Btk zwar für die Entwicklung der B-Zellen notwendig ist, nicht aber für die anderer Zellen, und dass das Enzym innerhalb der B-Zellen seine Wirkung entfaltet, aber nicht in Stromazellen oder in anderen Zellen, die für die Entwicklung von B-Zellen erforderlich sind (Abb. 13.4). Autosomal-rezessiv vererbbare Defekte von anderen Komponenten des Prä-B-Zell-Rezeptors blockieren die B-Zell-Entwicklung ebenfalls in einer frühen Phase und führen zu einem gravierenden B-Zell-Mangel und einer angeborenen Agammaglobulinämie , vergleichbar mit dem XLA-Defekt. Diese Krankheiten sind jedoch viel seltener und können durch Mutationen in den Genen hervorgerufen werden, die die schwere μ-Kette codieren (IGHM). Dies ist die zweithäufigste Ursache für eine Agammaglobulinämie. Andere Mutationen betreffen λ5 (ILLl1), Igα (CD79A) und Igβ (CD79B) (Abb. 13.2). Mutationen, die das B-Zell-Linker-Protein, den vom BLNK-Gen codierten Signaladaptor des B-Zell-Rezeptors, beeinträchtigen, führen auch zu einer Blockade der B-Zell-Entwicklung in einer frühen Phase, was einen selektiven B-Zell-Mangel hervorruft. Patienten mit reinen B-Zell-Defekten können viele Krankheitserreger, außer den pyogenen Bakterien, erfolgreich bekämpfen. Von Vorteil ist dabei, dass sich diese Infektionen mithilfe von Antibiotika und periodischen Infusionen mit menschlichem Immunglobulin, das von vielen verschiedenen Spendern stammt, unterdrücken lassen. Da das von vielen Spendern gesammelte Blut Antikörper gegen die meisten Erreger enthält, bietet es einen recht guten Schutz vor Infektionen. Immunschwächen können von Defekten bei der Aktivierung und Funktion von B- oder T-Zellen, die zu anormalen Antikörperreaktionen führen, hervorgerufen werden Nach ihrer Entwicklung im Knochenmark oder Thymus benötigen B- und T-Zellen eine von Antigenen ausgelöste Aktivierung und Differenzierung, um eine wirksame Immunantwort zu etablieren. Entsprechend den Defekten in der frühen Phase der T-Zell-Entwicklung können auch bei der Aktivierung und Differenzierung nach der Selektion im Thymus Fehler auftreten, die sich sowohl auf die zelluläre Immunität als auch auf die Antikörperreaktionen auswirken (Abb. 13.5). Defekte, die spezifisch die Aktivierung und Differenzierung der B-Zellen betreffen, können deren Fähigkeit beeinträchtigen, einen Isotypwechsel zu IgG, IgA oder IgE durchzuführen, während die zelluläre Immunität weitgehend intakt bleibt. Abhängig davon, wo diese Defekte im Differenzierungsprozess der T- und B-Zellen auftreten, können die Merkmale der sich herausbildenden Immunschwäche von grundlegender Art oder relativ begrenzt sein. Bei Patienten mit einem Defekt, der den Isotypwechsel der B-Zellen beeinträchtigt, kommt es häufig zu einem Hyper-IgM-Syndrom (Abb. 13.5). Diese Patienten zeigen eine normale Entwicklung der B- und T-Zellen und auch einen normalen oder hohen IgM-Spiegel, bringen aber nur wenige Antikörperreaktionen gegen Antigene hervor, die die Unterstützung durch T-Zellen erfordern. Deshalb werden außer IgM und IgD andere Immunglobulinisotypen nur in sehr geringen Mengen produziert. Dadurch sind diese Patienten besonders anfällig für Infektionen mit extrazellulären Krankheitserregern. Für Hyper-IgM-Syndrome sind inzwischen mehrere verschiedene Ursachen bekannt. Das hat dazu beigetragen, dass man die für die normale Klassenwechselrekombination und die somatische Hypermutation der B-Zellen notwendigen Reaktionswege ermitteln konnte. Defekte hat man sowohl bei der Funktion der T-Helferzellen als auch bei den B-Zellen selbst gefunden. Die häufigste Form des Hyper-IgM-Syndroms ist das X-gekoppelte Hyper-IgM-Syndrom , auch als CD40-Ligand-Defekt bezeichnet, der durch Mutationen im Gen für den CD40-Liganden (CD154) (Abb. 13.5) hervorgerufen wird. Normalerweise wird der CD40-Litgand von aktivierten T-Zellen exprimiert, sodass sie an das CD40-Protein auf antigenpräsentierenden Zellen binden können, etwa bei B-Zellen, dendritischen Zellen und Makrophagen (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_10#Sec5). Bei Männern mit einem CD40-Ligand-Mangel sind die B-Zellen normal, wenn aber CD40 nicht gebunden wird, können die B-Zellen keinen Isotypwechsel durchführen oder die Bildung von Keimzentren in Gang setzen (Abb. 13.6). Bei diesen Patienten sind deshalb mit Ausnahme von IgM und IgD die Spiegel der zirkulierenden Antikörper stark verringert, sodass die Patienten für Infektionen mit pyogenen Bakterien hochgradig anfällig sind. Die CD40-Signale sind auch für die Aktivierung der dendritischen Zellen und Makrophagen erforderlich, damit sie IL-12 in geeigneter Menge produzieren, das wiederum für die Produktion von IFN-γ durch die TH1- und NK-Zellen benötigt wird. Deshalb zeigen Patienten mit einem CD40-Ligand-Defekt auch eine fehlerhafte Typ-1-Immunität , was zu einem kombinierten Immundefekt führt. Wenn die CD40L-CD40-vermittelte Kommunikation zwischen T-Zellen und dendritischen Zellen gestört ist, können die dendritischen Zellen weniger costimulierende Moleküle an ihrer Oberfläche exprimieren, sodass sie naive T-Zellen schlechter anregen (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_9#Sec19). Diese Patienten sind deshalb anfällig für Infektionen mit extrazellulären Pathogenen, beispielsweise mit pyogenen Bakterien, deren Bekämpfung Antikörper mit Isotypwechsel erfordert. Auch zeigen diese Patienten Defekte bei der Beseitigung von intrazellulären Bakterien, etwa von Mycobakterien, und sie sind anfällig für opportunistische Infektionen durch Pneumocystis jirovecii , ein Pathogen, das normalerweise von aktivierten Makrophagen getötet wird. Ein ähnliches Syndrom tritt bei Patienten auf, die Mutationen in zwei anderen Genen tragen. Nicht unbedingt erstaunlich ist dabei, dass eines der Gene CD40 codiert, das bei einigen wenigen Patienten mit einer autosomal-rezessiven Variante des Hyper-IgM-Syndroms Mutationen trägt (Abb. 13.5). Bei einer anderen Form des X-gekoppelten Hyper-IgM-Syndroms , die man auch als NEMO-Defekt , bezeichnet, treten Mutationen in dem Gen auf, das das Protein NEMO (NF κ B essential modulator) codiert, eine Untereinheit der Kinase IKK; eine andere Bezeichnung für NEMO ist IKKγ . Diese Untereinheit ist ein essenzieller Bestandteil des intrazellulären Signalwegs, der CD40 nachgeschaltet ist und zur Aktivierung des Transkriptionsfaktors NFκB führt (Abb. 10.1007/978-3-662-56004-4_3#Fig15). Diese Gruppe der Hyper-IgM-Syndrome zeigt, dass Mutationen an verschiedenen Stellen des CD40L-CD40-Signalwegs zu ähnlichen Syndromen eines kombinierten Immunsdefekts führt. Aufgrund der Bedeutung von NFκB für viele andere Signalwege verursacht der NEMO-Defekt zusätzliche Fehlfunktionen des Immunsystems, die über die Störung des B-Zell-Isotypwechsels hinausgeht (Abschn. 13.1.15). Auch kommt es außerhalb des Immunsystems zu Störungen, etwa zu Hautanomalien. Andere Varianten des Hyper-IgM-Syndroms sind auf intrinsische Defekte der Klassenwechselrekombination bei den B-Zellen zurückzuführen. Patienten mit solchen Defekten sind anfällig für gravierende Infektionen mit extrazellulären Bakterien, da aber Differenzierung und Funktion der T-Zellen davon nicht betroffen sind, zeigen sie für intrazelluläre Pathogene oder opportunistische Erreger wie P. jirovecii keine erhöhte Anfälligkeit. Ein Defekt des Isotypwechsels wird durch Mutationen im Gen der aktivierungsinduzierten Cytidin-Desaminase (AID) hervorgerufen, die sowohl für die somatische Hypermutation als auch für den Isotypwechsel notwendig ist (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_10#Sec8). Patienten mit autosomal-rezessiv vererbbaren Mutationen im AID-Gen (AICDA) können den Isotyp ihrer Antikörper nicht wechseln und zeigen nur eine sehr geringe somatische Hypermutation (Abb. 13.5). Dadurch sammeln sich unreife B-Zellen in anormalen Keimzentren an und führen zu einer Vergrößerung der Lymphknoten und der Milz. Vor Kurzem wurde bei einigen wenigen Patienten, die einen autosomal-rezessiven Defekt im DNA-Reparaturenzym Uracil-DNA-Glycosylase (UNG; Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_10#Sec11) aufweisen, eine weitere Variante der B-Zell-intrinsischen Hyper-IgM-Syndrome entdeckt. Auch dieses Enzym spielt beim Isotypwechsel eine Rolle. Die Patienten zeigen eine normale AID-Funktion sowie eine normale somatische Hypermutation, der Isotypwechsel ist jedoch defekt. Weitere Beispiele für Immunschwächen, die vor allem antikörperabhängig sind, umfassen die häufigsten Formen von primären Immunschwächen, die man als variables Immundefektsyndrom (common varariable immunodeficiency, CVID ) oder Antikörpermangelsyndrom bezeichnet. Sie sind eine klinisch und genetisch sehr heterogene Gruppe von Krankheiten, die im Allgemeinen nicht vor der späten Kindheitsphase oder dem Erwachsenenalter diagnostiziert werden, da die Immunschwäche relativ mild verläuft. Im Gegensatz zu anderen Immunschwächen können Patienten mit CVID Defekte in der Immunglobulinproduktion aufweisen, die dann auf einen oder mehrere Isotypen beschränkt ist (Abb. 13.5). Am häufigsten ist der IgA-Defekt , der sowohl in familiärer als auch in sporadischer Form auftritt und autosomal-rezessiv oder autosomal-dominant vererbt wird. Die Ursache eines IgA-Defekts lässt sich bei den meisten Patienten nicht ermitteln, und diese Patienten sind auch symptomfrei. IgA-defekte Patienten, die wiederkehrende Infektionen entwickeln, haben meist einen zusätzlichen Defekt in einer der IgG-Unterklassen. Eine kleine Gruppe der CVID -Patienten tragen Mutationen im Transmembranprotein TACI (TNF-like receptor transmembrane activator and CAML interactor), das von dem Gen TNFRSF13B codiert wird. TACI ist der Rezeptor für die Cytokine BAFF und APRIL, die von T-Zellen, dendritischen Zellen und Makrophagen produziert werden und costimulierende sowie Überlebenssignale für die Aktivierung und den Isotypwechsel der B-Zellen liefern (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_10#Sec4). Selektive Defekte der IgG-Unterklassen hat man ebenfalls bei Patienten gefunden. Die Anzahl der B-Zellen ist bei diesen Patienten im Allgemeinen normal, aber der Spiegel der betroffenen Immunglobuline im Serum ist stark verringert. Einige dieser Patienten leiden zwar, wie in Fällen eines IgA-Defekts, an wiederkehrenden Infektionen durch Bakterien, viele Betroffene sind aber auch symptomfrei. Es gibt CVID-Patienten mit weiteren Störungen, die den Immunglobulinisotypwechsel beeinflussen. Dazu gehören Patienten mit einem vererbbaren Defekt in CD19 , einem Bestandteil des B-Zell-Corezeptors (Abb. 13.5). Eine genetisch bedingte Störung, die nur eine kleine Gruppe von CVID-Patienten betrifft, ist ein Mangel an dem costimulierenden Molekül ICOS. Wie in Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_9#Sec19 beschrieben, wird ICOS von aktivierten T-Zellen stärker exprimiert. Die Auswirkungen eines ICOS-Mangels haben bestätigt, dass ICOS bei der T-Zell-Unterstützung während der späten Phasen der B-Zell-Differenzierung eine entscheidende Rolle spielt, etwa beim Isotypwechsel und bei der Bildung von Gedächtniszellen. Zuletzt wollen wir uns in diesem Abschnitt noch mit dem Hyper-IgE-Syndrom (HIES) beschäftigen, das auch als Job-Syndrom bezeichnet wird. Diese Krankheit geht einher mit wiederkehrenden Infektionen der Haut und der Lunge mit pyogenen Bakterien, einer chronischen Candidiasis der Schleimhäute (eine nichtinvasive Pilzinfektion der Haut und der mucosalen Oberflächen), sehr hohen IgE-Konzentrationen im Serum und einer chronischen ekzematischen Dermatitis (Hautausschlag). HIES wird autosomal-rezessiv oder -dominant vererbt, wobei die zuletzt genannte Form Anomalien des Skeletts und der Zähne hervorruft, die bei der rezessiven Variante nicht auftreten. Der erbliche Defekt der autosomal-dominanten HIES-Variante betrifft den Transkriptionsfaktor STAT3 , dessen Aktivierung mehreren Cytokinrezeptoren nachgeschaltet ist, beispielsweise den Rezeptoren für IL-6, IL-22 und IL-23. STAT3 ist auch bei der Differenzierung der TH17-Zellen und der Aktivierung der ILC3-Zellen von zentraler Bedeutung. Die durch IL-6 und IL-22 aktivierten STAT3-Signale sind außerdem wichtig bei der Unterstützung der antimikrobiellen Abwehr durch die Epithelzellen der Haut und der Schleimhäute. Da bei diesen Patienten die Differenzierung der TH17-Zellen gestört ist, werden auch die neutrophilen Zellen nicht aktiviert, was normalerweise von den TH17-Zellen bewerkstelligt wird. Ebenso wird IL-22 nicht produziert, ein bedeutsames Cytokin, das die Produktion von antimikrobiellen Peptiden durch die Epithelzellen aktiviert. Man nimmt an, dass dieser Defekt für die Beeinträchtigung der Abwehr von extrazellulären Bakterien und Pilzen an den Epithelbarrieren verantwortlich ist, etwa der Haut und der Schleimhäute. Die Ursache für den erhöhten IgE-Spiegel ist nicht bekannt, kann aber durch eine anormale Aktivierung der TH2-Reaktionen in der Haut und in den Schleimhäuten aufgrund des TH17-Defekts hervorgerufen werden. Bei einer autosomal-rezessiven HIES-Variante liegt die Mutation im Gen für das Protein DOCK8 (dedicator of cytokinesis 8), dessen Funktion nur wenig bekannt ist. Da DOCK8 jedoch wahrscheinlich für die T-Zell-Funktion und für die NK-Zell-Funktion von größerer Bedeutung ist, unterscheidet sich diese HIES-Variante von den STAT3-Defekten durch zusätzliche, opportunistische Infektionen und wiederholt auftretende Virusinfektionen der Haut (beispielsweise durch Herpes simplex); außerdem kommt es zu Allergien und Autoimmunreaktionen. Die normalen Signalwege der Immunabwehr gegen verschiedene Krankheitserreger lassen sich aufgrund von genetisch bedingten Defekten der Cytokinwege, die für Typ-1/TH1- und Typ-3/TH17-Reaktionen von zentraler Bedeutung sind, genau bestimmen Man hat vererbbare Defekte der Cytokine sowie der zugehörigen Signalwege und Rezeptoren bestimmt, die bei der Entwicklung und Funktion verschiedener Untergruppen der T-Effektorzellen beteiligt sind. Hier soll es um solche Defekte gehen, die – anders als die oben beschriebenen – nicht mit schwerwiegenden Mängeln in der Antikörperproduktion einhergehen. Es gibt eine kleine Gruppe von Familien, bei denen einige Angehörige an persistierenden und manchmal tödlich verlaufenden Infektionen durch intrazelluläre Pathogene leiden, insbesondere durch Spezies von Mycobacterium, Salmonella und Listeria, die normalerweise von der Typ-1-Immunität verhindert werden. Diese Mikroorganismen sind darauf spezialisiert, in Makrophagen zu überleben, und ihre Beseitigung erfordert verstärkte antimikrobielle Aktivitäten. Die wiederum werden durch IFN-γ induziert, das von Typ-1-Zellen, also von NK-, ILC1- und TH1-Zellen, produziert wird (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_11#Sec3). Dementsprechend wird die Anfälligkeit für diese Erreger durch eine Reihe verschiedener Mutationen hervorgerufen, die die Funktion von IL-12 oder IFN-γ, den zentralen Cytokinen für Entwicklung und Funktionsweise der Typ-1-Zellen, beeinträchtigen oder vollständig blockieren (Abb. 13.7). Man hat Patienten gefunden, die Mutationen in den Genen tragen, die die p40-Untereinheit von IL-12 (IL12B), die β 1-Kette des IL-12-Rezeptors (IL12RB1) und die beiden Untereinheiten (R1 und R2) des IFN-γ-Rezeptors (IFNGR1 und IFNGR2) codieren. Betroffene Personen sind zwar für die virulenteren Formen von M. tuberculosis anfälliger, erkranken aber häufiger an den nichttuberkulösen (atypischen) Stämmen der Mycobakterien, etwa an M. avium, wahrscheinlich weil diese atypischen Stämme in der Umgebung häufiger vorkommen. Die Betroffenen können auch nach Impfung mit Mycobacterium bovis-Bacillus Calmette-Guérin (BCG) eine diffuse Infektion entwickeln. (M. bovis wird als Lebendimpfstoff gegen M. tuberculosis verwendet.) Da die p40-Untereinheit von IL-12 auch zu IL-23 gehört, führt ein IL-12-p40-Defekt aufgrund der beeinträchtigten Typ-1- und Typ 3-(TH17-)Funktionen zu einem breiteren Infektionsrisiko (Abb. 13.7). Entsprechend führt ein Defekt in der IL-12Rβ 1-Kette, die dem Rezeptor von IL-12 und IL-23 gemeinsam ist, ebenfalls zu einer umfangreicheren Anfälligkeit, als Defekte in IFN-γ oder dem zugehörigen Rezeptor. Autosomale Funktionsverlustmutationen von STAT1 beeinträchtigen die Signalgebung des IFN-γ-Rezeptors und gehen auch mit einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen mit Mycobakterien und anderen intrazellulären Bakterien einher (Abb. 13.7). Aufgrund der gemeinsamen Funktion von STAT1 bei der Signalgebung des IFN-α- und des IFN-β-Rezeptors als Reaktion auf IFN-α und IFN-β (Typ-I-Inteferone) sind Patienten mit einem STAT1-Defekt ebenfalls für Virusinfektionen anfällig. Interessanterweise hat man auch Patienten mit einem nur teilweisen Verlust der STAT1-Funktion gefunden, die für Infektionen mit Mycobakterien anfällig sind, jedoch nicht für Virusinfektionen. Das deutet darauf hin, dass STAT1 für einen Schutz vor den zuerst genannten notwendiger ist. Neben den mit den TH17-Zellen zusammenhängenden Defekten, die oben für das Hyper-IgE-Syndrom mit STAT3-Defekt beschrieben wurden (Abschn. 13.1.9), hat man weitere Defekte der cytokinvermittelten Funktionen dieses Signalwegs entdeckt, die keine Hyper-E-Symptomatik aufweisen (Abb. 13.8). Während die erhöhte Anfälligkeit für intrazelluläre Bakterien ein gemeinsames Merkmal von Immunschwächen ist, die die Typ-1-Reaktionen betreffen, ist eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Infektionen mit Candida spp. und pyogenen Bakterien (insbesondere C albicans und S. aureus) für diese Typ-3-Defekte charakteristisch. Dies entspricht der speziellen Funktion der TH17- und ILC3-Zellen für die Abwehrbarrieren gegen Pilze und extrazelluläre Bakterien. Vererbbare Defekte bei IL-17F und IL-17RA, der gemeinsamen Rezeptorkomponente für homo- und heterodimere IL-17F-IL-17A-Liganden, führen zu einer Anfälligkeit für diese Krankheitserreger. Hier zeigt sich die zentrale Rolle der IL-17-Cytokine bei der Immunabwehr gegen diese Pathogene. Patienten mit autosomal-dominanten Funktionsgewinnmutationen in STAT1 zeigen eine ähnliche Anfälligkeit für eine chronische Candidiasis der Schleimhäute und für pyogene Bakterien. Da die Entwicklung der TH17-Zellen dann von STAT1-Signalen, die verschiedenen Cytokinrezeptoren (etwa Typ-I- und Typ-II-IFN-Rezeptoren) nachgeschaltet sind, beeinträchtigt wird, zeigen Betroffene eine Störung ihrer Typ-3-Reaktionen. Dadurch unterscheiden sie sich von Patienten mit einer STAT1-Funktionsverlustmutation, die aufgrund der defekten Typ-I-Immunität eine Prädisposition für Infektionen mit intrazellulären Bakterien tragen. Neben den vererbbaren Defekten in den Genen der Effektorcytokine werden bei bestimmten Immunschwächen Autoantikörper gegen diese Cytokine produziert. Die dadurch entstehenden Infektionsrisiken ähneln denen bei primären Cytokindefekten. Die meisten Patienten mit dem APECED-Syndrom (das durch Defekte des AIRE-Gens hervorgerufen wird; Abschn. 13.1.7) entwickeln eine chronische Candidiasis der Schleimhäute, die auf die Produktion der Autoantikörper gegen IL-17A, IL-17F und/oder IL-22 zurückzuführen ist. Darüber hinaus gibt es Patienten mit neutralisierenden Antikörpern gegen IFN-γ, deren Immunschutz vor Infektionen mit atypischen Mycobakterien gestört ist, wobei die genaue Ursache dafür unbekannt ist. Vererbbare Defekte der Cytolysewege der Lymphocyten können bei Virusinfektionen zu einer unkontrollierten Lymphocytenproliferation und Entzündungsreaktionen führen Cytolytische Granula entstehen aus Bestandteilen von späten Endosomen und Lysosomen. Nach ihrer Ausformung sind weitere Schritte der Exocytose erforderlich, bis die cytolytischen Granula von den cytotoxischen Zellen auf Zielzellen übertragen werden. Die Bedeutung der Immunregulation für die cytolytischen Reaktionswege zeigt sich besonders bei vererbbaren Defekten, die entscheidende Schritte entweder bei der Bildung oder bei der Exocytose der cytolytischen Granula betreffen (Abb. 13.9). Dadurch kommt es zu einer schweren und häufig tödlich verlaufenden Erkrankung, der hämophagocytischen Lymphohistiocytose (HLH-Syndrom ), die mit einer unkontrollierten Aktivierung und Vermehrung von CD8-T-Lymphocyten und Makrophagen einhergeht. Die Zellen infiltrieren mehrere Organe und rufen dort Nekrosen hervor, was zum Versagen der Organe führt. Diese übermäßige Immunantwort wird wahrscheinlich dadurch hervorgerufen, dass die cytotoxischen Zellen nach einer anfänglichen Virusinfektion, insbesondere durch Vertreter der Familie der Herpesviren (etwa das Epstein-Barr-Virus, EBV), nicht in der Lage sind, infizierte Zielzellen, und möglicherweise auch sich selbst, zu zerstören. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass bei Patienten mit dieser Erkrankung, trotz der gestörten Freisetzung cytolytischer Granula, die Freisetzung von IFN-γ durch die cytotoxische T-Lymphocyten (CTLs) und NK-Zellen normalerweise nicht gestört ist und dies zu einer verstärkten Aktivität der Makrophagen und der damit verbundenen Entzündung führt, die wiederum durch die erhöhte Freisetzung der proinflammatorischen Cytokine wie TNF, IL-6 und M-CSF (Makrophagen-Kolonie-stimulierender Faktor) ausgelöst wurde. Die aktivierten Makrophagen nehmen Blutzellen durch Phagocytose auf, darunter auch Erythrocyten und Leukocyten (daher die Bezeichnung des Syndroms). Es gibt eine Reihe von autosomal-rezessiven Varianten der HLH, die man auch als familiäre hämophagocytische Lymphohistiocytose (FHL ) bezeichnet. Sie unterscheiden sich durch das jeweils betroffene Protein im cytolytischen Reaktionsweg (Abb. 13.9). Beispiele sind vererbbare Defekte des Proteins Perforin in den cytolytischen Granula, das für die Ausbildung der Pore in der Zielzelle erforderlich ist (bei einem Defekt kommt es zur FHL2). Andere Defekte betreffen die Proteine Munc13-4 (FHL3), Syntaxin 11 (FHL4), ein Protein der SNARE-Familie (SNARE für soluble N-ethylmaleimide-sensitive factor accessory protein receptor), das die Membranfusion vermittelt, und Munc18-2 (FHL5), das bei der Umstrukturierung des SNARE-Komplexes für die Aktivierung des Fusionsvorgangs mitwirkt. Da Komponenten der Biogenese und Exocytose der cytolytischen Granula auch in anderen sekretorischen Vesikeln, etwa in den Lysosomen, vorkommen, kann es bei betroffenen Personen zu weiteren Immundefekten, aber auch zu Nichtimmundefekten kommen. So gehen beispielsweise einige Immunschwächen, bei denen die Funktion der cytolytischen Granula beeinträchtigt ist, mit einem teilweisen Verlust der Hautpigmentierung einher. Das ist auf Defekte der Proteine für den Vesikeltransport zurückzuführen, die auch für die Exocytose der Melanosomen (Organellen, die in den Melanocyten das Hautpigment Melanin speichern) benötigt werden. Beispiel für diese Immunschwächen sind das Chediak-Higashi-Syndrom , das durch Mutationen im CHS1-Protein verursacht wird, welches den lysosomalen Transport reguliert, und das Griscelli-Syndrom , das von Mutationen im Gen für die kleine GTPase RAB27a (Abb. 13.9) hervorgerufen wird, die für die Befestigung bestimmter Vesikel, auch der cytolytischen Granula, an den Strukturen des Cytoskeletts essenziell ist, da erst so deren intrazellulärer Transport ermöglicht wird. Bei Patienten mit Chediak-Higashi-Syndrom sammeln sich in den T-Lymphocyten, myeloischen Zellen, Blutplättchen und Melanocyten riesige Formen der Lysosomen und Granula an. Die Haare der Betroffenen haben eine silbermetallisch schimmernde Farbe, das Sehvermögen ist aufgrund der anormalen Pigmentzellen in der Retina stark eingeschränkt und die Fehlfunktion der Blutplättchen führt zu verstärkten Blutungen. Da bei diesen Patienten die Vesikelfusion der Phagocyten ebenfalls gestört ist, können intrazelluläre und extrazelluläre Pathogene nicht wirksam abgetötet werden, und auch die cytolytische Funktion der CTL- und NK-Zellen ist defekt. Betroffene Kinder leiden deshalb schon früh an schweren wiederkehrenden Infektionen durch verschiedene Bakterien und Pilze. Danach entwickelt sich im Allgemeinen eine hämophagocytische Lymphohistiocytose, die häufig durch eine Virusinfektion, beispielsweise mit EBV, ausgelöst wird, was dann die Krankheit noch weiter beschleunigt. Man kennt drei Varianten des Griscelli-Syndroms , die jeweils von einem anderen Gendefekt ausgelöst werden. Bei der Typ-2-Variante (Mutation in RAB27A ) führt der Defekt sowohl zu einer Immunschwäche als auch zu Pigmentanomalien, bei den Typen 1 und 3 kommt es nur zu Pigmentanomalien. Die Immundefekte bei Kindern mit dem Griscelli-Syndrom Typ 2 ähneln zwar in vielfacher Hinsicht dem Chediak-Higashi-Syndrom, wobei jedoch in den myeloischen Zellen keine Riesengranula auftreten. Das X-gekoppelte lymphoproliferative Syndrom geht mit einer tödlich verlaufenden Infektion durch das Epstein-Barr-Virus und der Entwicklung von Lymphomen einher Bei einigen primären Immunschwächekrankheiten besteht eine Anfälligkeit nur für ein bestimmtes Pathogen. Das ist etwa bei zwei seltenen X-gekoppelten Immunschwächen der Fall, die jeweils durch einen ähnlichen lymphoproliferativen Defekt gekennzeichnet sind, der von einem Virus der Herpes-simplex-Familie – dem Epstein-Barr-Virus (EBV) – hervorgerufen wird, wobei die Mechanismen unterschiedlich sind. EBV infiziert spezifisch die B-Zellen und verursacht bei sonst gesunden Personen eine sich selbst begrenzende Infektion, da das Virus durch die Aktivitäten der NK-, NKT- und cytotoxischen T-Zellen, die für B-Zellen spezifisch sind, die EBV-Antigene exprimieren, unter Kontrolle gebracht wird. Nach Entwicklung einer Immunität gegen EBV wird das Virus nicht vollständig beseitigt, sondern bleibt in den B-Zellen in einer latenten Form erhalten (Abschn. 13.2.6). Bei bestimmten Arten von Immunschwächen kann diese Kontrolle verloren gehen, sodass es zu einer überbordenden EBV-Infektion (einer schweren infektiösen Mononucleose) kommt, die mit einer unregulierten Proliferation der EBV-infizierten B-Zellen und der cytotoxischen T-Zellen, einer Hypogammaglobulinämie (geringe Mengen an zirkulierenden Immunglobulinen), einhergeht. Dadurch besteht das Risiko, dass sich Non-Hodgkin-Lymphome entwickeln. Diese treten bei der seltenen Immunschwäche des X-gekoppelten lymphoproliferativen (XLP-)Syndroms auf. Das XLP-Syndrom entsteht durch Mutationen in einem der beiden X-gekoppelten Gene SH2D1A (SH2 domain-containing gene 1A) und XIAP. Ersteres codiert SAP (signaling lymphocyte activation molecule (SLAM-)associated protein), Letzteres codiert den X-gekoppelten Apoptoseinhibitor . Beim XLP1-Syndrom , von dem etwa 80 % der Patienten mit einem der beiden Syndrome betroffen sind, führt der SAP-Defekt dazu, dass in den T-, NKT- und NK-Zellen die Kopplung zwischen den Immunzellrezeptoren der SLAM-Familie und der Tyrosinkinase Fyn aus der Src-Familie verloren geht (Abb. 13.10). Proteine der SLAM-Familie interagieren über homo- und heterotypische Bindungen und beeinflussen so das Ergebnis der Wechselwirkungen zwischen T-Zellen und antigenpräsentierenden Zellen sowie zwischen NK-Zellen und ihren Zielzellen. Wenn SAP fehlt, entwickeln sich ineffektive EBV-spezifische Reaktionen der cytotoxischen T-Zellen und NK-Zellen und es besteht ein schwerwiegender Mangel an NKT-Zellen . Das deutet darauf hin, dass SAP bei der Kontrolle von EBV-Infektionen und bei der Entwicklung der NKT-Zellen eine nichtredundante Funktion besitzt. Es kommt zu einer unregulierten Proliferation von EBV-reaktiven cytotoxischen T- und NK-Zellen, die eine systemische Aktivierung von Makrophagen, Entzündungsreaktionen und hämophagocytotische Symptome hervorruft. Dies ähnelt den Auswirkungen von Immunschwächen, die aufgrund von Defekten des Cytolysewegs entstehen (Abschn. 13.1.11). Darüber hinaus führt die defekte SLAM-Signalgebung zwischen TFH- und B-Zellen bei den XLP1-Patienten zu einer Störung der T-abhängigen Antikörperreaktionen und zu einer Hypogammaglobulinämie. Defekte des XIAP-Proteins , das normalerweise die TNF-Rezeptor-assoziierten Faktoren TRAF1 und TRAF2 bindet und die Aktivierung von apoptoseinduzierenden Caspasen blockiert (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_7#Sec28), führen zu einem ähnlichen X-gekoppelten Syndrom mit der Bezeichnung XLP2 (Abb. 13.10). Bei einem XIAP-Defekt ist die Apoptoseaktivität verstärkt und der Umsatz von aktivierten T- und NK-Zellen erhöht. Seltsamerweise führt dies zu einem Phänotyp, der dem von XLP1 ähnlich ist, wobei die Grundlagen dafür noch unklar sind. Wie beim XLP1-Syndrom kommt es auch hier zu einer gravierenden Ausdünnung der NKT-Zellen. Das deutet darauf hin, dass XIAP wie SAP für den normalen Erhalt dieser Zellen benötigt wird. Wie beim XLP1-Syndrom ist auch beim XLP2-Syndrom die Kontrolle von EBV-Infektionen beeinträchtigt, wobei sich dies nicht so stark auswirkt. Die genaue Ursache für die gestörte Unterdrückung der EBV-Latenz bei diesen Immunschwächen ist allerdings noch ungeklärt. Durch vererbbare Defekte bei der Entwicklung der dendritischen Zellen werden ebenfalls Immunschwächen hervorgerufen Die Erkenntnisse über Vielfalt und Funktionen der dendritischen Zellen wurden zum einen durch Untersuchungen an Mäusen gewonnen, bei denen man gezielt einzelne Gene von Transkriptionsfaktoren deletiert hat, wodurch sich bestimmte Untergruppen dieser Zellen nicht mehr bildeten. Zum anderen kam es aufgrund des Verlustes dieser Untergruppen zu einer Anfälligkeit für bestimmte Pathogene. Beim Menschen, bei dem die Untersuchung der Entwicklung und Funktion der dendritischen Zellen schwieriger ist, hat die Identifizierung von primären Immunschwächen, die aufgrund von Defekten in Genen für die Transkriptionsfaktoren GATA2 und IRF8 entstehen, erste Einblicke in die relative Bedeutung dieser Zellen bei verschiedenen Spezies geliefert. Bei der größten Gruppe von Patienten mit einem vererbbaren Mangel an dendritischen Zellen hat man eine autosomal-dominante Mutation von GATA2 als Ursache erkannt. Bei den betroffenen Personen kommt es zu einem fortschreitenden Verlust aller Untergruppen der dendritischen Zellen (konventionelle und plasmacytoide Zellen) und der Monocyten, außerdem verringert sich die Anzahl der lymphatischen B- und NK-Zellen. Diese Krankheit bezeichnet man als DCML-Defekt . Die Anzahl der T-Zellen ist bei diesen Patienten zwar normal, aber ihre Funktion wird durch den Verlust der dendritischen Zellen beeinträchtigt. Das Fehlen der Produkte von mehreren (nicht von allen) hämatopoetischen Zelllinien deutet auf eine redundante Funktion von GATA2 in den nicht betroffenen Linien hin. Die Ursache für diesen fortschreitenden Verlust von Zelllinien ist unbekannt. Man nimmt aber an, dass sich hier die Funktion von GATA2 für den Erhalt von Vorläuferstammzellen zeigt, aus denen diese Populationen hervorgehen. Bei einem Verlust aller dendritischen Zellen und Monocyten kommt es bei den Betroffenen zu einer Vielzahl von Immundefekten und Anfälligkeiten für Krankheitserreger. Diese Patienten unterliegen einem großen Risiko für hämatologische Erkrankungen. Die ersten zwei vererbbaren Defekte, die man spezifischen Entwicklungsstörungen der dendritischen Zellen zuordnen konnte, betreffen den interferonregulierenden Faktor IRF8 . Bei beiden Varianten liegt die Mutation in der DNA-Bindungsdomäne des Transkriptionsfaktors. Bei einer autosomal-rezessiven Form gehen die Monocyten und alle Arten von zirkulierenden dendritischen Zellen verloren; es gibt keinerlei konventionelle oder plasmacytoide dendritische Zellen. Da die dendritischen Zellen für die naiven T-Zellen die primären antigenpräsentierenden Zellen sind, führt ihr Mangel zu einer gestörten Entwicklung der T-Effektorzellen, und Patienten mit diesen Defekten sind schon früh in ihrem Leben anfällig für eine Reihe schwerer opportunistischer Infektionen, etwa durch intrazelluläre Bakterien, Viren und Pilze. Es kommt auch zu einer auffälligen Vermehrung von zirkulierenden unreifen Granulocyten. Das liegt wahrscheinlich an einer „Umwidmung“ der myeloischen Vorläuferzellen zur Granulocytenlinie, wenn der Entwicklungsweg der Monocyten/dendritischen Zellen fehlt. Im Gegensatz dazu kommt es bei Patienten mit einer autosomal-dominanten Vererbung eines dominant-negativen IRF8-Allels zu einem weniger gravierenden Phänotyp, der durch einen weniger selektiven Mangel an CD1c-positiven dendritischen Zellen gekennzeichnet ist (wahrscheinlich entsprechen diese Zellen der CD11b-positiven Untergruppe bei den dendritischen Zellen der Maus). Das führt schließlich zu einer erhöhten Anfälligkeit für intrazelluläre Bakterien, insbesondere für atypische Mycobacterium-Spezies, allerdings ohne lymphoproliferatives Syndrom wie bei den Patienten mit der autosomal-rezessiven Variante. Defekte bei Komplementfaktoren und komplementregulatorischen Proteinen schwächen die humorale Immunantwort und verursachen Gewebeschäden Die bis hier besprochenen Erkrankungen sind vor allem auf Störungen des adaptiven Immunsystems zurückzuführen. In den nächsten beiden Abschnitten wollen wir uns mit einigen Immunschwächekrankheiten beschäftigen, die Zellen und Moleküle des angeborenen Immunsystems betreffen. Wir beginnen mit dem Komplementsystem, das über einen von drei Signalwegen aktiviert werden kann, die alle auf die Spaltung des Komplementproteins C3 zulaufen, sodass dieses kovalent an die Oberfläche von Pathogenen binden und dort als Opsonin wirken kann (Kap. 10.1007/978-3-662-56004-4_2). Daher ist es nicht erstaunlich, dass das Spektrum an Infektionen, das mit Komplementdefekten zusammenhängt, deutlich mit den Infektionen überlappt, die man bei Patienten mit einer gestörten Antikörperproduktion beobachten kann. Insbesondere kommt es zu einer erhöhten Anfälligkeit für extrazelluläre Bakterien, für deren Beseitigung durch Phagocyten eine Opsonisierung mit Antikörpern und/oder Komplementproteinen erforderlich ist (Abb. 13.11). Wenn die Aktivierung von C3 über einen der drei Signalwege gestört oder C3 selbst von einem Defekt betroffen ist, hat dies eine erhöhte Anfälligkeit für Infektionen mit einer Reihe von pyogenen Bakterien zur Folge, etwa mit Streptococcus pneumoniae. Dies unterstreicht die Bedeutung von C3 als zentrales Effektormolekül, das die Phagocytose und die Beseitigung von kapseltragenden Bakterien fördert. Defekte in Komponenten des membranangreifenden Komplexes , das heißt in den Komplementproteinen C5 bis C9, die der C3-Aktivierung nachgeschaltet sind, haben nur begrenzte Auswirkungen und führen fast ausschließlich zu einer Anfälligkeit für Neisseria -Spezies. Eine ähnliche Anfälligkeit für Neisseria tritt auch bei Patienten mit Defekten von Faktor D und Properdin auf, zwei Komponenten des alternativen Komplementwegs. Das deutet darauf hin, dass die Abwehr dieser Bakterien, die intrazellulär überleben können, zu einem großen Teil über die antikörperabhängige extrazelluläre Lyse durch den membranangreifenden Komplex erfolgt. Ergebnisse einer großen Bevölkerungsstudie in Japan, wo endemische Infektionen mit N. meningitides selten sind, zeigen, dass eine gesunde Person jedes Jahr einem Risiko von 1 zu 2.000.000 ausgesetzt ist, von diesen Organismen infiziert zu werden. Ein Mensch aus derselben Population mit einem vererbbaren Defekt in einem der Proteine des membranangreifenden Komplexes unterliegt einem Risiko von 1 zu 200 – immerhin eine Erhöhung des Infektionsrisikos um den Faktor 10.000. Die frühen Komponenten des klassischen Komplementwegs besitzen für die Beseitigung von Immunkomplexen (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_10#Sec22) und apoptotischen Zellen eine besondere Bedeutung, da beide bei Autoimmunkrankheiten deutlich pathologische Auswirkungen haben können, etwa beim systemischen Lupus erythematodes . Diese Besonderheit von vererbbaren Komplementdefekten wird in Kap. 10.1007/978-3-662-56004-4_15 besprochen. Defekte des mannosebindenden Lektins (MBL), das die Komplementaktivierung unabhängig von Antikörpern in Gang setzt (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_2#Sec9) sind relativ häufig (betroffen sind 5 % der Bevölkerung). Ein MBL-Mangel kann mit einer leichten Immunschwäche einhergehen, die in der frühen Kindheit zu vermehrten bakteriellen Infektionen führt. Ein ähnlicher Phänotyp tritt bei Patienten auf, die einen Defekt im MASP2-Gen für die MBL-assoziierte Serinprotease 2 tragen. Eine andere Gruppe von Krankheiten, die mit dem Komplementsystem zusammenhängen, wird durch Defekte in den komplementregulierenden Proteinen hervorgerufen (Abb. 13.12). Defekte der membranassoziierten Komplementkontrollproteine DAF (decay-accelerating factor) oder CD59 (Protectin), die sonst die Oberfläche der Körperzellen vor der Komplementaktivierung schützen, führen zur Zerstörung der roten Blutkörperchen, was eine paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_2#Sec19) zur Folge hat. Defekte der löslichen komplementregulatorischen Proteine, etwa Faktor I und Faktor H, können sich auf verschiedene Weise auswirken. Ein homozygoter Faktor-I-Defekt kommt nur selten vor und führt zu einer unkontrollierten Aktivität der C3-Konvertase des alternativen Komplementwegs, was letztendlich einen C3-Mangel hervorruft (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_2#Sec19). Defekte von MCP, Faktor I oder Faktor H können eine Erkrankung verursachen, die man als atypisches hämolytisch-urämisches Syndrom bezeichnet. Dabei kommt es zur Lyse der roten Blutkörperchen (Hämolyse, daher der Name) und zu einer Störung der Nierenfunktion (Urämie). Bei Patienten mit einem Defekt des C1-Inhibitiors zeigen sich die Folgen eines Ausfalls von komplementregulatorischen Proteinen in besonders auffälliger Weise. Hier kommt es zu einem Syndrom, das man als erbliches Angioödem (HAE, Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_2#Sec19) bezeichnet. Bei einem Defekt des C1-Inhibitors ist die Regulation sowohl der Blutgerinnung als auch der Komplementaktvierung gestört und es kommt zu einer übermäßigen Produktion von gefäßaktiven Mediatoren, die Flüssigkeitsansammlungen (Ödeme) im Gewebe und eine lokale Schwellung des Kehlkopfs hervorrufen, die zum Ersticken führen kann. Defekte in Phagocyten ermöglichen ausgedehnte bakterielle Infektionen Eine zu geringe Anzahl oder mangelnde Funktion der Phagocyten können mit einer schweren Immunschwäche verknüpft sein. Tatsächlich macht das vollständige Fehlen neutrophiler Zellen ein Überleben in der normalen Umgebung unmöglich. Es gibt vier Formen von Immunschwächen der Phagocyten: Defekte bei der Bildung, Adhäsivität und Aktivierung von Phagocyten sowie beim Abtöten von Mikroorganismen durch die Phagocyten (Abb. 13.13). Wir werden uns damit nacheinander beschäftigen. Erbliche Defekte der Produktion von neutrophilen Zellen (Neutropenien ) werden entweder als schwere angeborene Neutropenie (severe congenital neutropenia, SCN) oder als zyklische Neutropenie eingeordnet. Bei einer schweren angeborenen Neutropenie, die dominant oder rezessiv vererbt wird, ist die Anzahl der neutrophilen Zellen dauerhaft extrem niedrig und liegt bei weniger als 0,5 × 109 pro Liter Blut (normal wären 3–5,5 × 109 pro Liter). Bei der zyklischen Neutropenie wechselt die Anzahl der neutrophilen Zellen von annähernd normal bis hin zu sehr niedrig oder nicht mehr nachweisbar, wobei ein Zyklus etwa 21 Tage dauert. Dadurch kommt es zu einem periodisch auftretenden Infektionsrisiko. Die häufigste Ursache sind sporadische oder autosomal-dominante Mutationen im ELA2-Gen der Neutrophilen-Elastase, einem Bestandteil der azurophilen (primären) Granula, die beim Abbau der phagocytierten Mikroorganismen zum Einsatz kommen. Die veränderte Bindung der Elastase an die Granula führt bei sich entwickelnden Myelocyten zur Apoptose und zu einer Blockade der Entwicklung im Promyelocyten/Myelocyten-Stadium. Einige Mutationen von ELA2 rufen eine zyklische Neutropenie hervor. Wie die defekte Elastase bei der Neutropenie den 21-tägigen Zyklus hervorbringt, ist weiterhin ein Rätsel. Eine seltene autosomal-dominante Form der SCN wird durch Mutationen im Onkogen GFI1 verursacht, das einen Transkriptionsrepressor codiert, der auf das ELA2-Gen einwirkt. Zu diesem Befund kam es aufgrund der unerwarteten Beobachtung, dass Mäuse, denen das Gfi1-Protein fehlt, aufgrund einer Überexpression des ELA2-Gens eine Neutropenie entwickeln. Es gibt auch autosomal-rezessive Formen der SCN. Ein Defekt des mitochondrialen Proteins HAX1 führt bei sich entwickelnden myeloischen Zellen zu einer erhöhten Apoptoserate. Dadurch entwickelt sich eine schwerwiegende Neutropenie, die man als Kostmann-Syndrom bezeichnet. Die erhöhte Neigung der sich entwickelnden neutrophilen Zellen zur Apoptose wird bei der SCN besonders deutlich, die mit genetisch bedingten Defekten im Glucosestoffwechsel verknüpft ist. Patienten mit rezessiven Mutationen in den Genen für die katalytische Untereinheit 3 der Glucose-6-phosphatase (G6PC3) oder die Glucose-6-phosphat-Translokase (SLC37A4) zeigen während der Entwicklung der Granulocyten ebenfalls eine erhöhte Apoptoserate, was zu einer Neutropenie führt. Eine erworbene Neutropenie aufgrund einer Chemotherapie, einer bösartigen Erkrankung oder einer aplastischen Anämie geht mit einem ähnlichen Spektrum an schweren Infektionen mit pyogenen Bakterien einher. Eine Neutropenie kann schließlich auch im Zusammenhang mit anderen primären Immunschwächekrankheiten auftreten, beispielsweise beim CD40-Ligand-Defekt, CVID, XLA, dem Wiskott-Aldrich-Syndrom und dem GATA2-Defekt. Bei einigen Patienten bilden sich Autoantikörper, die eine beschleunigte Zerstörung der neutrophilen Zellen hervorrufen. Wenn bei der Wanderung der phagocytotischen Zellen zu Infektionsherden außerhalb der Blutgefäße Defekte auftreten, kann es zu einer schweren Immunschwäche kommen. Leukocyten gelangen zu den Infektionsherden, indem sie die Blutgefäße durch einen genau regulierten Prozess (Abb. 10.1007/978-3-662-56004-4_3#Fig31) verlassen. Defekte der Moleküle, die an den einzelnen Phasen dieses Vorgangs beteiligt sind, können verhindern, dass neutrophile Zellen und Makrophagen in infizierte Gewebe eindringen können; man spricht dann von Leukocytenadhäsionsdefekten (LADs). Defekte der gemeinsamen β 2-Untereinheit CD18 des Leukocytenintegrins, die eine Komponente von LFA-1, MAC-1 und p150:95 ist, verhindert, dass die Leukocyten zu den Infektionsherden wandern, da sich die Zellen damit nicht mehr an das Endothel heften können. Da dies der erste LAD war, der beschrieben wurde, bezeichnet man ihn heute als Typ-1-LAD oder LAD-1; es handelt sich dabei um die häufigste LAD-Variante. Bei Patienten, denen aufgrund eines Mangels des GDP-Fucose-spezifischen Transportproteins, das an der Biosynthese von Sialyl-Lewisx und anderen fucosylierten Liganden der Selektine mitwirkt, die Sialyl-Lewisx-Einheit fehlt (ein Defekt, der relativ selten auftritt), nimmt das Entlangrollen der Leukocyten auf dem Endothel ab. Diesen Defekt bezeichnet man als Typ-2-LAD oder LAD-2. LAD-3 entsteht durch einen Defekt von Kindlin-3 , einem Protein, das für die feste Adhäsion der Zellen verantwortlich ist, indem es den hochaffinen Bindungszustand der β-Integrine induziert. Alle LAD-Varianten zeigen ein autosomal-rezessives Vererbungsmuster und gehen bereits in einer frühen Lebensphase mit schweren, lebensbedrohlichen Infektionen durch Bakterien und Pilze einher. Dabei ist die Wundheilung gestört und bei einer Infektion mit pyogenen Bakterien wird kein Eiter gebildet. Die bei diesen Patienten auftretenden Bakterien sind auch gegenüber einer Antibiotikabehandlung resistent. Bei LAD-3 ist zudem die Aggregation der Blutplättchen gestört, sodass es verstärkt zu Blutungen kommt. Ein zentraler Schritt bei der Aktivierung der angeborenen Immunzellen, etwa der Phagocyten, ist die Erkennung von mikrobenassoziierten molekularen Mustern durch die Toll-like-Rezeptoren (TLRs, Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_3#Sec6). Man kennt inzwischen verschiedene primäre Immunschwächekrankheiten , die durch Defekte der intrazellulären Signalkomponenten der TLRs hervorgerufen werden. Mit Ausnahme von TLR-3 erfordert die Signalgebung der Toll-like-Rezeptoren das Adaptorprotein MyD88 , das die Kinasen IRAK4 und IRAK1 , die für die nachgeschaltete Aktivierung von NFκB und der MAP-Kinase-Wege (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_3#Sec8) erforderlich sind, rekrutiert und aktiviert. Autosomal-rezessive Mutationen in den Genen, die MyD88 oder IRAK4 codieren, verursachen einen ähnlichen Phänotyp: wiederkehrende schwere periphere und invasive Infektionen durch pyogene Bakterien, die nur eine geringe Entzündungsreaktion, eine „kalte Infektion“, hervorrufen. Viele der Signalfunktionen von MyD88 und der IRAK4-Moleküle stimmen mit denen der IL-1-Rezeptor-Familie überein. Demnach ist zumindest ein Teil der Immunschwäche bei Patienten mit vererbbaren Defekten dieser Moleküle auf die fehlerhafte Signalgebung der IL-1-Proteine zurückzuführen. Dem ist noch hinzuzufügen, dass der NEMO-Defekt , der den Isotypwechsel der B-Zellen beeinträchtigt (Abschn. 13.1.9), auch die Signalgebung der TLR- und IL-1-Rezeptor-Familie stört, indem er die normale Aktivierung von NFκB verhindert. Immunschwächen , die mit NEMO-Defekten zusammenhängen, betreffen daher sowohl die adaptive als auch die angeborene Immunität. Interessant ist dabei, dass bei Patienten mit MyD88-Mutationen Virusinfektionen nicht unbedingt zunehmen, obwohl dieses Protein an allen Signalen der TLRs, die DNA erkennen, beteiligt ist (beispielsweise TLR-7, TLR-8 und TLR-9); die einzige Ausnahme ist TLR-3. Das deutet darauf hin, dass die Aktivierung der interferonregulierenden Faktoren (IRFs), die Interferonreaktionen auslösen, die diesen TLRs nachgeschaltet sind, trotz der Defekte in MyD88 weiterhin funktioniert. Bemerkenswert ist dabei, dass unter den zehn TLRs, die man beim Menschen gefunden hat, bis jetzt TLR-3 als einziger mit einer Immunschwäche in Zusammenhang gebracht wurde. Es sind zwar Defekte in anderen TLRs bekannt (etwa in TLR-5), aber sie rufen nicht den Phänotyp einer Immunschwäche hervor; das weist auf ein hohes Maß an Redundanz hin. Andererseits leiden Patienten mit einer hemizygoten (dominanten) oder homozygoten (rezessiven) Mutation im TLR-3-Gen wahrscheinlich aufgrund einer gestörten Produktion der Typ-1-Interferone durch die Nervenzellen an wiederkehrenden Infektionen mit dem Herpes-simplex-Virus 1 (HSV-1) im Zentralnervensystem (Herpes-simplex-Encephalitis). TLR-3 erkennt doppelsträngige RNA. Personen mit vererbbaren Defekten von Molekülen, die an der TLR-3-Signalgebung mitwirken (beispielsweise TRIF, TRAF3 und TBK1) sind in ähnlicher Weise auch anfällig für eine HSV-1-Encephalitis, genauso wie Patienten mit Defekten im TLR-Transportprotein UNC93B1 , das für den Transport von TLR-3 aus dem endoplasmatischen Reticulum in das Endolysosom notwendig ist. Interessant ist dabei, dass die Leukocyten dieser Patienten in ihrer Reaktion auf die TLR-3-Liganden oder HSV-1 keinen Defekt aufweisen. Das deutet darauf hin, dass die TLR-3-Funktion bei diesen Zellen redundant ist, nicht jedoch im Zentralnervensystem. Entsprechend zeigen diese Patienten nur eine begrenzte Prädisposition für andere Virusinfektionen. Es besteht also vor den meisten übrigen Arten von Virusinfektionen ein TLR-3-unabhängiger Schutz. Es gibt auch genetisch bedingte Defekte, die die Signalgebung von Mustererkennungsrezeptoren (PRRs) beeinflussen, die keine TLRs sind. CARD9 ist ein Adaptormolekül, das an der Signalgebung mitwirkt, die den C-Typ-Lektin-Rezeptoren (Dectin-1 , Dectin-2 ) auf myeloischen Zellen und dem auf Makrophagen induzierbaren C-Typ-Lektin (MINCLE) nachgeschaltet ist. Diese Moleküle erkennen mit Pilzen assoziierte molekulare Muster und ihre Signale über CARD9 führen dazu, dass proinflammatorische Cytokine wie IL-6 und IL-23 sezerniert werden (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_3#Sec2). Autosomal-rezessive CARD9-Defekte führen zu einer Störung der TH17-Reaktionen auf Pilze, sodass Patienten mit einem solchen Defekt, genauso wie Patienten mit einer fehlerhaften IL-17-Immunität (beispielsweise bei einem IL-17RA- oder IL-17F-Defekt; Abschn. 13.1.10), an einer chronischen Candidiasis der Schleimhäute leiden. Darüber hinaus können diese Patienten jedoch auch an Infektionen mit Dermatophyten erkranken, die als ubiquitäre filamentöse Pilze sonst für Infektionen der Hautoberfläche und der Nägel verantwortlich sind, beispielsweise als sogenannter Fußpilz (Tinea pedis ). Die meisten übrigen Defekte der phagocytotischen Zellen wirken sich auf deren Fähigkeit aus, Mikroorganismen aufzunehmen und im Zellinneren zu zerstören (Abb. 13.13). Patienten mit einer septischen Granulomatose (chronische Granulomatose, CGD) sind für Infektionen durch Bakterien oder Pilze hoch anfällig. Da die Phagocyten die aufgenommenen Bakterien nicht abtöten können, entwickeln sich Granulome (Abb. 10.1007/978-3-662-56004-4_11#Fig13). Der Defekt betrifft dabei die Produktion von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) wie etwa das Superoxidanion (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_3#Sec3). Als man den molekularen Defekt bei dieser Krankheit entdeckt hatte, gewann die Vorstellung an Bedeutung, dass die Bakterien durch diese Moleküle direkt getötet werden. Allerdings hat sich inzwischen herausgestellt, dass die Erzeugung der ROS allein nicht ausreicht, die Mikroorganismen zu töten. Man nimmt jetzt an, dass die ROS einen Zustrom von K+-Ionen in die phagocytotische Vakuole hervorrufen, wodurch sich der pH-Wert auf den für die Aktivität der antimikrobiellen Peptide und Proteine optimalen Wert erhöht, die dann erst die eingedrungenen Mikroorganismen abtöten. Genetisch bedingte Defekte, die eine der Untereinheiten der NADPH-Oxidase beeinträchtigen, die in neutrophilen Zellen und Monocyten exprimiert wird (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_3#Sec3), können ebenfalls eine septische Granulomatose hervorrufen. Patienten mit dieser Erkrankung leiden an chronischen Infektionen durch Bakterien, die in einigen Fällen zur Bildung von Granulomen führen. Defekte der Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase (G6DP) und der Myeloperoxidase (MPO) beeinträchtigen ebenfalls das Abtöten von Bakterien und führen zu einem ähnlichen, allerdings weniger gravierenden Phänotyp. Mutationen in den molekularen Entzündungsregulatoren können unkontrollierte Entzündungsreaktionen verursachen, die zu einer „autoinflammatorischen Erkrankung“ führen Es gibt eine geringe Anzahl von Krankheiten, bei denen die Mutationen in Genen liegen, die Leben, Aktivität und Absterben der Entzündungszellen kontrollieren. Diese Erkrankungen gehen mit schweren Entzündungssymptomen einher. Sie führen zwar nicht zu einer Immunschwäche, aber wir haben sie trotzdem in dieses Kapitel aufgenommen, da es sich um Einzelgendefekte handelt, die einen zentralen Bestandteil der angeborenen Immunität betreffen – die Entzündungsreaktion. In diesen Fällen versagen die normalen Mechanismen, die eine Entzündung begrenzen, und man bezeichnet sie als autoinflammatorische Erkrankungen . Hier kommt es zu einer Entzündung, selbst wenn gar keine Infektion vorhanden ist (Abb. 13.14). Das familiäre Mittelmeerfieber (FMF) geht mit episodischen Anfällen von chronischen Entzündungen einher, die im gesamten Körper an verschiedenen Stellen entstehen können. Dabei kommt es zu Fieber, einer Akute-Phase-Reaktion (Abschn. 13.1.18) und starker Übelkeit. Die Pathogenese des FMF war lange Zeit ein Rätsel, bis man entdeckte, dass es sich um Mutationen im MEFV-Gen handelt, welches das Protein Pyrin codiert (es trägt seinen Namen, da es mit dem Auftreten von Fieber zusammenhängt). Pyrin und Proteine mit Pyrindomänen sind Bestandteile von Signalwegen, die bei Entzündungszellen zur Apoptose führen oder auch die Freisetzung von proinflammatorischen Cytokinen (etwa von IL-1β) blockieren. Man vermutet, dass es zu einer unregulierten Cytokinaktivität und einem Defekt der Apoptose kommt, wenn kein funktionsfähiges Pyrin vorhanden ist. Dadurch können Entzündungsreaktionen nicht mehr kontrolliert werden. Bei Mäusen führt ein Fehlen von Pyrin zu einer erhöhten Empfindlichkeit gegenüber Lipopolysacchariden und zu einer defekten Apoptose bei Makrophagen. Eine Krankheit mit ähnlichen klinischen Symptomen ist das TNF-Rezeptor-assoziierte periodische Syndrom (TRAP-Syndrom ). Ursache sind Mutationen in einem anderen Gen, das den TNF-α-Rezeptor TNFR1 codiert. Patienten mit TRAPS exprimieren weniger TNFR1 , sodass im Kreislauf eine größere Menge des proinflammatorischen TNF-α vorhanden ist, da aufgrund der fehlenden Bindung an den Rezeptor auch keine Regulation mehr stattfindet. Diese Krankheit lässt sich mit einer therapeutischen Blockade durch Anti-TNF-Faktoren (beispielsweise Etanercept ) behandeln. Dies ist ein löslicher TNF-Rezeptor, der zuerst für die Behandlung von Patienten mit rheumatoider Arthritis (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_16#Sec9) entwickelt wurde. Mutationen im Gen für das Protein PSTPIP1 (proline-serine-threonine phosphatase-interacting protein 1) , das mit Pyrin in Wechselwirkung tritt, hängen mit einem anderen dominant vererbbaren autoinflammatorischen Syndrom zusammen – pyogene Arthritis, Pyoderma gangraenosum und Akne (PAPA-Syndrom ). Durch die Mutationen verstärkt sich die Bindung zwischen Pyrin und PSTPIP1, und man vermutet, dass Pyrin durch diese Wechselwirkung ausgedünnt und in seiner normalen regulatorischen Funktion eingeschränkt wird. Die episodisch auftretenden autoinflammatorischen Erkrankungen Muckle-Wells-Syndrom und FCAS (familial cold autoinflammatory syndrome) hängen zweifellos mit einer unangebrachten Stimulation von Entzündungsreaktionen zusammen, da die Krankheiten auf Mutationen im NLRP3-Protein zurückzuführen sind. Dies ist eine Komponente des Inflammasoms, das normalerweise Schädigungen und Stresssituationen einer Zelle registriert, die von einer Infektion herrühren (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_3#Sec10). Die Mutationen führen dazu, das NLRP3 ohne solche Reize aktiviert wird und es zu einer unkontrollierten Produktion von proinflammatorischen Cytokinen kommt. Patienten mit diesen dominant vererbbaren Syndromen zeigen episodisch auftretendes Fieber, das im Fall des FACS-Syndroms durch Aufenthalt in der Kälte ausgelöst wird. Außerdem kommt es zu juckenden Hautausschlägen, Gelenkschmerzen und einer Bindehautentzündung. Mutationen im NLRP3-Gen stehen auch im Zusammenhang mit einer anderen autoinflammatorischen Erkrankung, dem CINCA-Syndrom (chronic infantile neurologic cutaneous and articular syndrome). Dabei treten häufig kurze, sich wiederholende Fieberschübe auf, wobei schwere Gelenksymptome sowie neurologische und dermatologische Symptome vorherrschend sind. Sowohl Pyrin als auch NLRP3 werden vor allem von Leukocyten und von Zellen exprimiert, die als angeborene Barrieren für Pathogene fungieren, beispielsweise die Epithelzellen des Darms. Die Signale, die Pyrin und verwandte Moleküle beeinflussen, sind unter anderem inflammatorische Cytokine und mit Stress verbundene Veränderungen in den Zellen. Das Muckle-Wells-Syndrom spricht stark auf den Wirkstoff Anakinra an, ein Antagonist des IL-1-Rezeptors. Durch die Transplantation von hämatopoetischen Stammzellen oder eine Gentherapie lassen sich Gendefekte beheben Fehler in der Lymphocytenentwicklung, die zum SCID-Phänotyp und zu anderen Immunschwächen führen, lassen sich häufig dadurch korrigieren, dass man die fehlerhafte Komponente ersetzt; das geschieht im Allgemeinen durch eine Transplantation von hämatopoetischen Stammzellen (HSCs) (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_15#Sec40). Die größten Schwierigkeiten bei einer solchen Therapie ergeben sich aus Polymorphismen des humanen Leukocytenantigens (human leukocyte antigen, HLA). Ein geeignetes Transplantat muss einige der HLA-Allele mit dem Empfänger gemeinsam haben. Wie in Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_8#Sec25 erläutert, bestimmen die vom Thymusepithel exprimierten HLA-Allele, welche T-Zellen selektiert werden. Transplantiert man HSC-Zellen in immundefiziente Patienten mit normalem Thymusstroma, so stammen später sowohl die T-Zellen als auch die antigenpräsentierenden Zellen aus dem Transplantat. Die T-Zellen, die im Thymusgewebe des Empfängers selektiert werden, können also nur von antigenpräsentierenden Zellen aus dem Transplantat aktiviert werden, wenn zumindest einige HLA-Allele des Transplantats mit denen des Empfängers übereinstimmen (Abb. 13.15). Es besteht auch die Gefahr, dass reife T-Zellen, die sich zwischen den übertragenen HSC-Zellen aus dem Knochenmark oder aus peripherem Blut befanden und bereits im Thymus des Spenders selektiert wurden, den Empfänger als fremd erkennen und angreifen. Dies bezeichnet man auch als Graft-versus-Host - Krankheit (graft-versus-host disease, GvHD; Transplantat-gegen-Wirt-Krankheit; Abb. 13.16, oben). Sie lässt sich vermeiden, indem man die reifen T-Zellen im Transplantat vor der Übertragung tötet. Bei Immunschwächekrankheiten, mit Ausnahme des SCID, bei denen noch restliche T-Zellen und NK-Zellen im Empfänger vorhanden sind, führt man vor der Transplantation eine myeloablative Behandlung durch, bei der das Knochenmark im Allgemeinen mithilfe von cytotoxischen Wirkstoffen zerstört wird. Das dient zum einen dazu, für die übertragenen HSC-Zellen Raum zu schaffen, und zum anderen die Gefahr einer Host-versus-Graft - Krankheit (host-versus-graft disease, HvGD; Wirt-gegen-Transplantat-Krankheit; Abb. 13.16, drittes Bild) zu minimieren. Die Intensität des myeloablativen Verfahrens hängt von der Art der Immunschwäche ab. Bei Krankheiten, bei denen ein Fortbestehen der Empfängerzellen toleriert werden kann, genügt schon die Übertragung einer Fraktion der Spenderzellen für die Heilung und eine nichtmyeloablative Chemotherapie vor der HSC-Transplantation ist möglicherweise ausreichend. Bei anderen Erkrankungen, beispielsweise beim XLP-Syndrom, bei denen die Blutzellen des Empfängers vollkommen beseitigt werden müssen und eine vollständige Übertragung der Spenderzellen benötigt wird, ist wahrscheinlich eine intensivere (myeloablative) Chemotherapie angebracht. Da inzwischen viele spezifische Gendefekte identifiziert wurden, besteht auch alternativ die Möglichkeit einer somatischen Gentherapie . Dabei isoliert man HSC-Zellen aus dem Knochenmark oder dem peripheren Blut des Patienten, führt in diese mithilfe eines viralen Vektors eine normale Kopie des defekten Gens ein und überträgt die veränderten Stammzellen wieder auf den Patienten. Für die ersten Versuche der Gentherapie hat man retrovirale Vektoren verwendet, hörte damit aber auf, als es bei einigen Patienten zu schweren Komplikationen kam. Es war zwar gelungen, bei den Patienten durch eine solche Behandlung den genetischen Defekt zu beheben, etwa beim X-gekoppeltem SCID , bei chronischer Granulomatose oder beim Wiskott-Aldrich-Syndrom, aber einige Patienten entwickelten dann eine Leukämie, da sich das Retrovirus in ein Protoonkogen integriert hatte. Da sich die Stelle im Genom nicht kontrollieren ließ, an der die im Retrovirus codierten Gene eingefügt wurden, und man virale Vektoren mit starken Promotoren verwendete, die benachbarte Gene transaktivieren können, erwies sich das Verfahren als problematisch. In jüngerer Zeit hat man sich selbst inaktivierende retrovirale oder lentivirale Vektoren für solche Genkorrekturen eingesetzt, wodurch sich diese Komplikation vermeiden lässt. Ein anderes Verfahren ist die Erzeugung von induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen ) aus den somatischen Zellen des Patienten. Durch die erzwungene Expression bestimmter Transkriptionsfaktoren lassen sich die somatischen Zellen zu pluripotenten Vorläuferzellen umprogrammieren, aus denen HSC-Zellen hervorgehen können. Es besteht die Hoffnung, dass sich mithilfe dieses Ansatzes spezifische defekte Gene in Stammzellen, die aus dem Patienten isoliert wurden, gezielt ex vivo reparieren lassen, um dann die Zellen wieder auf den Patienten zu übertragen. Das Verfahren ist allerdings noch nicht etabliert. Solange es keine besseren Verfahren für die Einführung korrigierter Gene in sich selbst erneuernde Stammzellen gibt, bleibt die allogene HSC-Übertragung die vorwiegende Behandlungsmethode für viele primäre Immunschwächen. Nichtvererbbare, sekundäre Immunschwächen sind die bedeutendsten Prädispositionen für Infektionen mit Todesfolge Durch die primären Immunschwächen konnten wir viel über die Biologie der spezifischen Proteine des Immunsystems erfahren. Glücklicherweise sind diese Erkrankungen selten. Die sekundäre Immunschwäche ist hingegen relativ weit verbreitet. Der Mangelernährung fallen weltweit viele Menschen zum Opfer und ein Hauptmerkmal von Mangelernährung ist die sekundäre Immunschwäche. Das betrifft vor allem die zellvermittelte Immunität, und bei Hungersnöten sind viele Todesfälle auf Infektionen zurückzuführen. Die Krankheit Masern , die selbst eine Immunsuppression herbeiführt, ist eine bedeutende Todesursache bei unterernährten Kindern. In den Industrienationen sind Masern eine unangenehme Krankheit, aber nur selten kommt es zu größeren Komplikationen. Bei Unterernährung führen Masern jedoch zu einer hohen Sterblichkeitsrate. Auch Tuberkulose ist eine ernstzunehmende Krankheit bei unterernährten Menschen. Bei Mäusen führt ein Proteinmangel zu einer Immunschwäche, die die Funktion der antigenpräsentierenden Zellen beeinträchtigt. Beim Menschen ist jedoch nicht geklärt, wie Unterernährung speziell die Immunantworten beeinflusst. Verbindungen zwischen dem endokrinen System und dem Immunsystem sollten teilweise eine Rolle spielen. Adipocyten (Fettzellen) produzieren das Hormon Leptin und der Leptinspiegel hängt direkt mit der im Körper vorhandenen Fettmenge zusammen. Bei Hunger nimmt der Leptinspiegel ab, wenn das Fett verbraucht wird. Sowohl Mäuse als auch Menschen mit einem genetisch bedingten Leptinmangel zeigen geringere T-Zell-Reaktionen, bei Mäusen kommt es zu einer Thymusatrophie. Sowohl bei hungernden Mäusen als auch bei Mäusen mit einem vererbten Leptinmangel lassen sich die Anomalien durch eine Leptingabe aufheben. Sekundäre Immunschwächen gehen auch mit hämatopoetischen Tumoren einher, etwa mit Leukämien und Lymphomen. Myeloproliferative Erkrankungen, beispielsweise Leukämie , können mit einem Mangel an neutrophilen Zellen (Neutropenie) oder einem Überschuss an unreifen myeloischen Vorläuferzellen, denen die funktionellen Eigenschaften der reifen Neutrophilen fehlen, verbunden sein. In beiden Fällen erhöht sich jeweils die Anfälligkeit gegenüber Infektionen durch Bakterien und Pilze. Die Zerstörung der peripheren lymphatischen Gewebe oder das Eindringen von Lymphomen oder Metastasen anderer Krebsarten in diese Gewebe kann opportunistische Infektionen befördern. Eine angeborene Asplenie (ein selten auftretendes, vererbbares Fehlen der Milz), das chirurgische Entfernen der Milz oder die Zerstörung der Milzfunktion durch bestimmte Erkrankungen führt zu einer lebenslangen Prädisposition für überbordende Infektionen mit S. pneumoniae. Dies veranschaulicht die Bedeutung der mononucleären phagocytotischen Zellen in der Milz für die Beseitigung dieser Mikroorganismen im Blut. Patienten, die die Milzfunktion verloren haben, sollten gegen Infektionen mit Pneumokokken geimpft werden. Häufig wird ihnen auch empfohlen, zur Vorbeugung lebenslang Antibiotika einzunehmen. Sekundäre Immunschwäche n bilden auch eine Komplikation bei bestimmten medizinischen Therapieformen. Eine wesentliche Komplikation bei cytotoxischen Wirkstoffen, die bei einer Krebstherapie verabreicht werden, ist die Immunsuppression und die erhöhte Anfälligkeit für Infektionen. Viele dieser Wirkstoffe töten sich teilende Zellen, einschließlich der normalen Zellen des Knochenmarks und des Lymphsystems. Infektionen sind deshalb eine bedeutsame Nebenwirkung von Therapien mit cytotoxischen Wirkstoffen. Auch die Immunsuppression, mit der man die Toleranz des Empfängers gegenüber einem transplantierten soliden Organ herbeiführen will, etwa bei Nieren- oder Herztransplantationen, bringt ein grundlegendes Risiko für Infektionen und auch für maligne Erkrankungen mit sich. Die seit neuerer Zeit praktizierte biologische Therapie für einige Formen der Autoimmunität führt aufgrund ihrer immunsuppressiven Wirkung ebenfalls zu einem erhöhten Infektionsrisiko. Wenn man beispielsweise einem Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis oder anderen Formen von Autoimmunität Antikörper verabreicht, die TNF-α blockieren, kann es zwar nicht sehr häufig, aber dennoch vermehrt, zu infektiösen Komplikationen kommen. Zusammenfassung Gendefekte können nahezu alle Moleküle betreffen, die an der Immunreaktion beteiligt sind. Sie verursachen charakteristische Immunschwächekrankheiten, die zwar sehr selten sind, aus denen wir aber viel über die normale Entwicklung und Funktion des Immunsystems beim gesunden Menschen lernen können. Die erblichen Immunschwächekrankheiten verdeutlichen die elementare Rolle, die die adaptive Immunantwort und besonders die T-Zellen spielen, ohne die sowohl die zelluläre als auch die humorale Immunantwort versagen. Die Krankheiten haben uns gezeigt, welche Rolle die B-Lymphocyten bei der humoralen und die T-Lymphocyten bei der zellulären Immunantwort spielen, welche Bedeutung die Phagocyten und das Komplementsystem für die humorale und die angeborene Immunantwort besitzen und welche speziellen Funktionen Zelloberflächen- oder Signalmoleküle bei der adaptiven Immunantwort erfüllen, wobei von diesen Molekülen immer mehr bekannt werden. Es gibt viele erbliche Immunschwächekrankheiten, deren Ursache wir noch nicht kennen. Die Erforschung dieser Krankheiten wird unser Wissen über die normale Immunantwort und ihre Regulation zweifellos weiter vertiefen. Erworbene Schädigungen des Immunsystems, die sekundären Immunschwächen, sind viel häufiger als die primären erblichen Immunschwächen. In den nächsten Abschnitten wollen wir uns kurz mit den allgemeinen Mechanismen beschäftigen, durch die Pathogene der Immunabwehr erfolgreich entkommen oder diese unterwandern. Anschließend werden wir im Einzelnen besprechen, wie ein einziges Pathogen, das humane Immunschwächevirus (HIV), das Immunsystem auf extreme Weise untergräbt und eine bedeutsame Pandemie hervorgerufen hat, die sich bei den Betroffenen in Form des Syndroms der erworbenen Immunschwäche (AIDS) manifestiert. Wie die Immunabwehr umgangen und unterwandert wird Im vorherigen Abschnitt haben wir uns damit beschäftigt, wie Mikroorganismen, die von einem gesunden Immunsystem abgewehrt würden, aufgrund von spezifischen Defekten in den Reaktionswegen der Immunität Infektionen hervorrufen. Diese opportunistischen Infektionen bestimmen häufig das klinische Bild von vererbbaren Immunantworten, da die auslösenden Organismen ubiquitär und in großer Zahl in der Umwelt vorkommen. Eine Minderzahl von Mikroorganismen sind echte Pathogene , die auch Individuen mit einer normalen Immunantwort infizieren können. Eine grundlegende Eigenschaft von Pathogenen besteht darin, dass sie der eigenen Vernichtung durch Komponenten des angeborenen und des adaptiven Immunsystems entgehen können, zumindest lange genug, um sich im infizierten Wirt zu vermehren und auf weitere Wirte übertragen zu werden. An einem Ende des Spektrums stehen Pathogene, die eine akute Infektion verursachen, sich schnell vermehren und einen neuen Wirt finden, bevor sie von einer erfolgreichen Immunantwort beseitigt werden. Am anderen Ende dieses Spektrums stehen Pathogene, die chronische Infektionen hervorrufen, lange Zeit im Körper überdauern, während sie der Vernichtung durch die Immunabwehr entgehen. Erfolgreiche Pathogene nutzen verschiedene Strategien, diese Enden zu erreichen, und in Millionen von Jahren der gemeinsamen Evolution hat sich eine bemerkenswerte Vielzahl von Strategien entwickelt, durch die Mikroorganismen der Entdeckung und Zerstörung durch das Immunsystem ausweichen können. Häufig handelt es sich um mehrere Mechanismen, durch die sich die Immunität an verschiedenen Stellen unterlaufen lässt. Die Antiimmunstrategien , derer sich Krankheitserreger bedienen, sind genauso komplex wie das Immunsystem selbst. Jedes Pathogen muss solche Mechanismen besitzen, um gegen die vielfältigen Strategien der Immunabwehr, die die Vertebraten im Lauf der Evolution entwickelt haben, erfolgreich bestehen zu können. Viren, Bakterien und parasitische (einzellige) Protozoen oder (vielzellige) Metazoen können als Krankheitserreger wirken. Pilze und Helminthen (Metazoen) sind die hauptsächlichen Ursachen von weit verbreiteten Infektionen der Haut beziehungsweise der Besiedlung des Darms mit Würmern. Sie führen bei gesunden Personen normalerweise nicht zu lebensbedrohlichen Infektionen und werden deshalb hier nicht besprochen. Andererseits gibt es eine Reihe bestimmter Viren, Bakterien und parasitischer Protozoen, die hauptsächlich zu Krankheit und Tod führen. Die drei größten Bedrohungen des Menschen bei Infektionskrankheiten sind AIDS (verursacht durch das humane Immunschwächevirus, HIV ), Tuberkulose (Mycobacterium tuberculosis ) und Malaria (Plasmodium falciparum ). Jeder dieser Krankheitserreger infiziert jedes Jahr weltweit über 100 Mio. Menschen, wobei eine bis zwei Millionen dadurch sterben. Die Strategien der einzelnen Pathogene, in einem Wirt zu überleben beziehungsweise sich von einem Wirt zum nächsten auszubreiten, sind zwar unterschiedlich, aber viele der angeborenen und adaptiven Immunmechanismen, mit denen diese Pathogene bekämpft werden, stimmen überein. Hier wollen wir uns kurz mit den Lebensweisen der verschiedenen Pathogene und der gegen sie gerichteten grundlegenden Immunantworten und den Strategien der Pathogene befassen, mit denen sie das Immunsystem unterlaufen. Extrazelluläre pathogene Bakterien haben unterschiedliche Strategien entwickelt, um der Entdeckung durch Mustererkennungsrezeptoren und der Zerstörung durch Antikörper, das Komplementsystem und antimikrobielle Peptide zu entkommen Extrazelluläre pathogene Bakterien vermehren sich außerhalb der Wirtszellen, entweder auf den Oberflächen von Gewebebarrieren, die sie besiedeln (beispielsweise im Gastrointestinaltrakt oder in den Atemwegen), oder innerhalb von Geweben oder im Blut, nachdem eine Invasion die Gewebebarrieren überwunden hat. Es gibt sowohl unter den gramnegativen als auch den grampositiven Bakterien pathogene Spezies, die vor allem Immunreaktionen vom Typ 3 hervorrufen (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_11#Sec12). Dabei kommt es zu Reaktionen der neutrophilen Zellen, opsonisierende und komplementbindende Antikörper werden gebildet und Zellen der Gewebebarrieren und der Immunzellen produzieren antimikrobielle Peptide, die diese Mikroorganismen auf den Barrieren beseitigen und eine Invasion verhindern. Einige der MAMP-Strukturen , die gramnegative und -positive Bakterien exprimieren, unterscheiden sich zwar, besitzen aber ähnliche Eigenschaften bei der Aktivierung von Immunzellen. Gramnegative Pathogene enthalten in ihrer äußeren Zellmembran LPS, einen starken Aktivator für TLR-4 , während die Zellwand von grampositiven Pathogenen Peptidoglykane enthalten, die TLR-2 sowie NOD1 und NOD2 aktivieren. Eine Strategie dieser Pathogene, dem Immunsystem auszuweichen, besteht darin, die Oberflächen-MAMPs abzuschirmen, sodass sie von den Mustererkennungsrezeptoren der Immunzellen nicht erkannt werden können (Abb. 13.17). Verschiedene gramnegative Pathogene verändern den Lipid-A-Kern ihres LPS mit Kohlenhydraten und anderen chemischen Gruppen, die die Bindung durch TLR-4 stören. Einige Bakterien produzieren sogar Varianten von Lipid A, die nicht mehr als Agonisten, sondern als Antagonisten von TLR-4 wirken. Bestimmte grampositive Pathogene haben Mechanismen entwickelt, die Erkennung der Peptidoglykane durch die NOD-Rezeptoren zu verändern, oder sie produzieren Hydrolasen, die Peptidoglykane abbauen. Eine gewisse Zahl grampositiver Pathogene kann die äußere Zellmembran durch eine dicke Kapsel aus Kohlenhydraten schützen. Die Kapsel verhindert nicht nur die Erkennung der Peptidoglykane und die Aktivierung des alternativen Komplementwegs, sondern blockiert auch die Ablagerung von Antikörpern und Komplementproteinen auf der bakteriellen Oberfläche und damit eine direkte Schädigung durch den membranangreifenden Komplex in der Komplementkaskade. Die Kapsel behindert auch die Beseitigung der Pathogene durch Phagocyten (Abb. 13.17). Bei Streptococcus pneumoniae , einem wichtigen Erreger der bakteriellen Lungenentzündung , unterliegt die Kapsel auch einer Antigenvariabilität , durch die sich die exprimierten Antigenepitope, die von Antikörpern erkannt werden, verändern. Von S. pneumoniae kennt man inzwischen über 90 Varianten, deren Polysaccharidkapseln unterschiedliche Strukturen besitzen. Die verschiedenen Varianten lassen sich durch die Verwendung spezifischer Antikörper unterscheiden, die man als Reagenzien in serologischen Tests verwendet. Man bezeichnet diese Varianten häufig auch als Serotypen . Die Infektion mit einem bestimmten Serotyp kann zu einer serotypspezifischen Immunität führen, die vor einer erneuten Infektion mit diesem Typ schützt, nicht aber vor einem anderen Serotyp. Für das adaptive Immunsystem ist jeder Serotyp von S. pneumoniae ein eigener Organismus. Das führt dazu, dass das gleiche Pathogen die gleiche Krankheit mehrere Male in einem Individuum auslösen kann (Abb. 13.18). In ähnlicher Weise kann es auch aufgrund von DNA-Umlagerungen in den Bakterien zu einer Antigenvariabilität kommen. Das ist einer der Gründe für den Erfolg der enteropathogenen E. coli-Bakterien oder der Neisseria-Spezies, die Gonorrhö und Meningitis verursachen. An der bakteriellen Oberfläche werden auch Fimbrien (Pili) exprimiert, die den Bakterien dazu dienen, sich an die Oberfläche der Wirtszellen zu heften. Sie sind zudem wichtige Zielstrukturen für die antikörpervermittelte Blockade, die das Anheften der Bakterien und eine Besiedlung des Gewebes verhindert. Der Genlocus, der den jeweils exprimierten Pilus von Neisseria codiert (pilE), kann mit partiellen Pilingenen, die in „stillen“ (pilS-)Loci liegen, rekombinieren, sodass an der bakteriellen Oberfläche ein sich ständig verändernder Pilus exprimiert wird. Dadurch kann das Bakterium der antikörpervermittelten Immunantwort entkommen. Zu den Antiimmunstrategien der extrazellulären Pathogene gehören Mechanismen, die die C3-Konvertase der Komplementkaskade inaktivieren, außerdem die Expression von Fc-bindenden Proteinen, die die funktionelle Antikörperbindung an das Bakterium (beispielsweise Protein A) und die Bestückung der bakteriellen Oberfläche mit Komplementinhibitoren des Wirtes (beispielsweise Faktor H) verhindern. Diese Bakterien haben auch Mechanismen zur Abwehr von antimikrobiellen Peptiden (AMPs; etwa Defensine und Cathelicidine ) entwickelt. Diese kleinen kationischen und amphipathischen Peptide besitzen eine wirksame antimikrobielle Aktivität, indem sie sich in negativ geladene Zellmembranen einfügen und dort Poren erzeugen, die das Bakterium lysieren. Pathogene können allerdings ihre Membranzusammensetzung verändern, um die AMP-Bindung möglichst gering zu halten. Auch können sie Proteasen erzeugen, die die Peptide abbauen. Eine ungewöhnliche Eigenschaft von gramnegativen Pathogenen, die sowohl die extrazellulären als auch die intrazellulären Bakterien betrifft, besteht darin, dass sie eigene immunmodulierende Proteine über spezielle Strukturen – Sekretionssysteme der Typen III und IV (T3SS bzw. T4SS ) – direkt in Wirtszellen injizieren können (Abb. 13.19). Diese nadelförmigen Strukturen (Injektisomen) lagern sich auf der bakteriellen Oberfläche zusammen und bilden einen Kanal, durch den bakterielle Proteine direkt in das Cytosol der Zielzellen übertragen werden. Durch diesen Mechanismus wird eine Reihe von bakteriellen Virulenzfaktoren übertragen, die dazu beitragen, die Immunantwort des Wirtes zu untergraben, beispielsweise bakterielle Faktoren, die entscheidende Kaskaden der Entzündungsreaktion blockieren, etwa NFκB und die MAP-Kinasen. Besonders hervorzuheben sind dabei die äußeren Proteine von Yersinia pestis (Yersinia outer proteins, Yops ), dem Erreger der Beulenpest. Die Freisetzung von mehreren dieser Faktoren (etwa YopH, YopE, YopO und YopT) in die Phagocyten zerstört das Actincytoskelett, das für die Phagocytose essenziell ist. Die Bedeutung des T3SS- und des T4SS-Systems bei der Untergrabung der Immunantwort durch eine Reihe gramnegativer Pathogene zeigt sich daran, dass bei mutierten Bakterien, denen Komponenten dieser Strukturen fehlen, auch die Pathogenität verloren geht. Intrazelluläre pathogene Bakterien können dem Immunsystem entkommen, indem sie innerhalb der Phagocyten Schutz suchen Einige pathogene Bakterien haben spezielle Mechanismen entwickelt, durch die sie den wichtigsten Effektoren, die gegen extrazelluläre Bakterien gerichtet sind – Komplementproteine und Antikörper – ausweichen können, indem sie im Inneren von Makrophagen überleben und diese Phagocyten als ihre primäre Wirtszelle, aber auch als Mittel zur weiteren Ausbreitung im Wirt nutzen. Dieser Strategie eines Trojanischen Pferdes liegen drei allgemeine Mechanismen zugrunde: Blockade der Fusion von Phagosomen mit Lysosomen, Ausbruch aus dem Phagosom in das Cytosol, Resistenz gegen die Tötungsmechanismen im Phagolysosom. So wird beispielsweise Mycobacterium tuberculosis von Makrophagen aufgenommen, verhindert aber die Fusion des Phagosoms mit dem Lysosom und schützt sich so vor der bakteriziden Wirkung der lysosomalen Inhaltsstoffe. Andere Mikroorganismen, etwa das Bakterium Listeria monocytogenes , können dem Phagosom entkommen und gelangen in das Cytoplasma des Makrophagen , wo sie sich vermehren. Sie breiten sich dann im Gewebe auf benachbarte Zellen aus, ohne dass sie in der extrazellulären Umgebung in Erscheinung treten. Sie nutzen dafür das Protein Actin des Cytoskeletts, das sich an der Rückseite der Bakterien zu Filamenten zusammenlagert. Die Actinfilamente schieben die Bakterien in vakuoläre Fortsätze, die in benachbarte Zellen hineinreichen. Die Vakuolen werden dann von Listeria lysiert, sodass die Bakterien in das Cytoplasma der angrenzenden Zelle gelangen. Darüber hinaus kann Listeria auch die Bildung von bakterienhaltigen Blasen an der Oberfläche infizierter Zellen auslösen. Diese Blasen exprimieren in der äußeren Membranschicht Phosphatidylserin. Dieses Membranphospholipid kommt normalerweise nur in der inneren Membranschicht vor und wird normalerweise, wenn es in der äußeren Schicht erscheint, von Phagocyten als Signal für die Aufnahme von apoptotischen Zellresten erkannt. Auf diese Weise gelangt Listeria direkt in phagocytotische Zellen und entkommt so dem Angriff durch Antikörper. Nach der Aufnahme in eine Zelle verwenden Salmonella -Spezies ein Typ-III-Sekretionssystem (Abb. 13.19), um Effektoren wie SifA in das Cytosol und die Membranen der Wirtszelle zu sezernieren, sodass sich die Zusammensetzung der Vakuole, die die Salmonellen enthält, verändert, und sie so der Zerstörung entgehen. Bemerkenswert ist dabei, dass Salmonella Faktoren freisetzen kann, die das apoptotische Ende von Makrophagen des Wirtes hinauszögern können und so die Lebensdauer der Phagocyten verlängern, bis die bakterielle Fracht auf neue Wirtszellen übertragen werden kann. Andere Aktivitäten intrazellulärer Bakterien sind gegen die reaktiven Sauerstoffspezies oder antimikrobiellen Peptide gerichtet, die der Phagocyt, der die Bakterien aufgenommen hat, in das Phagolysosom freisetzt. Als eine Art Kompromiss für ihre Lebensweise gehen intrazelluläre Bakterien das Risiko ein, dass sie Immuneffektoren aktivieren, die speziell diese Pathogene zum Ziel haben: NK-Zellen und T-Zellen. Wie in Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_11#Sec7 besprochen, besteht eine Hauptfunktion der Immunantworten vom Typ 1 in der Aktivierung der NK- und der TH1-Zellen, die durch Freisetzung von IFN-γ oder Expression von CD40L Phagocyten aktivieren, ihre intrazellulären Tötungsmechanismen zu verstärken. Darüber hinaus haben die intrazellulären Pathogene wie Listeria Mechanismen entwickelt, um aus dem Phagosom zu entkommen. Sie erzeugen cytosolische Peptide, die von MHC-Klasse-I-Molekülen präsentiert werden, und induzieren so cytotoxische T-Zell-Reaktionen, die die Zielzellen zerstören. Bei Lepra , einer Krankheit, die durch eine Infektion der Haut und der peripheren Nerven mit Mycobacterium leprae hervorgerufen wird, ist für eine wirksame Immunabwehr die Aktivierung von Makrophagen durch NK- und TH1-Zellen erforderlich (Abb. 13.20). M. leprae kann wie M. tuberculosis in Vesikeln von Makrophagen überleben und sich vermehren und wird normalerweise von Typ-1-Reaktionen eingedämmt, aber nicht beseitigt. Bei Patienten, die eine normale Immunantwort vom Typ 1 entwickeln, finden sich nur wenige lebende Bakterien, werden nur wenige Antikörper produziert, und die Krankheit schreitet langsam voran. Dabei werden durch die Entzündungsreaktionen, die mit der Aktivierung der Makrophagen zusammenhängen, die Haut und die peripheren Nerven geschädigt. Die Patienten bleiben jedoch im Allgemeinen am Leben. Aufgrund der Ähnlichkeiten mit der Tuberkulose bezeichnet man diese Variante als tuberkuloide Lepra . Ganz anders ist die Situation bei der lepromatösen Lepra , bei der die Typ-1-Immunantworten gegen M. leprae defekt sind und sich stattdessen eine ineffiziente Typ-2-Reaktion entwickelt. Dadurch kommt es zu einer überbordenden Vermehrung der Bakterien in den Makrophagen und zu schweren Gewebeschäden, die letztendlich zum Tod führen, wenn keine Behandlung erfolgt. Trotz der hohen Titer an antibakteriellen Antikörpern, die Patienten mit lepromatöser Lepra aufweisen, sind die Antikörper wahrscheinlich aufgrund der hohen Bakterienlast nicht in der Lage, die Infektion unter Kontrolle zu bringen, da sie die intrazellulären Bakterien nicht erreichen können. Auch parasitische Protozoen können dem Immunsystem entkommen Die meisten parasitischen Protozoen , beispielsweise Plasmodium- und Trypanosoma-Spezies, haben komplexe Lebenszyklen, die sich teilweise im Menschen und teilweise in einem Zwischenwirt abspielen, beispielsweise in einem arthropodischen Vektor (etwa Stechmücken, Fliegen oder Zecken). Die Übertragung dieser Organismen über einen Zwischenwirt ist ungewöhnlich, da die normalen Barrieren gegen eine Infektion umgangen werden, wenn der Erreger über einen Insektenstich oder die Blutaufnahme durch ein Insekt direkt in das Blut eingebracht wird. Auf diese Weise werden viele der normalen angeborenen Mechanismen der Immunabwehr während einer Infektion vollständig umgangen. Darüber hinaus haben die erfolgreichsten dieser Organismen komplexe und variable Strategien entwickelt, um der Immunabwehr zu entgehen. Häufig entwickeln sich dadurch chronische „Versteckspiel“-Infektionen, die durch periodisch auftretende Krankheitsschübe gekennzeichnet sind, obwohl dabei antikörpervermittelte und zelluläre Immunantworten ausgelöst werden. Trypanosoma brucei, der Erreger der Trypanose oder Schlafkrankheit , hat wie einige oben beschriebene pathogene Bakterien (Abschn. 13.2.1) eine erstaunliche Variabilität der Antigene entwickelt, um der Antikörperreaktion zu entgehen, die in infizierten Menschen ausgelöst wird. Die Trypanosomen sind von einem einzigen Typ von Glykoproteinen, dem variantenspezifischen Glykoprotein (VSG), umhüllt. Dieses löst eine starke schützende Antikörperreaktion aus, durch die die meisten Parasiten schnell beseitigt werden. Das Genom der Trypanosomen enthält jedoch etwa 1000 VSG-Gene, die jeweils ein Protein mit etwas anderen Antigeneigenschaften codieren. Ein VSG-Gen wird exprimiert, indem es in einer aktiven Expressionsstelle im Genom der Trypansosomen platziert wird. Es wird immer nur ein VSG-Gen auf einmal exprimiert und es kann durch eine Genumlagerung ausgetauscht werden, die ein neues VSG-Gen zur Expressionsstelle befördert (Abb. 13.21). Unter dem Selektionsdruck der wirksamen Antikörperreaktion des Wirtes können die wenigen Trypanosomen der Population, die ein anderes VSG exprimieren, der Vernichtung entgehen und sich vermehren, sodass die Krankheit erneut ausbricht (Abb. 13.21, unten). Dann werden Antikörper gegen das neue VSG produziert und der ganze Zyklus wiederholt sich. So kommt es zu einem Zyklus aus aktiver und ruhender Krankheit. Die chronischen Zyklen der Antigenbeseitigung führen zu Schäden durch die Immunkomplexe und zu einer Entzündung, schließlich sogar zu neurologischen Störungen. Am Ende fallen die Betroffenen ins Koma, daher die Bezeichnung Schlafkrankheit. Durch diese Zyklen des Ausweichens der Krankheitserreger fällt es dem Immunsystem schwer, eine Infektion mit Trypanosomen zu bekämpfen, die deshalb in Afrika ein schwerwiegendes Gesundheitsproblem darstellen. Die von Plasmodium -Spezies verursachte Malaria ist eine weitere schwere und weit verbreitete Krankheit. Die Plasmodien verändern wie Trypanosoma brucei ständig ihre Antigene und entgehen so ebenfalls der Vernichtung durch das Immunsystem. Darüber hinaus durchlaufen die Plasmodien einzelne Phasen ihres Lebenszyklus beim Menschen in verschiedenen Typen von Wirtszellen. Die Infektion erfolgt zuerst in der Sporozoitenform des Organismus, die durch den Stich einer infizierten Mücke übertragen wird und die Hepatocyten der Leber zum Ziel hat. Hier vermehrt sich der Organismus sehr schnell und produziert Merozoiten , die aus den infizierten Hepatocyten hervorbrechen und nun zirkulierende rote Blutzellen infizieren. Während das Immunsystem damit befasst ist, den Parasiten in der Leber zu beseitigen, macht dieser eine Metamorphose durch und entkommt dabei in den zweiten Wirtszelltyp, die roten Blutkörperchen. Da die Erythrocyten die einzigen Körperzellen sind, die keine MHC-Klasse-I-Moleküle besitzen, werden die Antigene, die die Merozoiten in den infizierten roten Blutkörperchen produzieren, nicht von CD8-T-Zellen erkannt, sodass eine cytotoxische Zerstörung der infizierten Zellen unterbleibt. Dies ist ein besonders hoch entwickelter Anpassungsmechanismus, um der zellulären Immunität auszuweichen. Auch die parasitischen Protozoen von Leishmania major unterwandern das Immunsystem . Sie werden durch den Stich der Sandmücke (Phlebotomus papatasii ) übertragen und sind obligat intrazelluläre Parasiten, die sich innerhalb der Gewebemakrophagen vermehren. Wie bei den übrigen intrazellulären Pathogenen, die sich in phagocytotischen Vesikeln aufhalten, hängt die Beseitigung einer Infektion mit L. major von einer Typ-1-Immunantwort ab. Mithilfe noch nicht vollständig bekannter Mechanismen blockiert L. major spezifisch die Produktion von IL-12 durch die Wirtsmakrophagen, verhindert so die Produktion von IFN-γ durch die NK-Zellen und hemmt auch die Differenzierung und Funktion der TH1-Zellen. Darüber hinaus hat man festgestellt, dass L. major die IL-10-produzierenden Treg-Zellen aktiviert, die eine Beseitigung der Infektion unterdrücken. RNA-Viren verfügen über verschiedene Mechanismen der Antigenvariabilität, durch die sie dem adaptiven Immunsystem immer einen Schritt voraus sind Viren sind sowohl die einfachsten als auch die vielfältigsten Krankheitserreger. Sie können sich nur in lebenden Zellen vermehren und sind von dem zellulären Apparat der Wirtszelle für die eigene Vermehrung und Verbreitung abhängig. Als obligat intrazelluläre Pathogene aktivieren sie intrazelluläre Mustererkennungsrezeptoren (PRRs), die das genetische Material der Viren erkennen und cytolytische Immunreaktionen der angeborenen und der adaptiven Immunzellen – der NK-Zellen beziehungsweise der CD8-T-Zellen – hervorrufen. Sie lösen auch Typ-I-Interferon-Reaktionen aus, die intrinsische zelluläre Mechanismen aktivieren und dadurch die Replikation der Viren in den infizierten und nichtinfizierten Zellen begrenzen. Zwar produzieren viele Zellen Typ-I-Interferone, aber die plasmacytoiden dendritischen Zellen sind als angeborene Sensorzellen darauf spezialisiert, bereits in einer frühen Phase der Virusinfektion Typ-I-Interferone in großen Mengen zu erzeugen. Sie spielen zusammen mit den NK-Zellen eine zentrale Rolle bei der frühen Immunabwehr von Viren, noch bevor die adaptive Immunantwort herangereift ist. Letztere umfasst alle Bereiche der adaptiven Immunität. Das ist zum einen die Induktion der TH1-Zellen, die die Produktion von opsonisierenden und komplementbindenden virusspezifischen Antikörpern unterstützen, die dann verhindern, dass die Viren in nichtinfizierte Zellen eindringen. Zum anderen wird das Komplementsystem aktiviert, das behüllte Viren zerstören kann, und es werden cytolytische CD8-T-Zellen aktiviert, die virusinfizierten Zellen zu töten und IFN-γ zu produzieren. Die Strategien der Viren, die Immunabwehr zu bekämpfen, sind genauso vielfältig wie die Pathogene selbst. Einige allgemeine Strategien hängen jedoch mit der Art des Virusgenoms zusammen. RNA-Viren müssen ihre Genome mithilfe einer RNA-Polymerase replizieren, die jedoch nicht die Korrekturlesefunktion der DNA-Polymerase enthält. Eine Folge besteht darin, dass RNA-Viren eine höhere Mutationsrate aufweisen als DNA-Viren, was dazu führt, dass RNA-Viren keine großen Genome umfassen können. Dadurch ist es ihnen jedoch andererseits möglich, ihre Antigenepitope, gegen die eine adaptive Immunantwort gerichtet ist, schnell zu verändern. So verfügen sie über einen Mechanismus, dem Immunsystem zu entkommen. Darüber hinaus enthalten RNA-Viren segmentierte Genome, sodass sie sich bei der Virusreplikation selbst neu zusammensetzen können. Das Influenzavirus nutzt alle beiden Mechanismen. Es handelt sich um ein weit verbreitetes Pathogen, das saisonal auftritt und akute Infektionen hervorruft. Es hat auch schon mehrere große Pandemien verursacht. Zu einem beliebigen Zeitpunkt ist immer nur ein einziger Virustyp für alle Influenzafälle weltweit verantwortlich. Die menschliche Population entwickelt allmählich einen Immunschutz gegen diesen Virustyp, vor allem durch die Produktion neutralisierender Antikörper, die gegen das virale Hämagglutinin , das Hauptprotein auf der Oberfläche des Influenzavirus, gerichtet sind. Da das Virus von den immun gewordenen Individuen schnell beseitigt wird, bestünde die Gefahr, dass keine potenziellen Wirte mehr verfügbar sind, aber das Virus nutzt beide Mutationsmechanismen und kann dadurch seinen Antigentyp verändern (Abb. 13.22). Der erste dieser Mechanismen ist die Antigendrift , die durch Punktmutationen in den Genen hervorgerufen wird, die Glykoproteine – Hämagglutinin und Neuraminidase – an der Oberfläche des Virus codieren. Alle zwei bis drei Jahre bildet sich so eine neue Variante des Grippevirus heraus, die den in der menschlichen Population vorhandenen, neutralisierenden Antikörpern durch die Mutationen entkommt. Andere Mutationen können Epitope in Virusproteinen betreffen, die von T-Zellen erkannt werden, insbesondere von den cytotoxischen CD8-T-Zellen. Das hat zur Folge, dass Zellen, die von dem mutierten Virus infiziert werden, der Zerstörung entgehen. Menschen, die gegen das ursprüngliche Influenzavirus immun sind, erweisen sich nun als anfällig für das neue Virus. Da aber die Veränderungen nicht so gravierend sind, kommt es immer noch zu einigen Kreuzreaktionen mit Antikörpern und T-Gedächtniszellen, die gegen die frühere Variante gebildet wurden, und der größte Teil der Bevölkerung verfügt weiterhin über einen gewissen Immunschutz. Deshalb verlaufen Epidemien, die auf die Antigendrift zurückzuführen sind, relativ mild. Video 13.1  Antigenveränderungen des Influenzavirus , die durch eine Neuzusammensetzung des segmentierten RNA-Genoms entstehen, bezeichnet man als Antigenshift . Dieser führt zu gravierenden Veränderungen des Hämagglutinins , das von dem Virus exprimiert wird. Antigenshifts rufen globale Pandemien mit schweren Krankheitsformen hervor, häufig auch mit einer hohen Sterberate, da das neue Hämagglutinin von den Antikörpern und T-Zellen, die gegen die frühere Variante gerichtet sind, nur schlecht oder gar nicht mehr erkannt wird. Der Antigenshift ist darauf zurückzuführen, dass sich das segmentierte RNA-Genom des humanen Influenzavirus mit Influenzaviren von Tieren in einem Wirtstier neu zusammengesetzt hat. Dabei wird das Hämagglutinin-Gen des humanen Virus durch das entsprechende Gen aus dem Tiervirus ersetzt (Abb. 13.22). Video 13.2  Das Hepatitis-C-Virus (HCV) ist ein RNA-Virus, das sowohl akute als auch chronische Infektionen in der Leber hervorrufen kann. Das Virus ist in den USA die häufigste Ursache für durch Blut übertragbare chronische Infektionen und die vorherrschende Ursache für Leberzirrhose. Das HCV besitzt wie das Influenzavirus ein großes Potenzial für Mutationen in den immunologisch relevanten Epitopen, sodass es der Vernichtung entgehen kann. Anders als beim Influenzavirus bildet jedoch das Glykoprotein E2, das für die Bindung des HCV an CD81 auf der Oberfläche der Hepatocyten zuständig ist, für die Produktion effektiver neutralisierender Antikörper ein schwieriges Ziel, da es im Bereich der Bindung an CD81 stark glykosyliert ist und insgesamt eine hohe Mutationsrate aufweist. Antikörperreaktionen gegen HCV besitzen deshalb nur eine eingeschränkte Wirksamkeit. Entsprechend entstehen durch hohe Mutationsraten in den von T-Zellen erkannten Epitopen HCV-Varianten, die den cytolytischen T-Zell-Reaktionen entkommen können. Außerdem gibt es noch Hinweise darauf, dass das HCV auch Faktoren exprimiert, die die Funktion der dendritischen Zellen untergraben und dadurch die Induktion der T-Zell-Immunität behindern. DNA-Viren verfügen über mehrere Mechanismen, durch die sie Reaktionen der NK- und CTL-Zellen unterlaufen können Von allen Pathogenen haben die DNA-Viren , die chronische Infektionen hervorrufen können, die größte Vielfalt an Mechanismen entwickelt, mit denen sie die Immunabwehr unterwandern oder ihr entkommen. DNA-Viren zeigen, anders als RNA-Viren, nur relativ niedrige Mutationsraten und sind so nur in geringerem Maß in der Lage, der Immunabwehr durch genetische Variabilität auszuweichen. Da die geringere Mutationsrate den Viren ermöglicht, viel größere Genome aufrechtzuerhalten, konnten sie eine beträchtliche Zahl von Genen derartig anpassen, dass sie damit fast jede Komponente der antiviralen Immunabwehr unterlaufen können. Das Pockenvirus, das Adenovirus und insbesondere das Herpesvirus sind alle große DNA-Viren und mit ihnen wollen wir uns hier beschäftigen. Bei diesen Viren umfassen über 50 % des Genoms solche Gene, die dazu dienen, der Immunabwehr zu entgehen. Darüber hinaus haben einige dieser Viren, insbesondere das Herpesvirus, Mechanismen entwickelt, durch die sie in einen Zustand der Latenz eintreten können, bei dem das Virus nicht aktiv repliziert wird. Im Latenzstadium verursacht das Virus keine Krankheit. Da aber keine Viruspeptide für die Beladung von MHC-Klasse-I-Molekülen erzeugt werden, sodass den cytolytischen T-Zellen das Vorhandensein des Virus nicht signalisiert werden kann, wird es auch nicht beseitigt und kann lebenslang fortdauernde Infektionen verursachen. Latente Infektionen können reaktiviert werden (Abschn. 13.2.6), was zu wiederkehrenden Erkrankungen führt. Neun von zehn Personen sind mit mindestens einem der fünf häufigsten unter den acht Typen der Herpesviren infiziert, die für Menschen relevant sind: Herpes-simplex-Virus (HSV-)1 und 2 (beide können Lippen- und Genitalherpes hervorrufen), Epstein-Barr-Virus (EBV, das die infektiöse Mononucleose hervorruft), Varicella zoster (verursacht Windpocken und Gürtelrose) sowie das Cytomegalievirus (CMV). Dabei entwickelt sich normalerweise eine lebenslang andauernde Latenzphase. Hier wollen wir die wichtigsten Mechanismen vorstellen, durch die diese Viren so erfolgreich sind (Abb. 13.23). Von zentraler Bedeutung für das langfristige Überleben dieser Viren ist die Tatsache, dass sie den CTL- und NK-Zellen entkommen können. Die Präsentation viraler Peptide durch MHC-Klasse-I-Moleküle an der Zelloberfläche signalisiert den CD8-T-Zellen, dass sie die infizierte Zelle abtöten. Viele große DNA-Viren entgehen der Immunerkennung, indem sie Proteine produzieren, die man als Immunevasine bezeichnet. Diese verhindern, dass Viruspeptid:MHC-Klasse-I-Komplexe an der Oberfläche von infizierten Zellen präsentiert werden (Abb. 13.24). Tatsächlich kennt man inzwischen für jeden wichtigen Schritt bei der Prozessierung und Präsentation von Peptid:MHC-Klasse-I-Komplexen mindestens einen viralen Inhibitor. Einige Immunevasine verhindern, dass Peptide in das endoplasmatische Reticulum gelangen, indem sie an den TAP-Transporter binden (Abb. 13.25, links). Virusproteine können auch verhindern, dass Peptid:MHC-Komplexe die Zelloberfläche erreichen, indem sie MHC-Klasse-I-Moleküle im endoplasmatischen Reticulum festhalten (Abb. 13.25, Mitte). Mehrere Virusproteine katalysieren den Abbau von neu synthetisierten MHC-Klasse-I-Molekülen durch eine sogenannte Dislokation . Dabei wird der Reaktionsweg ausgelöst, der normalerweise dazu dient, falsch gefaltete Proteine im endoplasmatischen Reticulum abzubauen, indem sie zurück in das Cytosol gebracht werden (Abb. 13.25, rechts). Da die Bildung von stabil zusammengesetzten und gefalteten Peptid:MHC-Klasse-I-Komplexen verhindert wird, leiten diese Virusproteine die Peptid:MHC-Klasse-I-Komplexe zum ERAD-System (ERAD für endoplasmic reticulum-associated degradation) um, wo sie beseitigt werden. Durch diese vielfältigen Mechanismen behindern die viralen Faktoren die Präsentation von Virusproteinen gegenüber den CTL-Zellen. Die Aktivitäten von viralen Inhibitoren sind nicht auf den MHC-Klasse-I-Weg begrenzt, man kennt jetzt auch virale Inhibitoren des MHC-Klasse-II-Prozessierungswegs. Das Ziel dieser Inhibitoren sind letztendlich die CD4-T-Zellen. Da viele Viren andere Zellen als die dendritischen Zellen angreifen, werden ihre Antigene über eine Kreuzpräsentation dennoch den CD8-T-Zellen dargeboten. Virale Mechanismen, die diesen Reaktionsweg stören, wurden bis jetzt nur unvollständig untersucht. Da die Viren aber nicht in dendritischen Zellen persistieren müssen, können sie die Erkennung und Zerstörung ihrer Wirtszellen blockieren, selbst nachdem bereits primär geprägte T-Effektorzellen gebildet wurden. NK-Zellen spielen nicht nur bei der akuten angeborenen Immunantwort auf eine Virusinfektion eine Rolle, sondern sie können auch Zellen erkennen, die von Pathogenen angeregt wurden, die Expression der MHC-Klasse-I-Moleküle herunterzufahren, sodass die CTL-Zellen die Infektion nicht erkennen können. Entsprechend haben Viren, die den MHC-Klasse-I-Weg angreifen, auch Mechanismen entwickelt, die die cytolytische Aktivität der NK-Zellen unterdrücken. Zu den Strategien gehört hier auch, dass Viren zu MHC-Klasse-I-Molekülen homologe Gegenstücke exprimieren, die an inhibitorische killerzellenimmunglobulinähnliche Rezeptoren (KIRs) und leukocyteninhibitorische Rezeptoren (LIRs) binden, wobei dies nicht der einzige Mechanismus dieser Art ist. So erzeugt beispielsweise das humane CMV das zu HLA-Klasse-I-Molekülen homologe Protein UL18 , das an LIR-1 auf NK-Zellen bindet und diesen ein inhibitorisches Signal sendet, das die Cytolyse der Zielzelle blockiert. Außerdem hat man virale Produkte gefunden, die als Antagonisten für aktivierende Rezeptoren auf NK-Zellen wirken und auch die Effektorwege der NK-Zellen blockieren.  Video 13.3 DNA-Viren haben noch andere Mechanismen entwickelt, um die Funktionen des Immunsystems zu unterlaufen. Zu diesen Mechanismen gehört die Expression von viralen homologen Cytokinen oder Chemokinen und ihren Rezeptoren. Oder es werden virale Proteine exprimiert, die Cytokine oder ihre Rezeptoren binden und so deren Aktivität blockieren. Da Typ-I- und Typ-II-Interferone bei der antiviralen Immunabwehr als Effektorcytokine eine wichtige Rolle spielen, sind viele virale Mechanismen auf eine Blockade dieser Cytokinfamilie ausgerichtet. Das kann geschehen durch die Produktion von Pseudorezeptoren oder inhibitorischen Bindungsproteinen, die Hemmung der JAK/STAT-Signale der IFN-Rezeptoren, die Hemmung der Transkription der Cytokin-Gene oder die Beeinflussung der Transkriptionsfaktoren, die von den Interferonen aktiviert werden. Einige DNA-Viren produzieren auch Antagonisten der proinflammatorischen Cytokine IL-1, IL-18 und TNF-α sowie weiterer Moleküle, und es werden virale homologe Moleküle der immunsuppressiven Cytokine erzeugt. CMV stört antivirale Reaktionen durch die Produktion von cmvIL-10, ein zu IL-10 homologes Cytokin. Es bewirkt, dass die Produktion von mehreren proinflammatorischen Cytokinen heruntergefahren wird, beispielsweise von IFN-γ, IL-12, IL-1 und TNF-α, sodass eher die toleranzfördernden und nicht die immunogenen Reaktionen der adaptiven Immunität unterstützt werden. Verschiedene Viren beeinflussen auch die Chemokinreaktionen, indem sie entweder Pseudochemokinrezeptoren oder zu Chemokinen homologe Moleküle produzieren, die die natürlichen ligandeninduzierten Signale der Chemokinrezeptoren stören. Herpes- und Pockenviren produzieren insgesamt über 40 virale Moleküle, die zu Rezeptoren homolog sind, die zur vGPCR-Superfamilie der G-Protein-gekoppelten Chemokinrezeptoren mit siebenmal die Membran durchspannender Domäne gehören. Außerdem hat man festgestellt, dass CMV chronische Infektionen hervorruft, indem es die antiviralen CD8-T-Zellen „erschöpft“. CD8-T-Zellen, die in einer solchen Situation aktiviert werden, exprimieren einen inhibitorischen Rezeptor der CD28-Superfamilie, den PD-1-Rezeptor (PD-1 für programmed death-1; Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_7#Sec29). Die Aktivierung dieses Rezeptors durch seinen Liganden PD-L1 führt zur Suppression der Effektorfunktion der CD8-T-Zellen. Die Blockade der Wechselwirkung zwischen PD-L1 und PD-1 stellt die antivirale CD8-Effektorfunktion wieder her und verringert die Viruslast. Das deutet darauf hin, dass die fortdauernde Aktivierung dieses Reaktionswegs mit der gestörten Beseitigung der Viren in Zusammenhang steht. Ein ähnlicher Mechanismus findet sich anscheinend auch bei RNA-Viren, die chronische Infektionen auslösen können, etwa beim Hepatitis-C-Virus (HCV). An dieser Stelle ist festzustellen, dass das Spektrum der von Viren entwickelten Mechanismen, durch die sie die Immunabwehr unterlaufen können, durchaus beachtlich ist, und dass die Erforschung dieser Mechanismen unsere Vorstellungen von den Beziehungen zwischen Wirt und Krankheitserreger weiterhin stark beeinflussen wird. Einige latente Viren persistieren in den lebenden Zellen, indem sie aufhören sich zu replizieren, bis die Immunität abklingt Wie bereits im vorherigen Abschnitt erwähnt, bilden die Herpesviren für den Menschen eine bedeutsame Gruppe von Viren, die latente Infektionen hervorrufen. Dabei handelt es sich um große, behüllte DNA-Viren , die dadurch gekennzeichnet sind, dass sie lebenslang andauernde Infektionen etablieren können. Wir haben uns schon mit einer Reihe von Mechanismen beschäftigt, durch die diese Viren die Immunität unterlaufen, aber sie haben auch Mechanismen entwickelt, ihr Genom im Zellkern von infizierten Zellen zeitlich unbegrenzt zu erhalten, ohne sich zu vermehren. Das Herpesvirus kann in diese lysogene Phase eintreten, die sich von der aktiven lytischen oder produktiven Phase des viralen Lebenszyklus unterscheidet, in der sich das Virus in der Wirtszelle vermehrt und diese schließlich lysiert. In der lysogenen Phase wird hingegen nur eine kleine Region des gesamten viralen Genoms exprimiert, das latenzassoziierte Transkript (LAT). LAT unterdrückt nicht nur die Expression des übrigen viralen Genoms, sondern produziert Faktoren, die in die Apoptose einer Wirtszelle eingreifen. Dadurch werden die normalen Immunmechanismen gestört, die Lebensdauer der Zelle verlängert sich und damit auch die des darin enthaltenen viralen Genoms. Ein Beispiel ist das Herpes-simplex-Virus (HSV), dass Fieberbläschen hervorruft. Es infiziert Epithelzellen und breitet sich dann über sensorische Nervenzellen aus, die die infizierte Region versorgen. Eine wirksame Immunantwort bekommt die Infektion des Epithels unter Kontrolle, aber das Virus überdauert im latenten Stadium in den sensorischen Nervenzellen. Faktoren wie Sonnenlicht, eine Bakterieninfektion oder hormonelle Veränderungen können das Virus reaktivieren , sodass es nun die Axone der sensorischen Nerven wieder abwärts wandert und das Epithelgewebe erneut infiziert (Abb. 13.26). Zu diesem Zeitpunkt wird das Immunsystem wieder aktiviert und bringt schließlich die lokale Infektion unter Kontrolle, indem die Epithelzellen getötet werden, wodurch weitere Läsionen im Gesicht entstehen. Dieser Zyklus kann sich mehrere Male wiederholen. Aus zwei Gründen bleibt das sensorische Neuron dabei immer infiziert: Erstens liegt das Virus in der Nervenzelle im latenten Stadium vor. Die Zelle produziert also nur wenige virale Proteine, sodass auch nur wenige Peptide viralen Ursprungs auf MHC-Klasse-I-Molekülen präsentiert werden können. Zweitens tragen Neuronen nur sehr wenige MHC-Klasse-I-Moleküle auf ihrer Oberfläche, sodass CD8-T-Zellen infizierte Nervenzellen nur schwer erkennen und angreifen können. Die niedrige Expressionsrate der MHC-Proteine in Neuronen ist von Vorteil: Sie verringert das Risiko, dass Neuronen, die sich nur begrenzt regenerieren können, unnötigerweise von cytotoxischen T-Zellen zerstört werden. So werden Neuronen allerdings anfällig dafür, als zelluläre Reservoirs für persistierende Infektionen zu dienen. Herpesviren treten häufig in das Latenzstadium ein. Das Varicella-zoster-Virus , das Windpocken verursacht, überdauert nach dem Ende der akuten Erkrankung in einem oder einigen wenigen Spinalganglien. Stress oder eine Immunsuppression können das Virus reaktivieren. Es breitet sich dann im Spinalnerv aus und reinfiziert die Haut, wo es eine Gürtelrose auslöst. Dabei tritt in der Hautregion, die von diesem Spinalnerv innerviert wird, wieder der typische Varicellaausschlag auf. Im Gegensatz zum Herpes-simplex-Virus, das oft reaktiviert wird, kann das Varicella-zoster-Virus nur ein einziges Mal im Leben eines immunkompetenten Wirtes reaktiviert werden. Ein weiterer Vertreter der Herpesviren , das Epstein-Barr-Virus (EBV), entwickelt bei den meisten Menschen eine persistierende Infektion. EBV geht nach einer Primärinfektion, die häufig nicht diagnostiziert wird, in den B-Zellen in die Latenzphase über. Bei einer Minderheit der infizierten Personen ist die erste akute Infektion der B-Zellen gravierender und führt zu einer Erkrankung, die man als infektiöse Mononucleose oder Pfeiffer’sches Drüsenfieber bezeichnet. EBV infiziert die B-Zellen, indem es an das CR2-Protein (CD21), eine Komponente des Corezeptorkomplexes der B-Zellen, und an MHC-Klasse-II-Moleküle bindet. Bei der Primärinfektion vermehren sich die meisten befallenen Zellen und bilden Viren. Das wiederum führt zu einer Proliferation der antigenspezifischen T-Zellen und einem Überschuss an mononucleären weißen Blutzellen, nach denen die Krankheit benannt ist. Das Virus wird von den B-Zellen freigesetzt und zerstört sie dabei; das Virus lässt sich dann aus dem Speichel isolieren. Letztlich bringen virusspezifische cytotoxische CD8-T-Zellen die Infektion unter Kontrolle, indem sie die infizierten proliferierenden B-Zellen abtöten. Einige der B-Lymphocyten sind jedoch latent infiziert; in ihnen bleibt das EBV inaktiv. Diese beiden Formen der Infektion gehen einher mit recht unterschiedlichen Expressionsmustern der Virusgene. EBV besitzt ein großes DNA-Genom, das über 70 Proteine codiert. Viele davon sind für die Replikation des Virus erforderlich und werden vom replizierenden Virus exprimiert. Sie liefern die viralen Peptide, durch die infizierte Zellen erkannt werden können. Bei einer latenten Infektion hingegen überlebt das Virus im Inneren der B-Zellen, die als Wirte dienen, ohne dass es sich repliziert, und es wird nur eine sehr begrenzte Anzahl von viralen Proteinen exprimiert. Eines davon ist das Epstein-Barr-Zellkernantigen  1 (Epstein-Barr nuclear antigen 1 , EBNA1); es dient der Erhaltung des Virusgenoms. EBNA1 interagiert so mit dem Proteasom (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_6#Sec3), dass es selbst nicht in Peptide gespalten wird, die eine Antwort der T-Zellen auslösen könnten. Latent infizierte B-Zellen lassen sich isolieren, wenn man B-Zellen von Personen kultiviert, die ihre EBV-Infektion scheinbar überwunden haben. In Abwesenheit von T-Zellen entwickeln sich latent infizierte Zellen, die das EBV-Genom noch enthalten, zu permanenten Zelllinien. In vitro entspricht dies einer Tumorgenese. In vivo können EBV-infizierte Zellen gelegentlich einer malignen Transformation unterliegen, die dann zu einem B-Zell-Lymphom, dem Burkitt-Lymphom , führt. Bei diesem Lymphom ist die Expression der Peptidtransporter TAP1 und TAP2 erniedrigt (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_6#Sec4), sodass die Zellen keine endogenen Antigene verarbeiten können, um sie durch HLA-Klasse-I-Moleküle (die humanen MHC-Klasse-I-Moleküle) zu präsentieren. Durch diesen Defekt lässt sich erklären, warum diese Tumoren dem Angriff durch cytotoxische CD8-T-Zellen entgehen. Patienten mit erworbener oder ererbter Immunschwäche in der T-Zell-Funktion tragen das Risiko, EBV-assoziierte B-Zell-Lymphome zu entwickeln, wahrscheinlich aufgrund eines Versagens der Immunüberwachung. Das Hepatitis-B-Virus (HBV, ein DNA-Virus) und das Hepatitis-C-Virus (HCV, ein RNA-Virus) infizieren die Leber und verursachen eine akute und eine chronische Hepatitis, Leberzirrhose und in einigen Fällen ein Leberzellkarzinom. Wahrscheinlich sind die Immunantworten für die Beseitigung beider Infektionen von großer Bedeutung, aber in vielen Fällen setzen HBV und HCV eine chronische Infektion in Gang. HCV infiziert zwar während der primären Infektionsphase vor allem die Leber, aber das Virus unterläuft die adaptive Immunantwort, indem es die Aktivierung und Reifung der dendritischen Zellen stört. Das führt zu einer unangebrachten Aktivierung der CD4-T-Zellen, wodurch die Differenzierung der TH1-Zellen unterbleibt. Man nimmt an, dass die Infektion auf diese Weise chronisch wird, wahrscheinlich aufgrund der fehlenden Unterstützung durch die CD4-T-Zellen für die Aktivierung der cytotoxischen CD8-T-Zellen. Es gibt Hinweise darauf, dass die Abnahme der Menge an viralen Antigenen nach einer antiviralen Therapie die Unterstützung der CD4-T-Zellen für die Funktion der cytotoxischen CD8-T-Zellen und der CD8-T-Gedächtniszellen wiederherstellt. Die verzögerte Reifung der dendritischen Zellen, die durch HCV hervorgerufen wird, führt wahrscheinlich zusammen mit einer anderen Eigenschaft des Virus zu einem synergistischen Effekt, durch den es der Immunantwort entgehen kann: Die RNA-Polymerase, die das Virus verwendet, um sein Genom zu replizieren, besitzt keine Korrekturlesefunktion. Das trägt zu einer hohen Mutationsrate des Virus und zu einer Veränderung seiner Antigeneigenschaften bei, durch die es wiederum der adaptiven Immunität entkommt. Zusammenfassung Krankheitserreger können eine immer wiederkehrende oder persistierende Infektion verursachen, indem sie die normalen Abwehrmechanismen des Wirtes umgehen oder sie unterwandern und sich dabei selbst vermehren. Es gibt viele verschiedene Strategien, um der Immunantwort zu entgehen oder sie umzufunktionieren. Antigenvariabilität, Latenz, Resistenz gegenüber einer Immunreaktion und die Unterdrückung der Immunantwort tragen zu persistierenden und medizinisch bedeutsamen Infektionen bei. In einigen Fällen ist auch die Immunantwort selbst ein Teil des Problems. Manche Pathogene nutzen die Immunreaktion dazu, sich auszubreiten, andere würden ohne die Immunantwort des Wirtes überhaupt keine Krankheit verursachen. Jeder dieser Mechanismen gibt uns einen Einblick in die Eigenschaften der Immunantwort und in ihre Schwachpunkte, und jeder macht einen anderen medizinischen Ansatz für die Vermeidung oder Behandlung einer Infektion erforderlich. Das erworbene Immunschwächesyndrom (AIDS) Die extremste Form von Immunsubversion, die durch einen Krankheitserreger verursacht wird, ist das erworbene Immunschwächesyndrom (acquired immune deficiency syndrome, AIDS ), das durch das humane Immunschwächevirus (HIV ) hervorgerufen wird. Die Krankheit führt zu einem fortschreitenden Verlust der CD4-T-Zellen, was schließlich eine hohe Anfälligkeit für opportunistische Infektionen hervorruft, sobald diese Zellen in ausreichender Zahl vernichtet wurden. Der früheste bis heute dokumentierte Nachweis einer HIV-Infektion eines Menschen erfolgte an einer Serumprobe aus Kinshasa (Demokratische Republik Kongo), die dort 1959 eingelagert wurde. Es dauerte jedoch noch bis 1981, als die ersten Fälle von AIDS offiziell gemeldet wurden. Da die Krankheit offenbar durch den Kontakt mit Körperflüssigkeiten übertragen wird, nahm man an, dass ein neues Virus die Ursache ist. 1983 wurde der Erreger HIV isoliert und identifiziert. Es gibt mindestens zwei Typen von HIV, die eng miteinander verwandt sind: HIV-1 und HIV-2 . Beide Typen werden durch sexuelle Kontakte und Blut übertragen (etwa bei einer Bluttransfusion oder durch gemeinsam benutzte Injektionsnadeln). Durch die stärkere Vermehrung von HIV-1 kommt es im Blut zu einer höheren Viruslast, sodass das Virus leichter übertragen wird. Bei HIV-1 ist auch die Übertragungsrate von der Mutter auf ihr Kind sehr hoch, was auf HIV-2 nicht zutrifft. Die beiden Krankheitsformen sind zwar bei Patienten nicht zu unterscheiden, die AIDS entwickeln, aber mit HIV-1 schreitet AIDS schneller voran und zeigt eine höhere Inzidenz als HIV-2. HIV-1 ist deshalb weltweit die häufigste Ursache für AIDS. HIV-1 und HIV-2 sind beide in Westafrika endemisch, wobei HIV-2 sonst nur selten auftritt. Beide Viren haben sich anscheinend ursprünglich in Afrika von anderen Primatenspezies auf den Menschen ausgebreitet. Die Sequenzierung der Virusgenome von Isolaten deutet darauf hin, dass der HIV-1-Vorfahre der Primaten, SIV (simian immunodeficiency virus) , in mindestens vier unabhängigen Ereignissen von Schimpansen oder westlichen Tieflandgorillas auf Menschen übertragen wurde, während HIV-2 von der Mangabe Cercocebus atys herrührt (Abb. 13.27). Am sichersten ist wohl die Annahme, dass die am meisten vorherrschende der vier Hauptvarianten von HIV-1 , Gruppe M (main; verantwortlich für ~99 % der HIV-1-Infektionen weltweit) in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von Schimpansen auf Menschen übertragen wurde; die Übertragung der Gruppe O (outlier) reicht bis in das frühe 20. Jahrhundert zurück, während die anderen beiden HIV-1-Varianten (die Gruppen N [Nicht-M, Nicht-O] und P [Nicht-M, Nicht-N, Nicht-O]) anscheinend erst vor kürzerer Zeit übertragen wurden. Wie bei anderen zoonotischen Infektionen, bei denen für die gemeinsame Evolution von Pathogen und Wirt die Zeit noch nicht ausgereicht hat, um zu einem Gleichgewicht zu gelangen, durch die sich die Virulenz abschwächt, ist SIV für nichtmenschliche Primaten weniger pathogen als HIV für den Menschen. AIDS entwickelt sich zwar bei allen HIV-1-infizierten Menschen in etwa gleich, wenn sie keine Behandlung erhalten, aber bei den SIV-infizierten nichtmenschlichen Primaten zeigt die Entwicklung eine deutlich größere Variationsbreite, sodass sogar einige Primaten überhaupt nicht erkranken. Eine HIV-Infektion verursacht nicht unmittelbar AIDS . Ohne Behandlung beträgt die durchschnittliche Zeitspanne von der Infektion bis zur Entwicklung von AIDS bei Erwachsenen mehrere Jahre. Die lange Verzögerung zwischen der Infektion und der Entwicklung von Immunschwächesymptomen ist eine Folge des ungewöhnlichen Tropismus des Virus für die CD4-T-Zellen des Immunsystems und der Art der Immunantwort auf das Virus. HIV ist heute pandemisch, und trotz der großen Fortschritte bei der Behandlung und der Prävention aufgrund besserer Kenntnisse über die Pathogenese und die Epidemiologie der Krankheit starben im Jahr 2012 1,6 Mio. Menschen an mit AIDS zusammenhängenden Ursachen. Weltweit wurden in dem Jahr schätzungsweise 35,3 Mio. mit HIV infiziert, was in den Folgejahren zu weiteren zahlreichen AIDS-Toten führen wird (Abb. 13.28). In Afrika in der Subsahararegion, wo über zwei Drittel aller weltweiten Fälle auftreten, ist einer von 20 Erwachsenen infiziert. HIV ist in der kurzen Zeit seit dem ersten Bekanntwerden als neues Pathogen des Menschen tatsächlich zum tödlichsten Einzelerreger von Infektionskrankheiten aufgestiegen. Dennoch gibt es Anlass zur Hoffnung: Die Häufigkeit von neuen HIV-Infektionen ist seit dem Maximum im Jahr 1997 ständig zurückgegangen, genauso wie die Anzahl der Todesfälle pro Jahr seit dem Maximum in der Mitte der 2000er-Jahre. Zu den Regionen mit dem raschesten Rückgang bei Neuinfektionen gehört auch die Subsahararegion in Afrika. Es gibt allerdings weiterhin Schwerpunktregionen, in denen die Häufigkeit der Fälle noch zunimmt (beispielsweise in Osteuropa und Zentralasien). HIV ist ein Retrovirus, das eine chronische Infektion hervorruft, die langsam zu AIDS voranschreitet HIV ist ein behülltes RNA-Virus, dessen Struktur in Abb. 13.29 dargestellt ist. Jedes Viruspartikel oder Virion ist mit zwei Typen viraler Hüllproteine ausgestattet, die das Virus nutzt, um Zielzellen zu infizieren. Außerdem enthält es zwei Kopien eines RNA-Genoms und zahlreiche Kopien von viralen Enzymen, die für die Entwicklung einer Infektion in der Wirtszelle notwendig sind. HIV ist ein Beispiel für ein Retrovirus . Die Bezeichnung kommt daher, dass das Virusgenom in der infizierten Zelle von der Reversen Transkriptase des Virus von RNA in DNA umgeschrieben werden muss – die Umkehrung (retro) des normalen Vorgangs der Transkription. Dabei entsteht eine DNA-Zwischenstufe, die in die Chromosomen der Wirtszelle integriert wird, sodass die Replikation des Virus möglich ist. Die RNA-Transkripte, die von der eingefügten Virus-DNA erzeugt werden, dienen als mRNA für die Synthese von viralen Proteinen. aber auch später als RNA-Genome für neue Viruspartikel. Diese werden durch Ausstülpungen der Plasmamembran von der Zelle freigesetzt und mit einer Membranhülle versehen. HIV gehört zur Retrovirengruppe der Lentiviren . Die Bezeichnung leitet sich von dem lateinischen Wort lentus (langsam) ab und bezieht sich auf das allmähliche Voranschreiten der Krankheiten, die diese Viren verursachen. Die Viren persistieren und vermehren sich jahrelang kontinuierlich, bis sich die Anzeichen der Krankheit offen zeigen. Im Fall von HIV steuert das Virus Zellen des Immunsystems selbst an, sodass sich eine erste akute Infektion entwickelt, die so unter Kontrolle gehalten wird, dass sie nicht erkennbar ist. Selten kommt es jedoch zu einer Immunantwort, die die fortschreitende Replikation des Virus verhindert. Die erste akute Infektion wird zwar scheinbar vom Immunsystem kontrolliert, aber HIV tritt in den Zellen des Immunsystems in das Latenzstadium ein, setzt die Replikation fort und infiziert viele Jahre lang immer neue Zellen. Das führt letztendlich zu einer Erschöpfung des Immunsystems und damit zur Immunschwäche (AIDS). Dadurch können opportunistische Infektionen oder maligne Erkrankungen auftreten, die schließlich zum Tod führen. HIV infiziert Zellen des Immunsystems und vermehrt sich darin Ein Alleinstellungsmerkmal von HIV ist dessen Fähigkeit, aktivierte Zellen des Immunsystems zu infizieren und sich darin zu vermehren. Das primäre Angriffsziel von HIV sind drei bestimmte Typen von Immunzellen: CD4-T-Zellen, Makrophagen und dendritische Zellen. Dabei tragen die CD4-T-Zellen den größten Teil der viralen Replikation. Diese Fähigkeit von HIV, in bestimmte Zelltypen eindringen zu können, bezeichnet man als Tropismus . Dieser hängt damit zusammen, dass an den Oberflächen der Zellen spezifische Rezeptoren für das Virus exprimiert werden. HIV gelangt mithilfe eines Komplexes aus den beiden nichtkovalent verbundenen Glykoproteinen des Virus, gp120 und gp41 , die in der Virushülle als Trimere vorliegen, in die Zellen. Die gp120-Untereinheiten der trimeren gp120/gp41-Komplexe binden mit hoher Affinität an das Zelloberflächenmolekül CD4, das auf den CD4-T-Zellen exprimiert wird, und in einem geringeren Maß auch an Untergruppen der dendritischen Zellen und Makrophagen. Vor der Fusion des Virus mit der Zellmembran und seinem Eindringen in die Zelle muss gp120 auch an einen Corezeptor auf der Wirtszelle binden. Die wichtigsten Corezeptoren sind dabei die Chemokinrezeptoren CCR5 und CXCR4. CCR5 wird vor allem auf Untergruppen der CD4-T-Gedächtniseffektorzellen, dendritischen Zellen und Makrophagen exprimiert, während CXCR4 primär auf naiven und zentralen CD4-T-Gedächtniszellen vorkommt. Der jeweilige Chemokincorezeptor, der von einem bestimmten Viruspartikel gebunden wird, ist für die Übertragung von HIV zwischen Individuen und die Ausbreitung des Virus innerhalb einer infizierten Person von Bedeutung. Nach der Bindung an CD4 verändert sich die Konformation von gp120, sodass eine hochaffine Stelle zugänglich wird, an die der Corezeptor bindet. Das führt wiederum dazu, dass sich gp41 entfaltet und einen Teil seiner Struktur (das Fusionspeptid) in die Plasmamembran der Zielzelle integriert. Dadurch kommt es zur Fusion der Virushülle mit der Plasmamembran der Zelle. So gelangt das virale Nucleocapsid, das aus dem Virusgenom und den assoziierten Virusproteinen besteht, in das Cytoplasma der Wirtszelle (Abb. 13.30). Video 13.4  Sobald das Virus in eine Zelle eingedrungen ist, repliziert es sich ähnlich wie die übrigen Retroviren. Die Reverse Transkriptase übersetzt die virale RNA in eine komplementäre DNA (cDNA). Die virale cDNA, die neun Gene umfasst (Abb. 13.31), wird dann von der Integrase des Virus in das Genom der Wirtszelle eingebaut. Die Integrase erkennt repetitive DNA-Sequenzen, lange Wiederholungen (long terminal repeats, LTRs) an den beiden Enden des Virusgenoms, die die Integrase partiell spaltet. Die LTRs sind für die Integration der Virus-DNA in die DNA der Wirtszelle erforderlich; sie enthalten Bindungsstellen für die genregulatorischen Proteine, die die Expression der Virusgene kontrollieren. Die integrierte cDNA-Kopie bezeichnet man als Provirus . Das HIV-Genom ist wie die Genome anderer Retroviren recht klein, es enthält die drei Hauptgene gag, pol und env. Das gag-Gen codiert die Strukturproteine des Viruscapsidkerns, pol codiert die Enzyme, die bei der Replikation des Virus eine Rolle spielen, und env codiert die Glykoproteine der Virushülle. Die gag- und pol-mRNAs werden zu Polyproteinen translatiert. Das sind lange Polypeptidketten, die dann von der viralen Protease (codiert von pol) in die einzelnen funktionellen Proteine gespalten werden. Allein pol codiert die drei wichtigsten Enzyme des Virions, die für die Vermehrung des Virus benötigt werden: Reverse Transkriptase , Integrase und virale Protease. Das Produkt des env-Gens, gp160 , muss von einer Protease der Wirtszelle in gp120 und gp41 gespalten werden, die sich dann als Trimere in der Virushülle aneinanderlagern. HIV verfügt noch über sechs weitere kleinere regulatorische Gene. Diese codieren Proteine, die die Replikation des Virus und seine Infektiosität auf verschiedene Weise beeinflussen. Zwei dieser drei Proteine, Tat und Rev , sind für grundlegende regulatorische Funktionen während der frühen Phase des viralen Replikationszyklus zuständig. Die übrigen vier – Nef , Vif , Vpr und Vpu – sind für die effiziente Erzeugung der Viren in vivo erforderlich. HIV kann seinen Replikationszyklus in der Wirtszelle abschließen, indem Virusnachkommen erzeugt werden, oder es kommt wie bei anderen Retroviren oder den Herpesviren zu einer latenten Infektion, in der das Provirus ruht. Was letztendlich bewirkt, ob die Infektion einer Zelle zur Latenz oder zu einer produktiven Infektion führt, ist nicht bekannt, aber man nimmt an, dass es mit dem Aktivierungszustand der infizierten Zelle zusammenhängt. Im nächsten Abschnitt wollen wir besprechen, wie nach der Integration die Transkription des Provirus durch Transkriptionsfaktoren der Wirtszelle, die wiederum durch die Aktivierung der Immunzelle induziert wurden, in Gang gesetzt wird. Daher begünstigt wahrscheinlich die Infektion einer Zelle, die kurz nach der Infektion in einen Ruhezustand fällt, die Ausbildung des Latenzstadiums, während die Infektion von aktivierten Zellen die produktive Replikation des Virus unterstützt. Das hat bedeutsame Auswirkungen im Zusammenhang mit den CD4-T-Zellen, die im Gegensatz zu Makrophagen und dendritischen Zellen langlebig sind und dadurch für das HIV-Provirus ein wichtiges Reservoir bilden. Das Provirus kann bei Reaktivierung der Zellen ebenfalls aktiviert werden, selbst auch Jahre nach der ursprünglichen Infektion. Da Makrophagen und dendritische Zellen in den Geweben nur kurzlebig sind und sich nicht teilen, wäre ein Latenzstadium in diesen Zellen auch nur von kurzer Dauer. Die lang anhaltende Latenz von HIV ist also vor allem eine Folge des viralen Tropismus für die CD4-T-Zellen. Das Zusammenwirken dieses Tropismus für die CD4-T-Zellen und die aktivierungsabhängige Transkription des Provirus sind ein zentraler Bestandteil der HIV-Pathogenese und der charakteristischen fortschreitenden Ausdünnung der CD4-T-Zellen, die schließlich AIDS hervorruft. Aktivierte CD4-T-Zellen sind der wichtigste Ort für die Replikation von HIV Das HIV-Provirus benötigt die Aktivierung der Wirtszelle, um den Replikationszyklus fortzusetzen und infektiöse Virionen hervorzubringen, die andere Zellen infizieren können. Das liegt daran, dass für die Transaktivierung der proviralen Genexpression Transkriptionsfaktoren der Wirtszelle erforderlich sind. Die Transkription des viralen Genoms können die beiden Transkriptionsfaktoren NFκB und NFAT der Wirtszelle in Gang setzen. Damit beide Transkriptionsfaktoren in den Zellkern transloziert werden können, wo sie an die DNA binden und die Gentranskription auslösen (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_7#Sec17 und 10.1007/978-3-662-56004-4_7#Sec19), ist eine Aktivierung der Zelle erforderlich. NFκB wird in allen Immunzellen exprimiert, die durch HIV infiziert wurden, NFAT hingegen wird primär in den aktivierten CD4-T-Zellen exprimiert, sodass das Provirus in dieser Wirtszelle noch durch einen zusätzlichen Faktor transaktiviert wird. Zusammen mit der Langlebigkeit und dem zahlreichen Auftreten der CD4-T-Zellen in den Immungeweben trägt dies dazu bei, dass die CD4-T-Zellen für die HIV-Replikation eine wichtige zelluläre Basis bilden. Hier wollen wir uns mit den Mechanismen beschäftigen, die die Transkription des HIV-Provirus in den CD4-T-Zellen regulieren. Wie in Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_7#Sec17 und 10.1007/978-3-662-56004-4_7#Sec19 besprochen, induziert die Aktivierung von T-Zellen durch Antigene die Aktivierung von NFAT und NFκB und deren Translokation in den Zellkern. Die Aktivierung von CD4-T-Gedächtniszellen durch Cytokine kann auch ohne Antigene NFκB aktivieren (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_11#Sec14). Die Transkription des HIV-Provirus kann durch NFκB und NFAT nicht nur in Abhängigkeit von Antigenen aktiviert werden, sondern durch NFκB auch unabhängig von der Stimulation eines T-Zell-Rezeptors in den CD4-T-Gedächtniszellen, wie es bei infizierten Makrophagen und dendritischen Zellen ebenfalls möglich ist. Die Bindung von NFAT und NFκB an Promotoren in den proviralen LTRs setzt die Transkription der viralen RNA in Gang. Das Transkript wird dann auf verschiedene Weisen gespleißt, sodass die mRNAs für die Translation der viralen Proteine entstehen (Abb. 13.26). Mindestens zwei der Virusproteine – Tat und Rev – dienen dazu, die Replikation des Virusgenoms zu verstärken (Abb. 13.30). Tat bindet eine Transkriptionsaktivierungsregion (TAR) in der 5’LTR. Dadurch werden das zelluläre Cyclin T1 und die zugehörige cyclinabhängige Kinase 9 (cyclin-dependent kinase 9, CDK9 ) rekrutiert. Diese bilden einen Komplex und phosphorylieren die RNA-Polymerase, die dadurch besser in der Lage ist, ein vollständiges Transkript des Virusgenoms herzustellen. Auf diese Weise erzeugt Tat eine positive Rückkopplungsschleife und verstärkt so die produktive Virusreplikation. Rev ist für den Transport ungespleißter Virus-RNA-Transkripte aus dem Zellkern zuständig, indem das Protein an eine spezifische Sequenz, das Rev-Response-Element (RRE), in der Virus-RNA bindet. Eukaryotische Zellen verfügen über einen Mechanismus, durch den sie den Export von ungespleißten mRNA-Transkripten aus dem Zellkern verhindern. Das könnte für Retroviren ein Problem darstellen, die darauf angewiesen sind, ihre ungespleißten mRNA-Spezies, die den vollständigen Satz der Virusproteine codieren und das gesamte virale RNA-Genom umfassen, aus dem Zellkern herauszubringen. Das vollständig gespleißte mRNA-Transkript, das Tat und Rev codiert, tritt bereits in einer frühen Infektionsphase auf, wobei hier der RNA-Transport durch die normalen zellulären Mechanismen erfolgt. Der später erfolgende Export der ungespleißten viralen Transkripte erfordert hingegen Rev, um einen Abbau der mRNA in der Wirtszelle zu verhindern. Der Erfolg der Virusreplikation beruht auch auf den Proteinen Nef , Vif , Vpu und Vpr . Diese Virusproteine haben sich in der Evolution anscheinend so entwickelt, dass sie die Immunitätsmechanismen des Wirtsorganismus bekämpfen, die gegen das Virus gerichtet sind. Davon sind auch die antiviralen Restriktionsfaktoren betroffen – zelluläre Proteine des Wirtsorganismus, die die Replikation von Retroviren durch einen zellautonomen Mechanismus hemmen. Nef (negativer Regulationsfaktor) ist im viralen Lebenszyklus für eine Reihe von essenziellen Funktionen zuständig. Nef ist bereits in einer frühen Phase dieses Zyklus aktiv, hält dabei die T-Zell-Aktivierung aufrecht und bewirkt die Etablierung eines persistierenden Stadiums der HIV-Infektion , teilweise durch Absenken der Schwelle für Signale des T-Zell-Rezeptors und die Verringerung der Expression des inhibitorischen Corezeptors CTLA-4 . Insgesamt führen diese Aktivitäten zu einer stärkeren und nachhaltigeren Aktivierung der T-Zellen, die die Replikation des Virus fördert. Nef trägt auch dazu bei, dass infizierte Zellen der Immunabwehr entgehen, indem das Protein die Produktion von MHC-Klasse-I- und -Klasse-II-Molekülen herunterreguliert. Dadurch sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass eine aktiv infizierte Zelle eine antivirale Immunantwort auslöst oder von einer cytotoxischen T-Zelle getötet wird. Nef bewirkt auch die Beseitigung der CD4-Oberflächenmoleküle, die sonst beim Abschnüren der Virionen an diese binden und deren Freisetzung stören würden. Vif (viraler Infektiositätsfaktor) inaktiviert die Cytidin-Desaminase APOBEC , die sonst in der viralen cDNA die Umwandlung von Desoxycytidin zu Desoxyuridin katalysieren würde, sodass die cDNA keine viralen Proteine mehr codieren würde. Vpu (virales Protein U) kommt nur bei HIV-1 und Varianten des SI-Virus vor; es ist erforderlich, um den zellulären Faktor Tetherin unwirksam zu machen, der sowohl in die Plasmamembran als auch in die Hülle des gereiften Virions integriert ist und dessen Freisetzung blockiert. Die Funktion von Vpr (virales Protein R) ist nicht vollständig bekannt, aber anscheinend ist der Restriktionsfaktor SAMHD1 ein Angriffsziel von Vpr. SAMHD1 ist ein zelluläres Protein, das die HIV-Infektion in myeloischen Zellen und ruhenden CD4-T-Zellen verhindert, indem es das intrazelluläre Reservoir der Desoxyribonucleotide (dNTPs) begrenzt, die für die Synthese der viralen cDNA durch die Reverse Transkriptase zur Verfügung stehen. Es gibt verschiedene Wege, durch die HIV übertragen wird und eine Infektion etabliert Eine HIV -Infektion erfolgt durch die Übertragung von Körperflüssigkeiten einer infizierten auf eine nicht infizierte Person. Am häufigsten werden HIV-Infektionen beim Geschlechtsverkehr übertragen. Es kommt auch zu Übertragungen, wenn kontaminierte Injektionsnadeln zur intravenösen Verabreichung von Drogen im Austausch verwendet werden oder durch die Anwendung von infiziertem Blut oder infizierten Blutprodukten für therapeutische Zwecke, wobei die Zahlen in letzterem Fall in Ländern, in denen Blutprodukte regelmäßig auf HIV getestet werden, stark zurück gegangen sind. Ein weiterer wichtiger Übertragungsweg für das Virus ist der von einer infizierten Mutter auf ihr Kind. Das kann im Uterus, bei der Geburt oder durch die Muttermilch geschehen. Die Häufigkeit, mit der das Virus von einer unbehandelten infizierten Mutter auf ihr Kind übertragen wird, schwankt zwischen 15 und 45 %, abhängig von der Viruslast der Mutter und ob sie ihr Kind stillt, da dadurch das Übertragungsrisiko steigt. Wenn eine infizierte Frau während ihrer Schwangerschaft antiretrovirale Wirkstoffe erhält, nimmt ihre Viruslast ab und die Übertragungsgefahr auf das Kind sinkt erheblich (Abschn. 13.3.11). Das Virus kann in Form von freien infektiösen Partikeln oder durch infizierte Zellen übertragen werden, für die das Virus einen Tropismus besitzt (beispielsweise CD4-T-Zellen und Makrophagen). Infizierte Zellen kommen im Blut vor, können aber auch in der Samenflüssigkeit oder in Vaginalsekreten sowie in der Muttermilch enthalten sein. Freie Viren kommen im Blut, in der Samenflüssigkeit, in Vaginalsekreten und in der Muttermilch vor. HIV-Virionen können unterschiedliche gp120-Varianten exprimieren, die entweder an CCR5 oder CXCR4 binden, sodass unterschiedliche Zelltypen infiziert werden. In den Schleimhäuten des Genital- und Gastrointestinaltrakts, die die hauptsächlichen Regionen für eine primäre Infektion durch sexuelle Übertragung sind, infizieren HIV-Vironen zuerst nur eine geringe Anzahl von mucosalen Immunzellen, die CCR5 exprimieren – CD4-T-Effektorgedächtniszellen, dendritische Zellen und Makrophagen. Das Virus vermehrt sich lokal in diesen Zellen, bevor es sich über T-Zellen oder dendritische Zellen zu den Lymphknoten ausbreitet, die Flüssigkeit aus den Schleimhäuten ableiten (die mucosalen Makrophagen wandern nicht). Im lymphatischen Kompartiment der mucosalen Gewebe kommen in größerer Zahl TH1- und TH17-Zellen vor, die CCR5 exprimieren (was naive T-Zellen und TH2-Zellen nicht tun), sodass die erste Vermehrung des Virus in diesen Untergruppen der CD4-T-Zellen begünstigt wird. Nach einer beschleunigten Vermehrung in regionalen Lymphknoten verbreitet sich das Virus in großem Umfang über das Blut und gelangt auch zunehmend in die darmassoziierten lymphatischen Gewebe (GALT), wo im Körper die meisten CD4-T-Zellen vorkommen. HIV-Varianten mit einem Tropismus für verschiedene Corezeptoren sind für die Ausbreitung und das Fortschreiten der Krankheit von unterschiedlicher Bedeutung Damit HIV in einem neuen Wirt eine Infektion auslösen kann, muss das Virus mit einer CD4-exprimierenden Immunzelle in Kontakt treten. Die eigentliche Zielzelle wird durch die Affinität des viralen gp120-Proteins für die beiden unterschiedlichen Chemokincorezeptoren bestimmt: CCR5 und CXCR4. Entsprechend bezeichnet man die beiden wichtigsten Tropismusvarianten von HIV mit R5 beziehungsweise X4. CCR5 kommt vor allem auf CD4-exprimierenden CD4-T-Zellen vor, die sich an den hauptsächlichen Stellen der Virusübertragung aufhalten. Diese Bereiche sind ständig kommensalen Mikroorganismen ausgesetzt und enthalten deshalb eine große Zahl von aktivierten Immunzellen (Schleimhautgewebe des männlichen und weiblichen Genitaltrakts oder des Rektums für sexuelle Übertragung; oberer Gastrointestinaltrakt für die Mutter-Kind-Übertragung). Deshalb sind in der frühen Infektionsphase vor allem R5-Stämme des Virus mit CCR5-Tropismus für die Übertragung verantwortlich. Bevor HIV mit CD4-exprimierenden Immunzellen in Kontakt treten kann, muss das Virus das Epithel dieser Gewebe durchqueren. Auch hier sind die Virusvarianten mit CCR5-Tropismus im Vorteil. Die Infektion erfolgt in zwei Arten von Geweben: mehrschichtigen Epithelien oder Plattenepithelien wie die Schleimhäute der Vagina, der Penisvorhaut, des äußeren Gebärmuttermundes, im Mundrachenraum und in der Speiseröhre, oder in einschichtigen Zylinderepithelien wie der Gebärmutterhalsschleimhaut, des Rektums und des oberen Gastrointestinaltrakts. Die Epithelzellen der Rektums oder des Gebärmutterhalses können CCR5 exprimieren und translozieren, wie sich zeigen ließ, selektiv HIV-R5-, nicht jedoch HIV-X4-Varianten durch das einschichtige Epithel. Andere Moleküle, die auf Epithelzellen exprimiert werden, sind ebenfalls beteiligt. An gp120-bindende Glykosphingolipide, die von Epithelzellen der Vagina oder des äußeren Gebärmuttermundes exprimiert werden, ermöglichen ebenfalls die Transcytose des Virus durch das Epithel. Der Virustransit durch Epithelbarrieren und das Auslösen einer Infektion erfolgt mit hoher Geschwindigkeit. Das SIV -Virus kann das Epithel der Vagina und des Gebärmutterhalses innerhalb von 30–60 min nach dem ersten Kontakt durchqueren. HIV kann nicht nur über eine direkte Transcytose Epithelien passieren, sondern dem Virus dienen auch die Fortsätze von interdigitierenden dendritischen Zellen, die sich zwischen die Epithelzellen erstrecken, als Eintrittsweg in das Epithel. Anscheinend handelt es sich um einen komplexen Transportmechanismus, über den HIV, nachdem es von den dendritischen Zellen aufgenommen wurde, durch das Epithel zu den CD4-T-Zellen im Lymphgewebe gelangt. HIV kann sich an dendritische Zellen heften, indem das virale gp120-Protein an C-Typ-Lektin-Rezeptoren bindet, beispielsweise an Langerin (CD207 ), an den Mannoserezeptor (CD206 ) und an DC-SIGN . Ein Teil des gebundenen Virus wird schnell in Vakuolen aufgenommen, wo es tagelang in einem infektiösen Zustand bleiben kann. Auf diese Weise wird das Virus geschützt und bleibt stabil, bis es auf eine zugängliche CD4-T-Zelle trifft, etwa in der lokalen mucosalen Umgebung oder nachdem es in die ableitenden Lymphgewebe gelangt ist (Abb. 13.32). In einigen mucosalen Regionen kommen CCR5-exprimierende CD4-T-Zellen im Epithel vor (intraepitheliale T-Zellen). Man hat festgestellt, dass dies Bereiche sind, in denen frühe Phasen der viralen Replikation stattfinden. HIV kann also CD4-T-Zellen entweder direkt oder über dendritische Zellen infizieren, die mit CD4-T-Zellen interagieren. Während der akuten Phase der Infektion , die normalerweise mehrere Wochen andauert und mit einer grippeähnlichen Erkrankung einhergeht, kommt es zu einer schnellen Vermehrung des Virus, vor allem in den CCR5-exprimierenden CD4-T-Zellen (Abb. 13.33). Diese Phase ist durch eine große Anzahl zirkulierender Viren im Blut (Virämie) und die schnelle Abnahme der CCR5-exprimierenden CD4-T-Zellen gekennzeichnet. Der zuletzt genannte Effekt ist darauf zurückzuführen, dass zahlreiche CD4-T-Zellen in den GALT absterben. Ursache dafür ist die cytopathische Wirkung des Virus (Makrophagen und dendritische Zellen können anscheinend der Lyse durch das sich replizierende Virus besser widerstehen). Die Ausdünnung der Immunzellen im Darm erhöht wahrscheinlich die schnelle Virusproduktion in den GALT noch, indem die Aktivierung der Immunzellen aufgrund eines Zusammenbruchs der Barrierefunktion und der Translokation von Bestandteilen der Mikroflora noch verstärkt wird. Aufgrund des hohen Virustiters und des Übergewichts der R5-Stämme während der akuten Infektionsphase ist das Risiko einer Übertragung auf nichtinfizierte Personen in dieser Phase besonders hoch. Sobald sich eine adaptive Immunantwort entwickelt hat, kommt es bei fast allen Patienten zu einer akuten Phase mit hoher Virämie (Abb. 13.33). Die für Virusantigene spezifischen cytolytischen CD8-T-Zellen entwickeln sich und töten HIV-infizierte Zellen, und bei infizierten Personen sind nun virusspezifische Antikörper im Serum nachweisbar (Serokonversion ). Die Entwicklung der CTL-Reaktion bringt das Virus schnell unter Kontrolle, sodass es zu einer raschen Abnahme des Virustiters kommt und die Anzahl der CD4-T-Zellen wieder zunimmt. Den Virustiter , der in diesem Stadium im Blutplasma dauerhaft vorhanden ist, bezeichnet man als viralen Setpoint . Dieser ist ein guter Indikator für die künftige Entwicklung der Krankheit. An dieser Stelle geht die Krankheit in ein klinisch latentes Stadium über, die asymptomatische Phase beginnt. Sie ist gekennzeichnet von einer niedrigen Virämie und einer langsamen Abnahme der CD4-T-Zellen und kann mehrere Jahre andauern. Während dieser Zeit setzt das Virus seine aktive Replikation fort, wird aber in Schach gehalten, vor allem von HIV-spezifischen CD8-T-Zellen und Antikörpern. Durch den starken Selektionsdruck, den die antivitrale Immunantwort erzeugt, kommt es bei HIV zu einer Selektion von Escape-Mutanten , die von den adaptiven Immunzellen nicht mehr erkannt werden. So entstehen in einer einzigen infizierten Person, und auch in der Bevölkerung insgesamt, viele verschiedene Virusvarianten. In einer späten Infektionsphase wechselt bei 50 % der Patienten der dominierende Virustyp von den R5- zu den X4-Varianten, die dann die T-Zellen über die CXCR4 -Corzeptoren infizieren. Das führt dazu, dass die Anzahl der CD4-T-Zellen schnell abnimmt und entsprechend voranschreitet. Der genaue Mechanismus, durch den dieser Wechsel des viralen Tropismus zu einem beschleunigten Verlust der CD4-T-Zellen führt, ist nicht bekannt. In der Gleichgewichtsphase sind die R5-Varianten anscheinend für die Übertragung von infizierten auf nichtinfizierte Personen entscheidend, während die X4-Varianten, die unter dem Selektionsdruck entstehen, den die adaptive Immunantwort hervorruft, zur Ausbreitung innerhalb eines infizierten Individuums beitragen. Aufgrund eines genetischen Defekts im Corezeptor CCR5 kommt es in vivo zu einer Resistenz gegenüber einer HIV-Infektion Hinweise darauf, welche Bedeutung CCR5 für die HIV-Infektion hat, stammen von Untersuchungen an Personen, die trotz einer starken Exposition gegenüber HIV-1 seronegativ geblieben sind. Lymphocyten und Makrophagen dieser Personen waren in Zellkulturen, die man mit HIV infiziert hat, vergleichsweise resistent gegen eine Infektion durch HIV. Die Resistenz dieser Personen gegen eine HIV -Infektion ließ sich erklären, als man entdeckte, dass die Betroffenen für eine nichtfunktionelle Variante von CCR5 homozygot sind. Bei dieser Variante, die man mit ∆32 bezeichnet, fehlt ein codierender Bereich von 32 Nucleotiden, was zu einer Rasterverschiebung und einer Verkürzung des translatierten Proteins führt. Innerhalb der weißen Bevölkerung ist die Häufigkeit dieses mutierten Allels mit 0,09 relativ hoch. Etwa 10 % der weißen Bevölkerung sind also heterozygote Träger des Allels und etwa 1 % ist homozygot. Bei Japanern oder Schwarzafrikanern aus West- oder Zentralafrika findet man das mutierte Allel nicht. Ob die heterozygote Mutation von CCR5 einen partiellen Schutz gegen eine HIV-Infektion bietet, ist umstritten, aber anscheinend trägt sie möglicherweise zu einer gewissen Verlangsamung des Krankheitsverlaufs bei. Neben dem Strukturpolymorphismus des Gens stehen verschiedene Promotorvarianten des CCR5-Gens in Zusammenhang mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten des Krankheitsverlaufs. Das häufige Vorkommen des CCR5∆32-Allels in der weißen Bevölkerung vor der HIV-Pandemie deutet auf eine Selektion hin, die bei einer früheren Epidemie aufgetreten sein muss. Man vermutet, dass es sich um die Pocken oder die Beulenpest gehandelt hat, aber dafür gibt es bis jetzt keinen Beleg. Eine Immunantwort hält HIV zwar unter Kontrolle, beseitigt es aber nicht HIV-Infektionen lösen eine Immunantwort aus, die das Virus zwar in Schach halten, aber nur sehr selten, wenn überhaupt jemals, beseitigen kann. Abb. 13.34 zeigt den zeitlichen Verlauf verschiedener Elemente der adaptiven Immunantwort gegen HIV bei Erwachsenen sowie parallel dazu die Konzentration des Erregers im Plasma. Wie bereits erwähnt, kommt es in der akuten Phase durch die virusvermittelte Cytopathie vor allem in den mucosalen Geweben zu einer substanziellen Verringerung der Anzahl der CD4-T-Zellen. Da sich eine Immunantwort entwickelt und die Vermehrung der Viren verlangsamt, erholt sich die Anzahl der T-Zellen zuerst wieder und es folgt eine asymptomatische Krankheitsphase (Abb. 13.33). Die Replikation des Virus setzt sich jedoch fort und nach einer variablen Zeitspanne, die zwischen wenigen Monaten und bis zu 20 Jahren andauern kann, fällt die Anzahl der CD4-T-Zellen auf einen so niedrigen Wert, dass eine wirksame Immunität nicht mehr aufrechterhalten werden kann und sich AIDS entwickelt (definitionsgemäß bei 200 CD4-T-Zellen pro μl peripheres Blut). Mehrere Faktoren wirken hier zusammen, damit die Zahl der CD4-T-Zellen so weit zurückgeht, dass keine Immunität mehr besteht: die Zerstörung durch die cytotoxischen Lymphocyten, die gegen HIV-infizierte Zellen gerichtet sind, eine direkte und indirekte Immunaktivierung, durch die das latente Virus seinerseits aktiviert wird, fortdauernde cytopathische Effekte durch das Virus wie auch eine unzureichende Erneuerung der T-Zellen im Thymus. In diesem Abschnitt wollen wir uns mit der Bedeutung der cytotoxischen CD8-T-Zellen, CD4-T-Zellen, der Antikörper und löslichen Faktoren bei der Immunantwort auf eine HIV-Infektion beschäftigen, wobei das System die Infektion zuerst eindämmt, aber es letztendlich nicht gelingt, sie unter Kontrolle zu bringen. Untersuchungen an peripheren Blutzellen infizierter Personen zeigen, dass es cytotoxische T-Zellen gibt, die für virale Peptide spezifisch sind und in vitro infizierte Zellen abtöten können. In vivo wandern cytotoxische T-Zellen zu Bereichen mit HIV-Replikation, und man geht davon aus, dass sie dort zahlreiche produktiv infizierte Zellen töten, bevor auch nur ein infektiöses Virus freigesetzt wird. Dabei würde die Viruslast auf ein quasi stabiles Niveau eingestellt, das für die symptomfreie Phase charakteristisch ist. Hinweise auf die klinische Bedeutung, die den cytotoxischen CD8-T-Zellen bei der Kontrolle der HIV-Infektion zukommt, liefern Untersuchungen, bei denen man die Anzahl und die Aktivität der CD8-T-Zellen in eine Beziehung zur Viruslast setzt. Durch Experimente mit Makaken, die mit SIV (simian immunodeficiency virus) infiziert sind, gibt es direkte Hinweise darauf, dass die cytotoxischen CD8-T-Zellen die mit einem Retrovirus infizierten Zellen in Schach halten. Nach der Behandlung von infizierten Tieren mit monoklonalen Antikörpern, die CD8-T-Zellen beseitigen, kam es zu einer starken Zunahme der Viruslast. Neben der direkten Cytotoxizität, die durch die Erkennung von virusinfizierten Zellen vermittelt wird, gibt es noch eine Reihe verschiedener Faktoren, die von CD4-, CD8- und NK-Zellen produziert werden und die für die antivirale Immunität von Bedeutung sind. Chemokine, die an CCR5 binden, beispielsweise CCL5, CCL3 und CCL4, werden von CD8-T-Zellen an Infektionsherden freigesetzt und hemmen die Ausbreitung des Virus, indem sie mit den HIV-1-R5-Stämmen um die Bindung an den Corezeptor CCR5 konkurrieren. Andererseits sind die Faktoren, die mit den X4-Stämmen um die Bindung an CXCR4 konkurrieren, bis jetzt noch unbekannt. Cytokine wie IFN-α und IFN-γ wirken wahrscheinlich ebenfalls dabei mit, die Ausbreitung des Virus unter Kontrolle zu halten. Es gibt Belege dafür, dass CD4-T-Zellen nicht nur das hauptsächliche Angriffsziel für eine HIV-Infektion sind, sondern auch bei der Immunreaktion auf HIV-infizierte Zellen eine wichtige Funktion erfüllen. Es besteht eine umgekehrte Korrelation zwischen der Stärke der proliferativen CD4-T-Zell-Reaktionen auf HIV-Antigene und der Viruslast. Darüber hinaus ist anscheinend auch die Art der Reaktion der CD4-T-Zellen gegen das Virus von Bedeutung. Bei Patienten, deren CD4-T-Zellen eine stärkere Aktivität vom TH1-Typ entwickeln, etwa auch die Produktion von IFN-γ und Granzym B, besteht eine umgekehrte Korrelation zwischen der Viruslast und der Kontrolle der akuten Infektion. Außerdem zeigen CD4-T-Zellen von Patienten, die lange Zeit nach einer HIV-Infektion noch keine AIDS-Symptome entwickeln, stark proliferative antivirale Reaktionen. Schließlich führt eine frühe Behandlung von akut infizierten Personen mit antiretroviralen Wirkstoffen dazu, dass die proliferativen Reaktionen der CD4-T-Zellen gegen HIV-Antigene erneut einsetzen. Wenn die antiretrovirale Therapie beendet wird, bleiben die CD4-Reaktionen bei einigen der Betroffenen bestehen und die Virämie erreicht ein niedrigeres Niveau. Die Infektion setzt sich jedoch auch bei diesen Patienten fort und die immunologische Kontrolle der Infektion wird letztendlich unterliegen. Wenn die Reaktionen der CD4-T-Zellen für die Kontrolle einer HIV-Infektion essenziell sind, ließe sich durch den HIV-Tropismus für diese Zellen und die Tatsache, dass die Zellen von dem Virus getötet werden, durchaus erklären, warum die Immunantwort eines Wirtsorganismus die Infektion langfristig nicht unter Kontrolle bekommt. Antikörper gegen HIV-Proteine werden schon in einer frühen Infektionsphase erzeugt, sie sind aber wie die T-Zellen letztendlich nicht in der Lage, das Virus zu beseitigen. Wie bei den viralen T-Zell-Epitopen verfügt das Virus über ein hohes Potenzial, unter dem Selektionsdruck der Antikörperreaktion Escape-Mutanten zu entwickeln. Für die Antikörperreaktion sind anscheinend zwei Faktoren von Bedeutung: Zum einen werden neutralisierende Antikörper gegen die Antigene gp120 und gp41 in der Virushülle produziert, die das Anheften des Virus an CD4-positive Zielzellen blockieren, und zum anderen werden nichtneutralisierende Antikörper erzeugt, die im Zusammenhang mit der antikörperabhängigen zellulären Cytotoxizität (ADCC) gegen infizierte Zellen gerichtet sind. Neutralisierende Antikörper werden zwar letztendlich von fast allen HIV-Infizierten produziert, aber die relative Unzugänglichkeit der viralen Epitope, die an CD4 und die Chemokincorezeptoren binden, behindert die Entwicklung solcher Antikörper über einen längeren Zeitraum (das heißt einige Monate) hinweg. Dadurch gewinnt das Virus Zeit, Escape-Mutanten hervorzubringen, bevor die neutralisierenden Antikörper produziert werden. Die Entwicklung sogenannter breit neutralisierender Antikörper , die die Infektion durch diverse Virenstämme blockieren können, treten häufig bei Patienten mit hohen Virustitern auf, was dafür spricht, dass diese Antikörper nicht in der Lage sind, eine im Körper etablierte Infektion wirksam einzudämmen. Die Analyse von wirksam neutralisierenden Antikörpern gegen HIV zeigen, dass sie eine intensive somatische Hypermutation durchlaufen haben, die selten innerhalb eines Jahres nach der Infektion einsetzt. Andererseits kann die passive Verabreichung einiger Antikörper gegen HIV an Versuchstiere diese vor einer mucosalen Infektion mit HIV schützen. Das lässt zumindest hoffen, dass es möglich sein kann, einen wirksamen Impfstoff zu entwickeln, der Neuinfektionen verhindert. Es gibt zunehmend Hinweise darauf, dass nicht neutralisierende Antikörper , die die ADCC der NK-Zellen, Makrophagen und neutrophilen Zellen aktivieren, anders als die neutralisierenden Antikörper, die erst in einer späten Infektionsphase gebildet werden, bereits in einer frühen Infektionsphase entstehen und zusammen mit den Aktivitäten der cytolytischen CD8-T-Zellen die Vermehrung der Viren begrenzen. Allerdings ermöglicht es die hohe Mutationsrate dem Virus auch hier, immer einen Schritt voraus zu sein und die Infektion aufrechtzuerhalten. Mutationen während der HIV-Replikation ermöglichen die Entstehung von Virusvarianten, die der Erkennung durch neutralisierende Antikörper oder cytotoxische T-Zellen entgehen und viel zum langfristigen Versagen des Immunsystems bei der Eindämmung der Infektion beitragen. Eine Immunantwort wird häufig von T- oder B-Zellen dominiert, die nur für bestimmte Epitope – die immundominanten Epitope – spezifisch sind, und man hat schon Mutationen in den immundominanten HIV-Peptiden gefunden, die durch MHC-Klasse-I-Moleküle präsentiert werden. Zudem hat man Mutationen in Epitopen gefunden, die von neutralisierenden und nichtneutralisierenden Antikörpern erkannt werden. Man hat auch festgestellt, dass mutierte Peptide T-Zellen hemmen können, die auf das Wildtypepitop reagieren, sodass sowohl das mutierte als auch das Wildtypvirus überlebt. Die Immunantwort gegen HIV ist zwar letztendlich nicht erfolgreich, aber zweifellos wird das Voranschreiten der viralen Replikation verzögert. Das zeigt sich vielleicht am besten an den tragischen Fällen von Kindern, die bei der Geburt mit HIV infiziert wurden und bei denen der Verlauf der Krankheit viel massiver ist als bei Erwachsenen. Das liegt an der schwachen Immunantwort gegen das Virus in der akuten Infektionsphase, da das Immunsystem von Neugeborenen noch nicht entwickelt ist, aber auch daran, dass die Infektion durch einen Virusstamm erfolgt, der bereits einem Immunsystem entkommen ist, das dem des Kindes genetisch ähnlich ist. Das bedeutet letztendlich, dass die Latenzphase aufgrund der schwachen Immunantwort entfällt und sich AIDS schnell entwickelt. Die Lymphgewebe sind das wichtigste Reservoir für eine HIV-Infektion In Anbetracht der aktiven und beständigen Immunantwort gegen eine HIV-Infektion und der Entwicklung von antiretroviralen Behandlungsmethoden, die die Virusreplikation wirksam bekämpfen (Abschn. 13.3.11), ist es wichtig, die Reservoirs zu kennen, die es dem Virus ermöglichen, die Infektion aufrechtzuerhalten. Die HIV-Last und der Virusumsatz werden zwar normalerweise mithilfe der RNA ermittelt, die in den Virionen im Blut vorhanden ist, aber das hauptsächliche Reservoir einer HIV-Infektion ist anscheinend das Lymphgewebe. Das Virus kommt nicht nur in den infizierten CD4-T-Zellen, Makrophagen und dendritischen Zellen vor, sondern wird auch in den Keimzentren an den Oberflächen der follikulären dendritischen Zellen in Form von Immunkomplexen festgehalten. Diese Zellen werden nicht selbst infiziert, dienen aber als Reservoir für infektiöse Virionen, die Monate oder sogar länger überdauern können. Gewebemakrophagen und dendritische Zellen können zwar anscheinend replizierende HIV-Viren beherbergen, ohne von ihnen getötet zu werden, aber diese Zellen sind kurzlebig und bilden wahrscheinlich nicht das Hauptreservoir für eine latente Infektion. Sie sind aber anscheinend für die Ausbreitung des Virus in andere Gewebe von Bedeutung, beispielsweise ins Gehirn, wo möglicherweise infizierte Zellen des Zentralnervensystems dazu beitragen, dass das Virus langfristig im Körper überlebt. Auf der Basis von Untersuchungen an Patienten, die eine antiretrovirale Therapie erhalten, lässt sich abschätzen, dass über 95 % der Viren, die im Plasma nachweisbar sind, aus produktiv infizierten CD4-T-Zellen stammen, die mit etwa zwei Tagen eine sehr kurze Lebensdauer haben. Virenproduzierende CD4-T-Zellen kommen in den T-Zell-Zonen der Lymphgewebe vor und man nimmt an, dass sie der Infektion unterliegen, wenn sie bei einer Immunantwort aktiviert werden. Latent infizierte CD4-T-Gedächtnisdzellen, die durch ihr Antigen reaktiviert werden, bringen ebenfalls Viren hervor, die sich auf andere aktivierte CD4-T-Zellen ausbreiten können. Neben den produktiv oder latent infizierten Zellen gibt es noch eine weitere große Population von Zellen, die mit defekten Proviren infiziert sind, welche keine infektiösen Viren produzieren. Ungünstig ist dabei, dass die Halblebenszeit der latent infizierten CD4-T-Gedächtniszellen mit etwa 44 Monaten außerordentlich lang ist. Das bedeutet, dass eine medikamentöse Behandlung, die die Vermehrung der Viren wirksam beendet, über 70 Jahre lang angewendet werden müsste, um das Virus ganz zu beseitigen. In der Praxis bedeutet das, dass die Patienten es niemals schaffen, eine HIV-Infektion vollständig zu überwinden, und ihr Leben lang behandelt werden müssen. Durch die genetische Variabilität kann sich in einem Wirt die Geschwindigkeit verändern, mit der die Krankheit voranschreitet Bereits in einer frühen Phase der HIV/AIDS-Pandemie wurde deutlich, dass der Verlauf der Krankheit sehr unterschiedlich sein kann. Zwar erkranken tatsächlich fast alle infizierten Personen, die nicht behandelt werden, an AIDS und sterben schließlich an opportunistischen Infektionen oder an Krebs, aber es sind eben nicht alle davon betroffen. Ein geringer Prozentsatz der Personen, die mit dem Virus in Kontakt kommen, zeigt zwar eine Serokonversion, aber die Krankheit schreitet nicht voran. Bei den Betroffenen bleiben die Anzahl CD4-T-Zellen und weitere Parameter der Immunkompetenz ohne antiretrovirale Therapie jahrzehntelang stabil. Bei diesen Individuen ohne langfristigen Krankheitsfortschritt ( long-term nonprogressors ) gibt es eine Untergruppe, die man als Elite-Controller bezeichnet. Diese Personen zeigen ungewöhnlich niedrige Titer an zirkulierenden Viren (trotz der bestehenden Virusvermehrung auf niedrigem Niveau, die mit Standardtests klinisch nicht nachweisbar ist) und machen etwa 1/300 der Infizierten aus. Man hat sie genau untersucht, um herauszufinden, warum sie ihre Infektion kontrollieren können. Eine zweite Gruppe umfasst Personen, die durch ihr Verhalten hohe Risiken eingehen und sich wiederholt einer Infektionsgefahr aussetzen, aber virus- und krankheitsfrei bleiben. Man hat unter diesen Personen zwar Anzeichen für frühere HIV-Infektionen gefunden, aber es ist nicht geklärt, ob sie jemals von einem infektiösen Virus betroffen waren oder ob sie nur mit einem stark geschwächten oder defekten Stamm in Kontakt gekommen sind, der keine erfolgreiche Infektion auslösen konnte. Auf jeden Fall ist die Untersuchung dieser Personen von großem medizinischen Interesse, da sich vielleicht Erkenntnisse gewinnen lassen, wie die Immunantwort des Wirtes das Virus besser unter Kontrolle bringen kann und welche genetischen Faktoren möglicherweise ausschlaggebend sind, um einen wirksamen Immunschutz zu entwickeln. Vielleicht kann man so auch Hinweise auf Verfahren erhalten, wie sich bessere Impfstoffe herstellen lassen. Die genetische Variabilität des Virus selbst kann zwar das Ergebnis einer Infektion beeinflussen, aber man findet bei den Wirtsorganismen immer mehr Genvarianten, die sich auf die Geschwindigkeit auswirken, mit der sich eine HIV-Infektion bis zur Entstehung von AIDS entwickelt. Genomweite Assoziationsstudien (GWASs) und seit neuerer Zeit auch bessere Hochdurchsatzmethoden zur Bestimmung von individuellen genetischen Varianten (beispielsweise Exom- und Gesamtgenomsequenzierung) führen immer schneller zur Entdeckung weiterer genetischer Varianten, in denen sich hoch anfällige und resistente Individuen unterscheiden (Abb. 13.35). Wie im Abschn. 13.3.6 besprochen, ist das mutierte Allel CCR5∆32 von CCR5 eines der eindeutigsten Beispiele für eine genetische Variante bei einem Wirtsorganismus, die die HIV-Infektion beeinflusst. Wenn die Variante homozygot auftritt, wird die HIV-Infektion wirksam blockiert, im heterozygoten Fall kann es zu einer Verlangsamung des Infektionsverlaufs kommen. Genetische Polymorphismen im HLA-Klasse-I-Locus, insbesondere bei HLA-B- und HLA-C-Allelen, bilden einen weiteren wichtigen Faktor, der den Krankheitsverlauf bestimmt. Daraus lassen sich Prognosen zur Kontrolle einer HIV-Infektion zurzeit am besten ableiten. Mithilfe der GWAS-Untersuchungen konnte man Polymorphismen im peptidbindenden Spalt von HLA-Klasse-I-Molekülen kartieren, die entscheidende Determinanten für den Krankheitsverlauf darstellen. Polymorphismen außerhalb des Spalts und auch in nichtcodierenden Regionen, welche die Expressionsraten der HLA-Moleküle kontrollieren, spielen ebenfalls eine Rolle. Die HLA-Klasse-I-Allele HLA-B57 , HLA-B27 und HLA-B13 sowie weitere Varianten führen zu einer besseren Prognose, während die Allele HLA-B35 und HLA-B07 einen rascheren Krankheitsverlauf mit sich bringen. Homozygotie bei HLA-Klasse-I-Allelen (HLA-A , HLA-B und HLA-C ) führt ebenfalls zu einem schnelleren Verlauf, wahrscheinlich weil die T-Zell-Reaktion auf die Infektion eine geringere Diversität besitzt. Bemerkenswert ist dabei, dass ein Einzelnucleotidpolymorphismus (single nucleotode polymorphism, SNP) 35 kb stromaufwärts des HLA-C-Locus die stärksten Auswirkungen auf die Viruskontrolle hat. Dieser Polymorphismus führt zu einer besseren Immunkontrolle, die mit einer erhöhten Expression von HLA-C einhergeht. Die verbesserte Kontrolle ist wahrscheinlich eine Folge der gesteigerten Präsentation der Viruspeptide gegenüber den CD8-T-Zellen. Bestimmte Polymorphismen der killerzellenimmunglobulinähnlichen Rezeptoren (KIRs), die auf NK-Zellen vorkommen (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_3#Sec29), insbesondere im Rezeptor KIR-3DS1 in Kombination mit bestimmten Allelen von HLA-B, verzögern ebenfalls die Entwicklung von AIDS. Mutationen, die die Produktion von Cytokinen wie IFN-γ und IL-10 beeinflussen, wurden ebenfalls mit einer Begrenzung der HIV-Entwicklung in Zusammenhang gebracht. Die Zerstörung der Immunfunktion als Folge einer HIV-Infektion führt zu einer erhöhten Anfälligkeit gegenüber opportunistischen Infektionen und schließlich zum Tod Sinkt die Anzahl der CD4-T-Zellen unter einen bestimmten kritischen Wert, so versagt die zelluläre Immunantwort und es kommt zu Infektionen mit einer Anzahl verschiedener opportunistischer Erreger (Abb. 13.36). Typisch ist der frühe Verlust der Widerstandskraft gegen orale Infektionen mit Candida spp., dem Erreger von Soor (orale Candidiasis) und Mycobacterium tuberculosis (das Tuberkulose verursacht). Später erkranken die Patienten an Gürtelrose, die durch die Aktivierung von latentem Varicella zoster verursacht wird, an aggressiven B-Zell-Lymphomen, die von EBV ausgelöst werden, sowie am Kaposi-Sarkom , einem Tumor aus endothelialen Zellen. Letzterer entsteht wahrscheinlich als Reaktion auf die bei der Infektion gebildeten Cytokine sowie aufgrund des Kaposi-Sarkom-assoziierten Herpesvirus (KSHV oder HHV-8 ). Schon bei den ersten AIDS-Diagnosen waren Lungenentzündungen durch Pneumocystis jirovecii (frühere Bezeichnung P. carinii) die häufigsten opportunistischen Infektionen und verliefen häufig tödlich, bevor eine wirksame antifungale Therapie zur Verfügung stand. Auch eine zusätzliche Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus tritt häufig auf und es kommt dabei zu einem schnellen Fortschritt der Hepatitis. Zum Schluss treten das Cytomegalievirus oder eine Infektion mit dem Mycobacterium avium -Komplex in den Vordergrund. Nicht jeder AIDS-Patient bekommt alle diese Infektionen oder Tumoren und es gibt darüber hinaus weitere Tumorarten und Infektionen, die zwar weniger bedeutend, aber dennoch typisch sind. In Abb. 13.36 sind die häufigsten opportunistischen Infektionen und Tumoren aufgeführt, die normalerweise in Schach gehalten werden, bis schließlich die Anzahl der CD4-T-Zellen gegen Null abfällt. Wirkstoffe, welche die HIV-Replikation blockieren, führen zu einer raschen Abnahme des Titers an infektiösen Viren und zu einer Zunahme der Anzahl von CD4-T-Zellen Untersuchungen mit Wirkstoffen, die den Replikationszyklus von HIV blockieren können, zeigen, dass sich das Virus in jeder Phase der Infektion – selbst in der asymptomatischen – rasch vermehrt. Solche Wirkstoffe richten sich vor allem gegen drei Virusproteine: gegen die Reverse Transkriptase, die für die Synthese des Provirus erforderlich ist, gegen die virale Integrase, die für das Einfügen des Provirus in das Wirtsgenom notwendig ist, sowie gegen die virale Protease, die die Polyproteine des Virus spaltet, aus denen die Proteine des Virions und viralen Enzyme entstehen. Die Reverse Transkriptase wird durch Nucleotidanaloga wie Azidothymidin (AZT, auch als Zidovudin bezeichnet) gehemmt. Dieser Wirkstoff war das erste, der in den USA als Anti-HIV-Mittel zugelassen wurde. Inhibitoren der Reversen Transkriptase , der Integrase und der Protease verhindern die Infektion nichtinfizierter Zellen. Bereits infizierte Zellen können allerdings weiterhin Virionen produzieren, da die Reverse Transkriptase und die Integrase für die Erzeugung von Viruspartikeln nicht mehr notwendig sind, sobald das Provirus gebildet wurde. Die virale Protease ist zwar erst bei einem sehr späten Schritt der Virusreifung aktiv, aber die Hemmung der Protease verhindert nicht, dass Viren freigesetzt werden. In allen Fällen werden jedoch weitere Infektionszyklen blockiert, die durch freigesetzte Virionen ausgelöst werden; eine Replikation ist dadurch nicht mehr möglich. Durch die Einführung einer Kombinationstherapie mit einer Mischung aus Inhibitoren der viralen Protease und Nucleosidanaloga, die man auch als hochaktive antiretrovirale Therapie (HAART ) bezeichnet, verringerte sich in den USA in den Jahren 1995–1997 die Sterblichkeit und das Krankheitsbild der Patienten mit einer fortgeschrittenen HIV-Infektion gravierend (Abb. 13.37). Viele Patienten, die mit HAART behandelt wurden, zeigen eine schnelle und erhebliche Verringerung der Virämie, was letztendlich für einen langen Zeitraum zu einer konstanten Konzentration der HIV-RNA nahe der Nachweisgrenze (50 Kopien pro ml Plasma) führt (Abb. 13.38). Es ist nicht bekannt, wie die Viruspartikel nach dem Beginn einer HAART-Behandlung so schnell aus dem Kreislauf entfernt werden. Wahrscheinlich werden sie von spezifischen Antikörpern und von Komplementproteinen opsonisiert und von Zellen aus dem mononucleären Phagocytensystem beseitigt. Opsonisierte HIV-Partikel können auch in Lymphfollikeln an den Oberflächen von follikulären dendritischen Zellen festgehalten werden. Die HAART-Therapie geht auch einher mit einer langsamen aber ständigen Zunahme der CD4-T-Zellen, obwohl viele andere Kompartimente des Immunsystems beeinträchtigt bleiben. Für die Erholung der Anzahl der CD4-T-Zellen sind drei komplementäre Mechanismen verantwortlich: Zum einen erfolgt eine Umverteilung der CD4-T-Gedächtniszellen aus den Lymphgeweben in den Blutkreislauf, sobald die Virusreplikation eingedämmt ist; das geschieht innerhalb von Wochen nach Beginn der Behandlung. Zum anderen geht die anormal hohe Aktivierung des Immunsystems zurück, da die HIV-Infektion nun unter Kontrolle ist. Dadurch werden weniger infizierte CD4-T-Zellen durch die cytotoxischen T-Lymphocyten getötet. Der dritte Mechanismus ist wesentlich langsamer und wird dadurch ausgelöst, dass neue naive T-Zellen aus dem Thymus in Erscheinung treten. Das zeigt sich am Vorhandensein von T-Zell-Rezeptor-Exzisionsringen (TRECs) in diesen später auftretenden Zellen (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_5#Sec12). Die HAART-Therapie bekämpft zwar wirksam die HIV-Infektion, verhindert das Voranschreiten von AIDS und verringert die Übertragung des Virus durch infizierte Personen, sie ist jedoch nicht in der Lage, alle viralen Reservoirs zu vernichten. Wenn man die HAART-Therapie absetzt, kommt es wieder schnell zu einer Vermehrung des Virus, sodass Patienten ihr Leben lang behandelt werden müssen. Dadurch und auch aufgrund der Nebenwirkungen und Kosten der HAART-Therapie wurden weitere Forschungen angeregt, die sich auf andere Ziele richteten, mit denen sich die Vermehrung der Viren blockieren lässt (Abb. 13.39), und man wollte Möglichkeiten finden, die Virusreservoirs zu beseitigen, um die Infektion dauerhaft zu beenden. Zu den neuen Wirkstoffen gegen die HIV-Replikation gehören Entry-Inhibitoren , die die Bindung von gp120 an CCR5 blockieren oder die Fusion des Virus mit der Zelle durch Hemmung von gp41 verhindern, sowie Integraseinhibitoren , die das Einfügen des revers transkribierten Virusgenoms in die Wirts-DNA blockieren. Ein weiterer Ansatz, der sich zurzeit in der Entwicklung befindet, ist die Unterstützung der HIV-Restriktionsfaktoren, beispielsweise von APOBEC (Abschn. 13.3.3) und TRIM5α. APOBEC verursacht in der neu synthetisierten HIV-cDNA zahlreiche Mutationen und zerstört so deren codierte Sequenzen und die Fähigkeit zur Replikation; TRIM5α begrenzt die Infektion durch HIV, indem das Molekül an das virale Nucleocapsid bindet und so das Abstreifen der Hülle und die Freisetzung der Virus-RNA verhindert, nachdem das Virus in eine Zelle eingedrungen ist. Die HAART -Behandlung ist zwar dahingehend erfolgreich, dass die aktive Virusreplikation verhindert wird, aber das Unvermögen der zurzeit verfügbaren Therapien, die Reservoirs der latent infizierten Zellen zu bereinigen, bildet das größte Hindernis für eine Heilung. Um diesen Missstand zu überwinden, hat man schon Verfahren in Betracht gezogen, bei latent infizierten Zellen die Virusreplikation anzuregen und gleichzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um die Beseitigung von Viren und infizierten Zellen durch das Immunsystem zu verstärken. Latente Viren lassen sich beispielsweise durch die Gabe von Cytokinen aktivieren, die die virale Transkription und Replikation in Gang setzen (etwa IL-2, IL-6 und TNF-α). Eine andere Möglichkeit ist die Anwendung von epigenetisch wirksamen Faktoren, beispielsweise Inhibitoren der Histon-Deacetylase (HDAC), die ein latentes Provirus aktivieren können. Bis heute hat jedoch keine einzige klinische Studie mit Wirkstoffen gegen die Reservoirs latenter Viren zu einer eindeutigen Verringerung der Viruslast geführt, die über das hinausgeht, was mit der HAART-Therapie allein zu erreichen ist. Tatsächlich hat man vor Kurzem festgestellt, dass die Aktivierung der viralen Replikation bei latent infizierten Zellen ein in sich zufälliges Verfahren darstellt, da viele Immunzellen, die Proviren beherbergen, gar nicht in der Lage sind, die Virusreplikation bei irgendeinem zellulären Aktivierungszyklus in Gang zu setzen. Die Anpassung von HIV, auf diese Weise die Vernichtung von latent infizierten Zellen zu verhindern, stellt wahrscheinlich ein beträchtliches Hindernis für alle Behandlungsmethoden dar, die darauf abzielen, latente Viren sozusagen „auszuspülen“, um sie zu beseitigen. Eine alternative Methode für eine Heilung ergab sich bei einem einzelnen HIV-Patienten in Berlin („Berlin-Patient “), dem hämatopoetische Stammzellen übertragen wurden (hematopoietic stem-cell transplantation, HSCT), um eine Leukämie zu behandeln. Da der Spender der Stammzellen für die CCR5∆32 -Corezeptor-Mutation homozygot war, wurde der Patient mit Immunzellen ausgestattet, die gegen die Vermehrung von HIV resistent sind. Der Bestand der CD4-T-Zellen erholte sich bei diesem Patienten und er zeigte keinerlei Anzeichen einer HIV-Infektion oder Leukämie mehr, nachdem im Anschluss an die Transplantation die antiretrovirale Therapie beendet worden war. Der Patient befindet sich nun seit über fünf Jahren in diesem Zustand, was darauf hindeutet, dass er tatsächlich von der Infektion geheilt wurde. In Anbetracht der großen Zahl von Infizierten weltweit, der großen Risiken für Komplikationen, die eine HSCT mit sich bringt, und dem seltenen Vorkommen von HLA-kompatiblen Spendern mit der CCR5-Deletion, kann dies in der Praxis niemals ein relevanter Ansatz sein, die Heilung auf das breite Spektrum an HIV-Infizierten zu erweitern. Darüber hinaus besteht das Risiko, dass sich die Virusvarianten mit einem CXCR4-Tropismus nach der Transplantation vermehren oder es damit zu einer Neuinfektion kommt. Das Ergebnis verdeutlicht jedoch, dass es durch die Vernichtung eines Latenzreservoirs (in diesem Fall durch eine induktive Chemo- und Bestrahlungstherapie gegen Leukämie) in Kombination mit einer Blockade der Virusreplikation (entweder durch genetisch bedingte Effekte oder therapeutische Einwirkung) zu einer nachhaltigen Heilung kommen kann. Bei jedem HIV-Infizierten häuft das Virus im Verlauf der Infektion zahlreiche Mutationen an, sodass wirkstoffresistente Varianten des Virus entstehen können Durch die rasche HIV -Vermehrung mit einer Erzeugung von 109–1010 Virionen pro Tag entstehen bei einer Mutationsrate von etwa 3 × 10–5 pro Nucleotidbase und Replikationszyklus bei einem einzigen infizierten Patienten zahlreiche HIV-Varianten. Diese hohe Mutationsrate ist eine Folge der fehleranfälligen Replikation von Retroviren und sie stellt das Immunsystem vor eine enorme Aufgabe. Der Reversen Transkriptase fehlt eine Korrekturlesefunktion der zellulären DNA-Polymerasen. Die RNA-Genome der Retroviren werden mit relativ geringer Genauigkeit in DNA transkribiert. Obwohl also die Primärinfektion normalerweise durch ein einziges „Gründervirus“ erfolgt, entwickeln sich in einem infizierten Patienten dennoch sehr schnell zahlreiche HIV-Varianten, die man als Quasispezies bezeichnet. Die hohe Variabilität wurde zuerst bei HIV entdeckt, man kennt diesen Mechanismus aber inzwischen auch von den anderen Lentiviren. Als Folge der hohen Variabilität entwickelt HIV schnell eine Resistenz gegenüber antiviralen Wirkstoffen, vergleichbar mit der Entwicklung von Escape-Mutanten , die der Entdeckung durch T-Zellen entgehen (Abschn. 13.3.7). Bei der Anwendung solcher Wirkstoffe treten Virusvarianten mit Mutationen auf, die gegen die Wirkung der Wirkstoffe resistent sind. Die neuen Viren vermehren sich, bis die vorherigen Titer im Plasma erreicht sind. Resistenzen gegen einige der Proteaseinhibitoren erfordern nur eine einzige Mutation und treten bereits nach nur wenigen Tagen auf (Abb. 13.40). Ähnliches gilt für Resistenzen gegen die Inhibitoren der Reversen Transkriptase. Im Gegensatz dazu dauert es Monate, bis eine Resistenz gegen das Nucleosid Azidothymidin (Zidovudin ) eintritt, da hier in der Reversen Transkriptase drei bis vier Mutationen stattfinden müssen. Aufgrund des relativ schnellen Auftretens von Resistenzen gegen HIV-Medikamente hat eine erfolgreiche Behandlung bis jetzt normalerweise auf einer Kombinationstherapie beruht, da die Wahrscheinlichkeit, dass in mehreren HIV-Proteinen gleichzeitig Resistenzmutanten auftreten, praktisch bei null liegt. Dennoch haben sich Monotherapien mit antiretroviralen Wirkstoffen der neueren Generation bei Patienten mit geringer Viruslast zu Beginn der Infektion als wirksam erwiesen. Ein Impfstoff gegen HIV ist erstrebenswert, wirft aber auch viele Probleme auf Die Wirksamkeit der HAART-Therapie , die HIV-Replikation zu begrenzen, hat zwar den natürlichen Verlauf und die Übertragungsraten der HIV-Infektion grundlegend verändert, aber ein sicherer und wirksamer Impfstoff für die Vorbeugung einer HIV-Infektion und von AIDS ist immer noch das letztendliche Ziel. Ein solcher Impfstoff würde im Idealfall sowohl ein breites Spektrum neutralisierender Antikörper hervorbringen, die das Virus daran hindern, in die Zielzellen einzudringen (also Anti-gp120-Antikörper ), als auch wirksame Reaktionen cytolytischer T-Zellen auslösen, die HIV-Infektionen verhindern beziehungsweise unter Kontrolle bringen können. Es ist jedoch bis jetzt nicht gelungen, einen solchen Impfstoff herzustellen, und dies dennoch zu erreichen, birgt eine Reihe von Schwierigkeiten, die es bei der Entwicklung von Impfstoffen gegen andere Krankheiten bis jetzt nicht gegeben hat. Das Hauptproblem ist die Art der Infektion selbst, die von einem Virus ausgelöst wird, das die zentrale Komponente der adaptiven Immunität – die CD4-T-Zellen – direkt unterminiert und außerordentlich schnell proliferiert und mutiert, sodass es sogar in Gegenwart ausgeprägter Reaktionen von cytotoxischen T-Zellen und Antikörpern eine dauerhafte Infektion verursacht. Man hat die Entwicklung von Impfstoffen erwogen, die man Patienten verabreichen könnte, die bereits infiziert sind, um die Immunantwort zu verstärken und den Fortschritt von AIDS zu verhindern. Auch hat man an Impfstoffe gedacht, die einer Infektion vorbeugen sollen. Die Entwicklung einer therapeutischen Impfung für bereits infizierte Patienten wäre außerordentlich schwierig. Wie bereits im vorherigen Abschnitt besprochen, kann sich HIV bei den einzelnen Patienten weiterentwickeln, weil die mutierten Viren veränderte Peptidsequenzen codieren, die eine Erkennung durch Antikörper und cytotoxische T-Zellen verhindern. Dadurch können sich die Mutanten besser vermehren. Die Fähigkeit des Virus, in latenter Form ohne aktive Transkription als Provirus, den das Immunsystem nicht erkennt, erhalten zu bleiben, könnte sogar verhindern, dass eine immunisierte Person eine Infektion besiegen kann, sobald diese sich etabliert hat. Eine vorbeugende Impfung , die eine Neuinfektion verhindern soll, bietet wahrscheinlich mehr Aussicht auf Erfolg. Aber selbst hier stellen die fehlende Schutzwirkung einer normalen Immunantwort und das immense Ausmaß der Sequenzvielfalt der HIV-Stämme in der infizierten Bevölkerung – zurzeit gibt es in der menschlichen Population Tausende von verschiedenen HIV-Stämmen – insgesamt eine große Herausforderung dar. Patienten, die mit einem bestimmten Virusstamm infiziert sind, zeigen gegenüber eng verwandten Stämmen offenbar keine Resistenz und es gibt sogar Fälle mit Superinfektionen, bei denen zwei Stämme gleichzeitig dieselbe Zelle infizieren. Hinzu kommt das grundlegende Problem, überhaupt neutralisierende Antikörper mit großer Wirkungsbreite gegen die Glykoproteine der HIV-Hülle erzeugen zu können (Abschn. 13.3.7). Zusätzlich besteht eine gewisse Unsicherheit dahingehend, welche Form ein Immunschutz gegen HIV haben sollte. Man geht jetzt davon aus, dass sowohl eine Antikörperreaktion als auch eine T-Zell-Reaktion erforderlich ist, um einen wirksamen Immunschutz zu erzeugen, wobei weiterhin unklar ist, welche Epitope am besten als Ziel geeignet sind und wie man eine Reaktion darauf am besten induziert. Und schließlich vergehen von der ersten Konzeption über die Entwicklung und die Herstellung bis hin zur vollständigen Durchführung der klinischen Studien von HIV-Impfstoffen viele Jahre, wodurch sich ein Fortschritt stark verzögert. Bis heute wurden nur wenige klinische Studien durchgeführt und die sind gescheitert. Es hat jedoch bei allem Pessimismus auch Fortschritte gegeben und es besteht die Hoffnung, dass sich Impfstoffe erfolgreich entwickeln lassen. Man versucht auf verschiedene Weise, Impfstoffe gegen HIV zu entwickeln, indem man etwa unterschiedlich rekombinante HIV-Proteine, Plasmid-DNA oder virale Vektoren mit HIV-Genen (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_16#Sec33) oder Kombinationen dieser Komponenten anwendet. Viele erfolgreiche Impfstoffe gegen andere Viruserkrankungen enthalten einen lebend-attenuierten Stamm des Virus, der eine Immunantwort auslöst, aber keine Krankheit verursacht (Abschn. 10.1007/978-3-662-56004-4_16#Sec26). Bei der Entwicklung lebend-attenuierter Impfstoffe gegen HIV treten erhebliche Schwierigkeiten auf, außerdem besteht die Sorge, dass es zwischen den Impfstämmen und den Wildtypviren zu Rekombinationen kommen kann, sodass die Virulenz zurückkehrt. Ein alternativer Ansatz ist die Verwendung anderer Viren, etwa des Vaccinia- oder des Adenovirus, um HIV-Gene zu übertragen und zu exprimieren, um so B- und T-Tell-Reaktionen gegen HIV-Antigene hervorzurufen. Da sich diese viralen Vektoren bei anderen Impfstudien an Menschen als sicher erwiesen haben, wurden sie für die ersten Versuche ausgewählt. Vor Kurzem gab es hier einen durchaus ermutigenden, wenn auch begrenzten Erfolg, indem man in Kombinationsexperimenten Booster-Impfungen mit dem rekombinanten gp120 -Protein durchführte. Die Übertragung der HIV-Gene gag, pol und env über einen Kanarienpockenvirus als Vektor und anschließende Booster-Impfungen mit HIV-gp120 führten zu einer Verringerung des Infektionsrisikos bei einer geringeren, aber signifikanten Anzahl von Empfängern, die unter einem hohen Infektionsrisiko stehen. Dies ist bis heute der erste Fall in der langen Reihe von Impfversuchen, dass sich überhaupt eine Wirksamkeit zeigt. Vielleicht ist dabei genauso von Bedeutung, dass die Ergebnisse dieser Studie auch Erkenntnisse über die Art der Immunantwort geliefert haben, die mit diesem Immunschutz einhergeht. Anscheinend werden nichtneutralisierende Antikörper erzeugt, die eine antikörperabhängige zelluläre Cytotoxizität (ADCC) auslösen (beispielsweise mit dem IgG3-Isotyp), durch die der Schutz herbeigeführt wird. Da es sich als schwierig herausgestellt hat, gegen HIV neutralisierende Antikörper hervorzubringen, könnte nun die Hoffnung bestehen, dass man sie gar nicht benötigt. Darüber hinaus hat eine Untersuchung, bei der SIV-Gene mithilfe des Cytomegalievirus (CMV) als Vektor auf Rhesusaffen übertragen wurden, ergeben, dass dadurch starke CTL-Reaktionen ausgelöst wurden. Diese CTL-Reaktionen konnten zwar nicht die Infektion mit einem pathogenen SIV-Stamm verhindern, führten aber bei etwa der Hälfte der geimpften Affen, die man nach der systemischen Ausbreitung des Virus geimpft hatte, zu einer Vernichtung des Virus. Dieses völlig neue Ergebnis deutet darauf hin, dass der virale Vektor, der für die Übertragung der HIV-Gene verwendet wird – in diesem Fall ein Vektor, der noch lange Zeit nach der Impfung HIV-Antigene produzieren kann – für die Art und Stärke der ausgelösten antiviralen CD8-T-Zell-Reaktion von großer Bedeutung sein und der Immunschutz womöglich durch eine wirksame T-Zell-Reaktion allein erreicht werden kann. Hier sind weitere Untersuchungen notwendig um festzustellen, ob die kombinierten Impfstoffe, die die passenden nichtneutralisierenden Antikörper und starke CD8-T-Zell-Reaktionen hervorrufen, selbst dann einen Schutz bewirken können, wenn keine neutralisierenden Antikörper produziert werden. Neben den biologischen Hindernissen wirft die Entwicklung eines solchen Impfstoffs auch schwerwiegende ethische Fragen auf. Es wäre unethisch, einen Impftest durchzuführen, ohne gleichzeitig zu versuchen, die geimpfte Bevölkerungsgruppe möglichst wenig dem Virus auszusetzen. Die Effektivität eines Impfstoffs kann man jedoch nur in einer Population mit einem hohen Ansteckungsrisiko ermitteln. Das bedeutet, dass erste Impfversuche in Ländern unternommen werden müssten, in denen Personen sehr häufig infiziert werden und in denen die Ausbreitung von HIV noch nicht durch öffentliche Gesundheitsmaßnahmen reduziert werden konnte. Prävention und Aufklärung sind eine Möglichkeit, die Ausbreitung von HIV und AIDS einzudämmen Der Ausbreitung von AIDS kann vorgebeugt werden, indem Personen, die bereits infiziert sind, und Personen, die unter einem erhöhten Ansteckungsrisiko stehen, Vorsichtsmaßnahmen ergreifen. Die Entwicklung der HAART-Therapie steht für einen wichtigen Fortschritt bei den Bemühungen, die HIV-Übertragung von infizierten Personen zu verhindern, da dabei die Virustiter in den Körperflüssigkeiten stark abnehmen. Die meisten mit HIV infizierten Menschen haben jedoch gar keinen Zugang zu einer HAART-Behandlung, da diese teuer ist und eine lebenslange Anwendung erfordert. Außerdem sind sich viele Infizierte gar nicht bewusst, dass sie das Virus tragen. Selbst dort, wo HAART nicht zur Verfügung steht, ist der Zugang zu regelmäßigen Gesundheitstests notwendig, damit infizierte Personen informiert werden und Maßnahmen ergreifen können, dass sie das Virus nicht auf andere übertragen. Das erfordert wiederum strenge Vertraulichkeit und auch gegenseitiges Vertrauen. Ein Hindernis dabei, HIV unter Kontrolle zu bringen, ist das Widerstreben der Menschen überhaupt herauszufinden, ob sie infiziert sind, vor allem da ein positiver HIV-Tests unter anderem in der Gesellschaft zu einer Stigmatisierung führt. Hier sind Aufklärungsmaßnahmen für eine Prävention von großer Bedeutung, sowohl zur Beseitigung der Stigmatisierung als auch zur Vermittlung von Informationen, wie der Übertragung des Virus vorgebeugt werden kann. Maßnahmen zur Prävention , die nichtinfizierte Personen ergreifen können, sind relativ preisgünstig und beinhalten Vorkehrungen, die vor dem Kontakt mit Körperflüssigkeiten, also Samenflüssigkeit, Blut, Blutprodukten oder Milch, von infizierten Personen schützen können. Es hat sich wiederholt gezeigt, dass dies ausreicht, um eine Infektion zu vermeiden, etwa bei Mitarbeitern im Gesundheitsdienst, die langfristig mit AIDS-Patienten zu tun haben, ohne dass sie Anzeichen einer Serokonversion oder einer Infektion entwickeln. Die konsequente Verwendung von Kondomen verringert das Risiko einer HIV-Übertragung erheblich, genauso wie der Verzicht des Stillens von Neugeborenen durch infizierte Mütter. Durch die männliche Beschneidung lässt sich ebenfalls die Übertragungsrate verringern, da bei nichtbeschnittenen Männern die Vorhaut die hauptsächliche Eintrittsstelle für das Virus ist. Zu weiteren Maßnahmen, die hier infrage kommen, gehört die Verwendung antimikrobieller Gele oder Zäpfchen. Hier haben Verbesserungen zu Produkten geführt, die sich in neueren Versuchsreihen als relativ wirksam herausgestellt haben. Einige dieser Produkte können auch vor der Übertragung anderer sexuell übertragbarer Krankheiten schützen (beispielsweise vor Genitalherpes), die ihrerseits das Risiko für eine HIV-Übertragung erhöhen. Schließlich zeigt sich auch ein gestiegenes Interesse an der vorbeugenden Einnahme von antiviralen Wirkstoffen (dies bezeichnet man als Präexpositionsprophylaxe oder PrEP). Die Wirkstoffe werden Personen, die einem hohen Risiko ausgesetzt sind, mit HIV in Berührung zu kommen, entweder äußerlich lokal begrenzt oder oral verabreicht. Zurzeit gibt es zwei Inhibitoren der Reversen Transkriptase, die sich in Versuchsreihen als wirksam erwiesen haben, und durch die kombinierte orale Einnahme beider Wirkstoffe in den Versuchen hat das Risiko einer HIV-Infektion um 90 % abgenommen. Darüber hinaus verringert die Anwendung einer antiretroviralen Therapie unmittelbar nach einer Exposition – wenn etwa Krankenhausangestellte mit kontaminiertem Blut in Kontakt gekommen sind, beispielweise durch den versehentlichen Stich mit einer Injektionsnadel – das Risiko erheblich, sich mit HIV anzustecken. Ein Problem bei dieser Vorgehensweise besteht darin, dass sich bei Personen, die während einer PrEP-Maßnahme von HIV angesteckt werden, Resistenzen entwickeln können; das gilt vor allem für Personen, die sich nicht an die Dosierungsvorschriften halten. Die Bedeutung dieses Risikos wurde zwar noch nicht ermittelt, es bleibt aber in der Diskussion. Durch Austesten von neuen PrEP-Strategien mit weiteren antiretroviralen Substanzen oder Wirkstoffformen mit langer Wirksamkeit, die das Risiko bei mangelnder Mitwirkung der Patienten verringern, sollten sich noch einige vielversprechende Ansätze finden lassen. Zusammenfassung Das erworbene Immunschwächesyndrom AIDS wird durch eine Infektion mit dem humanen Immunschwächevirus HIV ausgelöst. Zwar ließ sich dessen Weitergabe inzwischen deutlich verlangsamen, aber diese weltweite Epidemie breitet sich weiterhin aus, besonders aufgrund von heterosexuellen Kontakten in den weniger entwickelten Ländern. HIV ist ein behülltes Retrovirus, das sich in Zellen des Immunsystems vermehrt. Damit das Virus in eine Zelle eindringen kann, müssen CD4 und ein bestimmter Chemokinrezeptor vorhanden sein. Darüber hinaus braucht das Virus zur Vermehrung Transkriptionsfaktoren, die in aktivierten T-Zellen vorkommen. Bei einer HIV-Infektion werden die CD4-T-Zellen zerstört und es kommt zu einer akuten Virämie, die aber schnell wieder zurückgeht, sobald die cytotoxischen T-Zellen eine Immunantwort entwickeln. Die HIV-Infektion wird jedoch von dieser Immunreaktion nicht beseitigt. HIV etabliert einen Zustand persistierender Infektion, in dem sich das Virus permanent in neu infizierten Zellen vermehrt. Die derzeitige Therapie umfasst die Behandlung mit einer Kombination aus antiviralen Wirkstoffen, die die Virusreplikation hemmen, zu einer schnellen Abnahme des Virustiters und zu einer langsamen Zunahme der CD4-T-Zellen führen. HIV zerstört bei einer Infektion vor allem die CD4-T-Zellen; das ist die Folge von direkten cytopathologischen Effekten der HIV-Infektion und dem Abtöten der Zellen durch cytotoxische CD8-T-Zellen. In dem Maße, wie die Anzahl der CD4-T-Zellen sinkt, wird der Körper zunehmend anfälliger für opportunistische Infektionen. Schließlich bekommen die meisten unbehandelten HIV-Infizierten AIDS und sterben. Eine kleine Minderheit, sogenannte Individuen ohne langfristigen Krankheitsfortschritt (long-term nonprogressors), bleibt jedoch jahrelang gesund, ohne irgendwelche Symptome einer Infektion zu zeigen. Man hofft, durch solche Menschen herausfinden zu können, wie sich eine HIV-Infektion eindämmen lässt. Weil es solche Menschen gibt, aber auch andere, die gegen eine Infektion auf natürliche Weise immunisiert wurden, besteht die Hoffnung, dass möglicherweise wirksame Impfstoffe gegen HIV entwickelt werden können. Kapitelzusammenfassung Während die meisten Infektionen zu einer schützenden Immunität führen, haben die erfolgreichen Krankheitserreger Wege gefunden, einer Immunantwort zumindest teilweise zu widerstehen. Diese lösen schwere, manchmal lange anhaltende Krankheiten aus. Einige Personen weisen in verschiedenen Elementen des Immunsystems genetische Defekte auf, die sie für bestimmte Gruppen von Erregern besonders anfällig machen. Persistierende Infektionen und erbliche Immunschwächen zeigen, wie wichtig die angeborene und die erworbene adaptive Immunität für eine wirksame Abwehr von Infektionen sind, und stellen eine fortwährende Herausforderung für die immunologische Forschung dar. Das humane Immunschwächevirus (HIV), das zum erworbenen Immunschwächesyndrom (AIDS) führt, vereint die besonderen Merkmale eines persistierenden Erregers mit der Fähigkeit, das Immunsystem seines menschlichen Wirtes zu schwächen – eine Kombination, die für die Patienten in der Regel eine langsame, tödliche Wirkung hat. Der Schlüssel zur Bekämpfung neuer Pathogene wie HIV liegt darin, mehr über die grundlegenden Eigenschaften des Immunsystems und seine Rolle bei der Bekämpfung von Infektionen herauszufinden.

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          Contributors
          Lydia.lundbeck@springer.com
          lydia.lundbeck@springer.com
          Journal
          978-3-662-56004-4
          10.1007/978-3-662-56004-4
          Janeway Immunologie
          Janeway Immunologie
          978-3-662-56003-7
          978-3-662-56004-4
          23 April 2018
          : 695-781
          Affiliations
          [4 ]ISNI 0000 0001 2355 7002, GRID grid.4367.6, School of Medicine, , Washington University, ; Parkview Place 4940, 63110 St. Louis, USA
          [5 ]ISNI 0000000106344187, GRID grid.265892.2, School of Medicine, , University of Alabama at Birmingham, ; 19th Street South 845, 35294 Birmingham, USA
          [3 ]Heidelberg, Germany
          Article
          13
          10.1007/978-3-662-56004-4_13
          7844874
          927bd557-8a1e-4a9e-b102-cf645ac2f829
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